Das Rätsel der fehlenden großen Krater auf Ceres

Farbcodiertes Bild des Zwergplaneten Ceres, basierend auf Daten der NASA- Raumsonde Dawn. (NASA / JPL-Caltech)
Farbcodiertes Bild des Zwergplaneten Ceres, basierend auf Daten der NASA- Raumsonde Dawn. (NASA / JPL-Caltech)

Ceres ist von zahllosen kleinen, jungen Kratern übersät, aber keiner ist größer als 280 Kilometer. Für Wissenschaftler ist das ein großes Rätsel, wenn man bedenkt, dass der Zwergplanet während seiner 4,5 Milliarden Jahren langen Lebenszeit von vielen großen Asteroiden getroffen worden sein muss. Warum sind all die großen Krater verschwunden?

Eine neue Studie im Journal Nature Communications geht dem Rätsel der fehlenden großen Krater auf Ceres auf den Grund. Dabei werden Daten der NASA-Raumsonde Dawn verwendet, die den Zwergplaneten Ceres seit März 2015 umkreist.

„Wir schlussfolgerten, dass eine erhebliche Population großer Krater auf Ceres über geologische Zeiträume hinweg unkenntlich gemacht wurde, was wahrscheinlich die Folge von Ceres besonderer Zusammensetzung und innerer Entwicklung ist“, sagte der leitende Forscher Simone Marchi, ein Seniorwissenschaftler am Southwest Research Institute in Boulder (Colorado).

Marchi und seine Kollegen modellierten Kollisionen anderer Himmelskörper mit Ceres seit dessen Entstehung und sagten die Anzahl großer Krater voraus, die auf seiner Oberfläche vorhanden sein sollten. Diese Modelle ergaben, dass Ceres 10-15 Krater mit über 400 Kilometern Durchmesser und mindestens 40 Krater mit über 100 Kilometern Durchmesser besitzen sollte. Allerdings hat Dawn gezeigt, dass Ceres nur 16 Krater mit mehr als 100 Kilometern Durchmesser und keinen mit mehr als 280 Kilometern Durchmesser besitzt.

Eine Theorie über den Ursprung von Ceres besagt, dass sich der Zwergplanet weiter draußen im Sonnensystem bildete, möglicherweise in der Nähe Neptuns, aber dann an seine derzeitige Position migrierte. Wissenschaftler stellten jedoch fest, dass Ceres sogar dann eine beachtliche Anzahl großer Krater aufweisen müsste, wenn er relativ spät in der Geschichte des Sonnensystems in den Asteroidengürtel wanderte. „Was auch immer der oder die Prozesse waren, das Ausradieren der großen Krater muss im Verlauf von mehreren hundert Millionen Jahren stattgefunden haben“, sagte Marchi.

Dawns Bilder von Ceres offenbaren, dass der Zwergplanet mindestens drei großräumige Depressionen – sogenannte Planitiae – mit über 800 Kilometern Durchmesser besitzt. Diese Planitiae enthalten selbst Krater, die später entstanden, aber die größeren Depressionen könnten von größeren Einschlägen übrig geblieben sein. Einer von ihnen, Vendimia Planitia, ist ein ausgedehntes Gebiet direkt nördlich des Kraters Kerwan, dem größten gut definierten Einschlagbecken auf Ceres. Vendimia Planitia muss viel früher als Kerwan entstanden sein.

Ein Grund für das Fehlen großer Krater könnte mit der inneren Struktur von Ceres zusammenhängen. Es gibt Hinweise der Raumsonde Dawn, dass die oberen Schichten von Ceres Eis enthalten. Weil Eis weniger dicht als Gestein ist, könnte sich die Topografie schneller „entspannen“ oder glätten, wenn Eis oder anderes Material von geringer Dichte, beispielsweise Salz, die Zusammensetzung unter der Oberfläche dominiert. Kürzliche Analysen vom Zentrum des Kraters Occator auf Ceres sprechen dafür, dass die dort gefundenen Salze Überreste eines gefrorenen Ozeans unter der Oberfläche sein könnten und dass flüssiges Wasser im Inneren von Ceres präsent gewesen sein könnte.

Hydrothermale Aktivität in vergangenen Zeiten, welche die an die Oberfläche gestiegenen Salze möglicherweise beeinflusst hat, könnte ebenfalls etwas mit dem Ausradieren der Krater zu tun haben. Falls Ceres in der Vergangenheit weit verbreitete kryovulkanische Aktivitäten zeigte – also die Eruption von flüchtigen Substanzen wie Wasser -, dann könnten diese kryogenen Materialien über die Oberfläche geflossen sein und bereits existierende große Krater begraben haben. Kleinere Einschläge hätten dann neue Krater auf dem restrukturierten Oberflächengebiet erzeugt. „Irgendwie hat Ceres seine größten Einschlagnarben geheilt und alte, verkraterte Oberflächen erneuert“, sagte Marchi.

Ceres unterscheidet sich in Bezug auf die Kraterbildung von Dawns vorherigem Ziel, dem Riesenasteroiden Vesta. Obwohl Vesta nur halb so groß wie Ceres ist, besitzt der Asteroid einen gut erhaltenen Krater namens Rheasilvia. Der Krater hat 500 Kilometer Durchmesser und ist der Ort, an dem ein einschlagender Asteroid ein großes Stück aus Vesta herausgesprengt hat. Dieser und andere große Krater deuten darauf hin, dass auf Vesta keine Prozesse am Werk waren, die die Oberfläche erneuerten, möglicherweise weil dort viel weniger Eis vermutet wird. Dawn besuchte Vesta 14 Monate lang von 2011 bis 2012. Die Möglichkeit, diese beiden sehr unterschiedlichen Welten – Vesta und Ceres – im Asteroidengürtel zu vergleichen, ist eine der Stärken der Dawn-Mission“, sagte Marchi.

Die Dawn-Mission wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) für das Science Mission Directorate der NASA in Washington geleitet. Dawn ist ein Projekt des Discovery Program, das vom Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) geleitet wird. Die University of California in Los Angeles (UCLA) ist verantwortlich für die wissenschaftlichen Belange der Dawn-Mission. Orbital ATK, Inc. in Dulles (Virginia) entwickelte und konstruierte die Raumsonde. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, die Italian Space Agency und das Italian National Astrophysical Institute sind internationale Partner des Missionsteams.

Quelle: https://www.nasa.gov/feature/jpl/the-case-of-the-missing-ceres-craters

(THK)

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