Ein neuer Blick auf den gefräßigen jungen Stern FU Orionis

Die Helligkeit des Sterns FU Orionis hat sich seit dem Anstieg im Jahr 1936 abgeschwächt. Sie ist zwischen 2004 (links) und 2016 (rechts) in nahinfraroten Wellenlängen um 13 Prozent abgesunken (Künstlerische Darstellung). (NASA / JPL-Caltech)
Die Helligkeit des Sterns FU Orionis hat sich seit dem Anstieg im Jahr 1936 abgeschwächt. Sie ist zwischen 2004 (links) und 2016 (rechts) in nahinfraroten Wellenlängen um 13 Prozent abgesunken (Künstlerische Darstellung). (NASA / JPL-Caltech)

Im Jahr 1936 begann der junge Stern FU Orionis plötzlich damit, gierig Materie aus seiner umgebenden Gas- und Staubscheibe zu verschlingen. Während des dreimonatigen Gelages, in dem er Materie in Energie verwandelte, wurde er 100 Mal heller und heizte die Scheibe auf Temperaturen bis zu 7.000 Kelvin auf. Bis heute verschluckt FU Orionis Gas, wenn auch nicht mehr so schnell.

Diese Helligkeitssteigerung ist das extremste Ereignis dieser Art, das bei einem Stern von der Größe der Sonne bestätigt wurde, und könnte Auswirkungen auf die Theorien zur Stern- und Planetenentwicklung haben. Die immense Aufheizung der Scheibe um den Stern änderte wahrscheinlich ihre Zusammensetzung und veränderte nachhaltig die Materie, die sich eines Tages in Planeten verwandeln könnte.

„Durch die Untersuchung von FU Orionis sehen wir die Babyjahre eines Sonnensystems“, sagte Joel Green, Projektwissenschaftler am Space Telescope Science Institute in Baltimore (Maryland). „Unsere eigene Sonne könnte einen ähnlichen Helligkeitsanstieg erfahren haben, der ein entscheidender Schritt bei der Entstehung der Erde und anderer Planeten in unserem Sonnensystem gewesen wäre.“

Beobachtungen des etwa 1.500 Lichtjahre von der Erde entfernten Sterns FU Orionis im Sternbild Orion haben gezeigt, dass sich die extreme Helligkeit des Sterns nach seinem ursprünglichen Ausbruch im Jahr 1936 langsam abzuschwächen begann. Aber Green und seine Kollegen wollten mehr über den Zusammenhang zwischen dem Stern und der umgebenden Scheibe erfahren. Nimmt der Stern noch immer Materie aus ihr auf? Verändert sich ihre Zusammensetzung? Wann wird die Helligkeit des Sterns auf die Werte von vor dem Ausbruch zurückfallen?

Um diese Fragen zu beantworten, mussten die Wissenschaftler die Helligkeit des Sterns in infraroten Wellenlängen beobachten. Diese Wellenlängen sind für das menschliche Auge nicht sichtbar und liefern Temperaturmessungen.

Green und sein Team verglichen Infrarotdaten, die 2016 mit dem Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy (SOFIA) gemacht wurden, mit Beobachtungen des NASA-Weltraumteleskops Spitzer aus dem Jahr 2004. SOFIA, das weltgrößte luftgestützte Observatorium, wird gemeinsam von der NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betrieben und macht Beobachtungen in einem Wellenlängenbereich, der für Spitzer nicht länger zugänglich ist. Die SOFIA-Daten wurden mit dem FORCAST-Instrument (Faint Object infrared Camera for the SOFIA Telescope) gesammelt.

„Durch die Kombination der Daten beider Teleskope, gesammelt über einen Zeitraum von zwölf Jahren, konnten wir einen einzigartigen Blick auf das Verhalten des Sterns im Verlauf der Zeit werfen“, sagte Green. Er präsentierte die Ergebnisse diese Woche auf dem Treffen der American Astronomical Society in San Diego.

Anhand der Infrarotbeobachtungen und anderer historischer Daten stellten die Forscher fest, dass FU Orionis seine Fressattacke nach dem anfänglichen Helligkeitsanstieg fortgesetzt hatte: Der Stern hat in den vergangenen 80 Jahren das Äquivalent von 18 Jupitermassen verschlungen.

Die neuen Messungen von SOFIA zeigen den Forschern, dass die Gesamtmenge des sichtbaren und infraroten Lichts aus dem System FU Orionis während der letzten zwölf Jahre seit den Spitzer-Beobachtungen um etwa 13 Prozent abgenommen hat. Sie stellten fest, dass diese Abnahme durch die Abschwächung des Sterns in kurzen Infrarotwellenlängen verursacht wird, aber nicht in längeren Wellenlängen. Das bedeutet, dass bis zu 13 Prozent der heißesten Materie der Scheibe verschwunden sind, wohingegen die kühlere Materie intakt blieb.

„Eine Abnahme bei dem heißesten Gas bedeutet, dass der Stern den innersten Bereich der Scheibe frisst, aber der Rest der Scheibe hatte sich in den letzten zwölf Jahren nicht nennenswert verändert“, sagte Green. „Dieses Ergebnis stimmt mit Computermodellen überein, aber erstmals konnten wir die Theorie mit Beobachtungen bestätigen.“

Astronomen sagen voraus – teilweise auf den neuen Ergebnissen basierend -, dass FU Orionis innerhalb der nächsten paar Hundert Jahre die heiße Materie ausgehen wird. An dem Punkt wird der Stern in den Zustand zurückkehren, den er vor dem dramatischen Helligkeitsanstieg 1936 hatte. Die Wissenschaftler sind nicht sicher, wie der Stern vorher aussah oder was den Fressrausch auslöste. „Die auf den Stern zustürzende Materie ist wie Wasser aus einem Gartenschlauch, der langsam abgeklemmt wird“, sagte Green. „Letztendlich wird das Wasser aufhören zu fließen.“

Falls unsere Sonne einen ähnlichen Helligkeitsanstieg erfahren hätte wie FU Orionis im Jahr 1936, dann könnte das erklären, warum bestimmte Elemente auf dem Mars häufiger vorkommen als auf der Erde. Ein plötzlicher Helligkeitsanstieg um das Hundertfache hätte die chemische Zusammensetzung der Materie in der Nähe des Sterns verändert, aber in größerer Entfernung nicht so stark. Weil der Mars sich weiter von der Sonne entfernt bildete, wären seine Bestandteile nicht so sehr aufgeheizt worden wie jene auf der Erde.

FU Orionis befindet sich mit einem Alter von wenigen Hunderttausend Jahren im Kindesalter hinsichtlich der typischen Lebensspanne eines Sterns. Die 80 Jahre Helligkeitsanstieg und -abschwächung seit 1936 stellen nur einen winzigen Bruchteil seines bisherigen Lebens dar, aber diese Veränderungen traten zu einem Zeitpunkt auf, als die Astronomen sie beobachten konnten.

„Es ist erstaunlich, dass sich eine komplette protoplanetare Scheibe in so kurzer Zeit innerhalb einer menschlichen Lebensspanne verändern kann“, sagte Luisa Rebull, Co-Autorin der Studie und Wissenschaftlerin am Infrared Processing and Analysis Center (IPAC) des Caltech in Pasadena (California).

Green plant weitere Einblicke in das Materieaufnahmeverhalten des Systems FU Orionis mit dem James Webb Space Telescope (JWST) der NASA, das im Jahr 2018 starten wird. SOFIA hat hochauflösende Spektrometer für mittelinfrarote Wellenlängen und wissenschaftliche Instrumente für den ferninfraroten Bereich, welche die geplanten Fähigkeiten des JWST im Nah- und Mittelinfrarotbereich ergänzen. Spitzer wird mit der Erforschung des Universums im Infrarotbereich voraussichtlich bis Anfang 2019 fortfahren und bahnbrechende wissenschaftliche Untersuchungen ermöglichen.

Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena (Kalifornien) leitet die Spitzer-Mission für die NASA. Die wissenschaftlichen Operationen werden am Spitzer Science Center des Caltech durchgeführt. Die Operationen des Weltraumteleskops selbst werden von der Lockheed Martin Space Systems Company in Littleton (Colorado) gesteuert. Die Daten werden am Infrared Science Archive am IPAC des Caltech gespeichert. Das Caltech betreibt das JPL für die NASA.

SOFIA ist ein Gemeinschaftsprojekt der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das Flugzeug hat seinen Stützpunkt am Armstrong Flight Research Center in Palmdale (Kalifornien). Das Ames Research Center der NASA in Moffett Field (Kalifornien) leitet die Wissenschafts- und Missionsoperationen in Zusammenarbeit mit der Universities Space Research Association (USRA) in Columbia (Maryland) und dem deutschen SOFIA Institut (DSI) an der Universität Stuttgart.

Quelle: https://www.nasa.gov/feature/jpl/gluttonous-star-may-hold-clues-to-planet-formation

(THK)

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