Im letzten Jahrhundert bemerkte der Linguist George Zipf, dass das zweithäufigste englische Wort „of“ etwa halb so oft gebraucht wurde wie das häufigste Wort „the“. Das dritthäufigste Wort „and“ trat ungefähr ein Drittel so oft auf und so weiter. Dieses seltsame Verhalten, nach dem die Häufigkeit eines Wortes umgekehrt proportional zu seinem Platz auf der Topliste ist, wurde als Zipfsches Gesetz bekannt. Andere Forscher hatten das gleiche Verhalten bei der Bevölkerung von Städten festgestellt: Die Stadt mit der zweitgrößten Bevölkerung hatte ungefähr halb so viel Einwohner wie die bevölkerungsreichste Stadt. Die Stadt mit der drittgrößten Einwohnerzahl besaß ein Drittel der Einwohner der größten Stadt und so weiter.
Wissenschaftler, die schwache Signale in einem Rauschhintergrund untersuchen, begannen ebenfalls einen ähnlichen Effekt zu sehen: Dabei haben die meisten Systeme eine Rauschkomponente, deren Intensität umgekehrt proportional zur Frequenz variiert – das sogenannte 1/f-Rauschen. Theoretische statistische Analysen haben viele weitere Beispiele ergeben, in denen das Zipfsche Gesetz oder eine enge Annäherung aus quasizufälligen Verteilungen der untersuchten Elemente resultiert, etwa bei Worten oder Städten. Es gibt allerdings viele kleine Abweichungen, und zum Ursprung des Zipfschen Gesetzes gibt es keinen Konsens.
Galaxien entstehen, wenn die Materiedichte einen kritischen Wert übersteigt. Der Astronomie-Student Henry Lin von der Harvard University und der Astronom Avi Loeb vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) stellten fest, dass Städte – wie Galaxien – auch so betrachtet werden können, dass sie sich entwickeln, wenn ihre Einwohnerzahl erst einmal einen kritischen Wert übersteigt. Je größer die Bevölkerung, desto größer die Stadt. Weil das Zipfsche Gesetz auf Städte angewandt werden kann, untersuchten die Forscher, ob es vielleicht auch auf Galaxien zutrifft und warum das der Fall sein könnte.
Sie konzentrierten sich nicht darauf, wie sich das Gesetz in bestimmten Situationen herauskristallisiert, sondern sie argumentieren, dass es natürlicherweise in allen statistischen Systemen mit zwei Schlüsseleigenschaften auftritt: Einer zweidimensionalen Geometrie (Galaxien werden auf die zweidimensionale Fläche des Himmels projiziert betrachtet) und eine Clusterbildung, die unabhängig von der Größe ist (Skaleninvarianz), so dass eine kleine Region genau so aussieht wie eine große Region.
Die Wissenschaftler zeigen mathematisch, dass mit diesen beiden Eigenschaften ein Verhalten wie das Zipfsche Gesetz natürlicherweise auftritt. Bei manchen Systemen – beispielsweise Worten – könnten selbstverständlich andere Gründe für die Erzeugung eines solchen Verhaltens verantwortlich sein. Die neue Theorie kann das Zipfsche Gesetz ableiten und Veränderungen der Populationsdichte erfolgreich vorhersagen.
Abhandlung: „Zipfs Law from Scale-Free Geometry“ von Henry W. Lin und Abraham Loeb, Phys. Rev. E 93, 032306, 2006.
Quelle: https://www.cfa.harvard.edu/news/su201616
(THK)
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