Astronomen entdecken den ersten Magnetar-Windnebel

Dieses Röntgenbild zeigt die Emissionen um den Magnetar Swift J1834.0-0846. Das Leuchten stammt von einer Wolke aus schnellen Teilchen, die von dem Neutronenstern produziert werden. Energien von 2.000-3.000 eV sind in Rot dargestellt, 3.000-4.500 eV in Grün und 5.000-10.000 eV in Blau. Das Bild kombiniert Daten des ESA-Satelliten XMM-Newton vom 16. März und 16. Oktober 2014. (ESA / XMM-Newton / Younes et al. 2016)
Dieses Röntgenbild zeigt die Emissionen um den Magnetar Swift J1834.0-0846. Das Leuchten stammt von einer Wolke aus schnellen Teilchen, die von dem Neutronenstern produziert werden. Energien von 2.000-3.000 eV sind in Rot dargestellt, 3.000-4.500 eV in Grün und 5.000-10.000 eV in Blau. Das Bild kombiniert Daten des ESA-Satelliten XMM-Newton vom 16. März und 16. Oktober 2014. (ESA / XMM-Newton / Younes et al. 2016)

Astronomen haben erstmals eine Wolke aus hochenergetischen Teilchen – einen Windnebel – um einen seltenen, ultramagnetischen Neutronenstern, einen sogenannten Magnetar, entdeckt. Die Entdeckung bietet ein einzigartiges Fenster in die Eigenschaften, Umgebung und Eruptionsgeschichte von Magnetaren, den stärksten Magneten im Universum.

Ein Neutronenstern ist der dichte Kern eines massereichen Sterns, dem der Brennstoff ausgegangen ist, kollabiert unter seinem eigenen Gewicht und explodiert als Supernova. Jeder vereinigt das Äquivalent von einer halben Million Erdmassen in einer Kugel von nur circa 20 Kilometern Durchmesser. Das entspricht ungefähr der Länge von Manhattan Island in New York. Neutronensterne werden am häufigsten in der Form von Pulsaren gefunden, die Radiowellen, sichtbares Licht, Röntgen- und Gammastrahlung an verschiedenen Orten in ihren umgebenden Magnetfeldern erzeugen. Wenn ein Pulsar diese Regionen in unsere Richtung dreht, registrieren Astronomen Strahlungspulse, daher die Bezeichnung Pulsar.

Typische Magnetfelder eines Pulsars können 100 Milliarden bis zehn Billionen Mal stärker als das der Erdmagnetfeld sein. Die Magnetfelder von Magnetaren können noch 1.000 Mal stärker sein, und Wissenschaftler kennen nicht die Einzelheiten der Prozesse, wie diese Magnetfelder erzeugt werden. Von den rund 2.600 bekannten Neutronensternen sind bislang nur 29 als Magnetare klassifiziert.

Der neu entdeckte Nebel umgibt einen Magnetar mit der Bezeichnung Swift J1834.9-0846 oder kurz J1834.9, der am 7. August 2011 von dem NASA-Satelliten Swift aufgrund eines kurzen Röntgenausbruchs entdeckt wurde. Astronomen vermuten, dass das Objekt mit dem Supernova-Überrest W41 in Zusammenhang steht, der sich rund 13.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Scutum (Schild) in Richtung der zentralen Bereiche unserer Galaxie befindet.

„Im Moment wissen wir nicht, wie J1834.9 einen Windnebel entwickelt hat und aufrechterhält. Eine solche Struktur wurde bis jetzt nur um junge Pulsare beobachtet“, sagte der leitende Forscher George Younes, ein Postdoktorand an der George Washington University in Washington. „Wenn der Prozess hier vergleichbar ist, dann sorgen circa zehn Prozent des Verlusts an Rotationsenergie für das Leuchten des Nebels um den Magnetar. Das wäre der höchste Wirkungsgrad, der jemals in so einem System gemessen wurde.“

Einen Monat nach der Swift-Entdeckung führte ein Team unter Leitung von Younes eine weitere Beobachtung des Magnetars J1834.9 mit dem ESA-Röntgenobservatorium XMM-Newton durch. Sie offenbarte ein ungewöhnliches, ungleichmäßiges Leuchten von 15 Lichtjahren Durchmesser mit dem Magnetar im Zentrum. Neue Beobachtungen mit XMM-Newton vom März und Oktober 2014, kombiniert mit Archivdaten XMM-Newtons und Swifts, bestätigten dieses Leuchten als den ersten Windnebel, der jemals um einen Magnetar identifiziert wurde. Eine Abhandlung, die die Analyse beschreibt, wird im Astrophysical Journal veröffentlicht.

„Die interessanteste Frage für mich ist, warum dies der einzige Magnetar mit einem Nebel ist. Wenn wir die Antwort erst einmal kennen, sind wir möglicherweise in der Lage zu verstehen, was einen Magnetar hervorbringt und was einen gewöhnlichen Pulsar entstehen lässt“, sagte die Co-Autorin Chryssa Kouveliotou, eine Professorin am Department of Physics am Columbian College of Arts and Sciences der George Washington University.

Der bekannteste Windnebel, der von einem Pulsar erzeugt wird, ist weniger als 1.000 Jahre alt und liegt im Herzen des Krebsnebels, einem Supernova-Überrest im Sternbild Taurus (Stier). Junge Pulsare wie dieser rotieren schnell, oft Dutzende Male pro Sekunde. Die schnelle Rotationsgeschwindigkeit und die starken Magnetfelder des Pulsars arbeiten zusammen, um Elektronen und andere Teilchen auf sehr hohe Energien zu beschleunigen. Das erzeugt einen Partikelstrom, den Astronomen als Pulsarwind bezeichnen und der als Quelle der Teilchen in einem Windnebel dient.

Diese Illustration demonstriert den Größenvergleich zwischen einem typischen Neutronenstern und der Stadt New York (Manhattan Island im Zentrum). (NASA / Goddard Space Flight Center)
Diese Illustration demonstriert den Größenvergleich zwischen einem typischen Neutronenstern und der Stadt New York (Manhattan Island im Zentrum). (NASA / Goddard Space Flight Center)

„Die Bildung eines Windnebels erfordert große Partikelströme und eine Möglichkeit, die Partikelströme einzuschließen, so dass sie nicht einfach in den Weltraum entweichen“, sagte die Co-Autorin Alice Harding, eine Astrophysikerin am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). „Wir denken, dass die expandierende Hülle des Supernova-Überrests als ‚Flasche‘ agiert, die den Partikelstrom ein paar tausend Jahre lang begrenzt. Wenn sich die Hülle ausreichend weit ausgedehnt hat, wird sie zu schwach, um die Teilchen zurückzuhalten. Dann strömen sie hinaus und der Nebel schwächt sich ab.“ Das erklärt, warum Windnebel nicht bei älteren Pulsaren gefunden werden, sogar wenn sie starke Partikelströme emittieren.

Ein Pulsar zapft seine eigene Rotationsenergie an, um Licht zu produzieren und seinen Pulsarwind zu beschleunigen. Im Gegensatz dazu wird der Ausbruch eines Magnetars mit Energie versorgt, die in seinem superstarken Magnetfeld gespeichert ist. Wenn sich das Magnetfeld plötzlich in einen Zustand mit geringerer Energie rekonfiguriert, wird diese Energie schlagartig in Form eines Ausbruchs von Röntgen- und Gammastrahlung freigesetzt. Obwohl Magnetare nicht den stetigen Strom eines typischen Pulsarwindes produzieren, sind sie während Ausbrüchen doch imstande, kurze Starkwinde aus beschleunigten Teilchen hervorzubringen.

Der Nebel um J1834.9 speichert die energiereichen Partikelströme des Magnetars während seiner gesamten aktiven Vergangenheit, die vor vielen tausend Jahren begann“, sagte das Teammitglied Jonathan Granot, ein außerordentlicher Professor am Department of Natural Sciences an der Open University in Ra’anana (Israel). „Er repräsentiert eine einzigartige Möglichkeit, die historische Aktivität des Magnetars zu untersuchen, und stellt für Theoretiker wie mich eine ganz neue Spielwiese dar.“

Der Satellit XMM-Newton der European Space Agency (ESA) wurde am 10. Dezember 1999 von Kourou (Französisch-Guayana) aus gestartet und führt weiterhin Beobachtungen durch. Die NASA finanzierte Teile der Instrumente an Bord von XMM-Newton und stellt die NASA Guest Observer Facility am Goddard Space Flight Center zur Verfügung, die die Verwendung des Observatoriums für US-Astronomen unterstützt.

Quelle: https://www.nasa.gov/feature/goddard/2016/astronomers-find-the-first-wind-nebula-around-a-magnetar

(THK)

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