Forscher löst 140 Jahre altes Rätsel der Fluidmechanik

Zweidimensionale Ansicht einer Strömung um ein rundes Objekt. (Wikipedia, gemeinfrei)
Zweidimensionale Ansicht einer Strömung um ein rundes Objekt. (Wikipedia, gemeinfrei)

Ein Wissenschaftler der Purdue University hat ein 140 Jahre altes Rätsel der Fluidmechanik gelöst: Es dreht sich um die Frage, warum eine simple Formel die scheinbar komplexe Physik des Verhaltens von elliptischen Teilchen beschreibt, welche sich durch ein Fluid bewegen. Die Ergebnisse haben potenzielle Auswirkungen auf die Forschung und Industrie, weil elliptische Nanoteilchen an vielen Anwendungen beteiligt sind, beispielsweise Medikamenten, Nahrung und Kosmetik.

Wie eine Kugel erfahren auch längliche Ellipsoiden eine Starrkörperbewegung, wenn sie in ein Fluid getaucht werden. Das bedeutet, sie verformen sich nicht, während sie rotieren und sich von einer Seite auf die andere bewegen. Weil ein Ellipsoid nicht perfekt kugelförmig ist, widerspricht es der Intuition, dass seine Bewegung in einem Fluid mit dem gleichen einfachen mathematischen Ausdruck beschrieben werden kann wie jene einer Kugel.

„Normalerweise würde man einen sehr komplizierten Ausdruck erwarten, weil ein Ellipsoid keine perfekte Kugel ist“, sagte Sangtae Kim, ein angesehener Professor an der School of Chemical Engineering der Purdue University. Die Tatsache, dass dies nicht der Fall ist, stellte eine Zwickmühle für Kim dar, an der er seit seinen Tagen als Student in den 1970er Jahren grübelte. „Es hat seitdem an mir genagt“, sagte er.

Im Jahr 1964 schrieb der Chemieingenieur Howard Brenner vom MIT eine Abhandlung, in der er die Mathematik hinter der simplen Formel zeigte, aber er brauchte mehrere Seiten voller komplexer Berechnungen, um auf das einfache Ergebnis zu kommen. „Dr. Brenner unterstrich diese Einfachheit“, sagte Kim. „Aber die Einfachheit des Ergebnisses konnte nur gezeigt werden, indem fünf bis zehn Seiten mit sehr komplizierter Algebra und schwierigen Berechnungen durchgegangen wurden. Am Ende kürzt sich alles heraus und man bekommt dieses endgültige, sehr einfache Ergebnis. Es ist fast wie ein Mirakel, das mich eine lange Zeit geplagt hat.“

Er hat das Rätsel mit einer neuen Abhandlung gelöst, die im November in einer Spezialausgabe des Journals Industrial & Engineering Chemistry Research der American Chemical Society (ACS) erscheinen wird. Die Spezialausgabe ehrt den 50. Jahrestag der Doktorarbeit von Doraiswami Ramkrishna an der Purdue University, die als Wegweiser in der Geschichte des Chemieingenieurwesens gilt. Ramkrishna ist der Harry Creighton Peffer Distinguished Professor für Chemieingenieurwesen an der Purdue University. Kims Abhandlung wurde als Empfehlung der Redaktion hervorgehoben.

Das Ellipsoid-Rätsel hat seinen Ursprung in den Jahren 1876 und 1892, als Wissenschaftler beschrieben, wie sich ein Ellipsoid durch ein umgebendes Fluid von einer Seite auf die andere bewegt und dabei rotiert. Dabei werden Druck und Belastungen auf die Oberfläche des Objekts ausgeübt. Brenner vereinigte später die Mathematik für die Rotation und die Translationsbewegung.

Die neue Forschungsarbeit demonstriert, wie die Wechselwirkung eines Ellipsoids mit einem Fluid durch das gleiche einfache mathematische Muster beschrieben werden kann, welches auf Kugeln angewandt wird. „Das Muster ist seit 140 Jahren bekannt und der fundamentale Grund dafür, dass dieses simple Muster richtig sein muss, ist dank der neuen Arbeit jetzt offensichtlich“, sagte Kim.

John Anderson, emeritierter Präsident des Illinois Institute of Technology und Professor für Chemieingenieurwesen, sagte: „Dr. Kims Abhandlung schließt die 140-jährige Entwicklung verblüffender Zusammenhänge zwischen den hydrodynamischen Eigenschaften von Ellipsoiden definitiv ab. Es sind Zusammenhänge, die sich als unschätzbar für jene Theoretiker erwiesen haben, die versuchen, die Bewegung von Teilchen in fließenden Fluiden und elektrischen Feldern zu modellieren. Eine faszinierende Hintergrundgeschichte ist, dass Professor Kim sein Interesse am Beweis der Genauigkeit dieser nützlichen Zusammenhänge sogar während seiner Jahre im ausführenden Management in der Pharmaindustrie und bei der National Science Foundation gewahrt hat. Der entscheidende Funke wurde im letzten Herbst neu entfacht, als er dazu eingeladen wurde, im Gedenken an seinen verstorbenen Kollegen Howard Brenner zu sprechen.“ Anderson besuchte im September die Purdue University, um ein Gastseminar abzuhalten.

Professor Henry Power von der University of Nottingham, ein Experte, der 1987 eine wichtige Entdeckung auf dem Gebiet machte, sagte: „Professor Kims elegante Lösung liefert auch einen neuen und effizienten Weg zur Beschreibung der Bewegung dieser nicht kugelförmigen Teilchen.“

Abhandlung: „Ellipsoidal Microhydrodynamics without Elliptic Integrals and How To Get There Using Linear Operator Theory: A Note on Weighted Inner Products“ von Sangtae Kim

Quelle: https://www.purdue.edu/newsroom/releases/2015/Q4/purdue-professor-solves-140-year-fluid-mechanics-enigma.html

(THK)

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