Neue Daten der NASA-Mission Cassini, kombiniert mit Messungen der beiden Voyager-Raumsonden und dem Interstellar Boundary Explorer (IBEX), sprechen dafür, dass unsere Sonne und die Planeten von einem riesigen, runden solaren Magnetfeldsystem umgeben sind. Das stellt die alternative Gestalt der solaren Magnetfelder in Frage, die ihr in der Form eines langen, kometenähnlichen Schweifs folgen.
Die Sonne emittiert einen stetigen Strom aus magnetischer Materie – den Sonnenwind -, der das innere Sonnensystem füllt und weit über die Umlaufbahn Neptuns hinausreicht. Dieser Sonnenwind erzeugt eine Blase von circa 37 Milliarden Kilometern Durchmesser, die als Heliosphäre bezeichnet wird. Unser gesamtes Sonnensystem inklusive der Heliosphäre bewegt sich durch den interstellaren Weltraum. Das vorherrschende Bild der Heliosphäre war eine kometenförmige Struktur mit einem abgerundeten Kopf und einem ausgedehnten Schweif.
Aber neue Daten, die einen kompletten elfjährigen Sonnenaktivitätszyklus abdecken, zeigen, dass das möglicherweise nicht der Fall ist: Die Heliosphäre könnte an beiden Enden abgerundet sein, was ihre Gestalt fast kugelförmig macht. Eine Abhandlung über diese Ergebnisse wurde am 24. April 2017 im Journal Nature Astronomy veröffentlicht.
„Statt eines länglichen, kometenähnlichen Schweifs wird diese grobe Blasenform der Heliosphäre durch das starke interstellare Magnetfeld verursacht (viel stärker als bislang angenommen), zusammen mit der Tatsache, dass das Verhältnis zwischen Teilchendruck und magnetischem Druck innerhalb der Heliosheath hoch ist“, sagte Kostas Dialynas, ein Weltraumwissenschaftler an der Academy of Athens in Griechenland und Hauptautor der Studie. (Anm. d. Red.: Heliosheath bezeichnet die Region, wo sich die Teilchen des Sonnenwindes und die Teilchen des interstellaren Mediums vermischen.)
Ein Instrument an Bord von Cassini, welches das Saturnsystem über ein Jahrzehnt lang erforschte, hat Wissenschaftlern entscheidende neue Hinweise über die Form des nachlaufenden Endes der Heliosphäre geliefert, das oft auch Helioschweif genannt wird. Wenn geladene Teilchen aus dem inneren Sonnensystem die Grenze der Heliosphäre erreichen, erfahren sie manchmal eine Reihe von Ladungsaustauschprozessen mit neutralen Gasatomen aus dem interstellaren Medium, wobei sie Elektronen verlieren und zurückgewinnen, während sie diese ausgedehnte Grenzregion durchqueren. Einige dieser Teilchen werden als schnelle, neutrale Atome zurück in Richtung inneres Sonnensystem gelenkt, wo sie von Cassini gemessen werden können.
„Das Cassini-Instrument wurde entwickelt, um die Ionen abzubilden, die in der Magnetosphäre Saturns gefangen sind“, sagte Tom Krimigis vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University in Laurel (Maryland), einer der Autoren der Studie. Er war an den Voyager-Missionen beteiligt und wirkt an der Cassini-Mission mit. „Wir dachten nie, dass wir sehen würden, was wir sehen, und dass wir in der Lage sein würden, die Grenzen der Heliosphäre abzubilden.“
Weil diese Teilchen sich mit einem kleinen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit bewegen, dauern ihre Reisen von der Sonne zum Rand der Heliosphäre und zurück in Richtung inneres Sonnensystem mehrere Jahre. Wenn sich die Anzahl der von der Sonne emittierten Teilchen also ändert – normalerweise infolge ihres elfjährigen Aktivitätszyklus -, dann vergehen mehrere Jahre, bevor sich dies in der Anzahl der neutralen Atome niederschlägt, die zurück in das Sonnensystem gelangen.
Cassinis neue Messungen dieser neutralen Atome offenbarten etwas Unerwartetes: Die Teilchen aus dem Schweif der Heliosphäre spiegeln Veränderungen im Sonnenaktivitätszyklus fast genau so schnell wider wie jene aus dem Kopf der Heliosphäre. „Wenn der ‚Schweif‘ der Heliosphäre länglich wie der eines Kometen ist, würden wir erwarten, dass sich die Muster des Aktivitätszyklus in den gemessenen neutralen Atomen dort viel später zeigen“, sagte Krimigis.
Aber weil sich die Muster des Aktivitätszyklus in Teilchen aus dem Schweif genauso schnell zeigen wie in Teilchen aus dem Kopf, deutet das darauf hin, dass der Schweif ungefähr in der gleichen Distanz von uns liegt wie der Kopf. Das bedeutet, dass der lange, kometenähnliche Schweif, den sich die Wissenschaftler vorgestellt haben, vielleicht gar nicht existiert. Stattdessen könnte die Heliosphäre fast rund und symmetrisch sein.
Eine runde Heliosphäre könnte durch eine Kombination von mehreren Faktoren verursacht werden. Daten der Raumsonde Voyager 1 zeigen, dass das interstellare Magnetfeld jenseits der Heliosphäre stärker ist, als Wissenschaftler bislang angenommen hatten. Dadurch könnte es mit dem Sonnenwind an den Rändern der Heliosphäre interagieren und den Schweif der Heliosphäre komprimieren. Die Struktur der Heliosphäre spielt eine wichtige Rolle dabei, wie Teilchen aus dem interstellaren Weltraum – sogenannte kosmische Strahlen – das innere Sonnensystem erreichen, wo sich die Erde und die anderen Planeten befinden.
„Diese Daten von Voyager 1 und 2, Cassini und IBEX, die der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung stehen, sind ein Glücksfall für die Untersuchung der fernen Einflussbereiche des Sonnenwinds“, sagte Arik Posner, Wissenschaftler der Voyager- und IBEX-Missionen am NASA-Hauptquartier in Washington, D.C, der nicht an der Studie beteiligt war. „Wenn wir weiterhin Daten über die Ränder der Heliosphäre sammeln, werden diese Daten uns unterstützen, die interstellare Grenze besser zu verstehen, welche dabei hilft, die Umgebung der Erde vor schädlichen kosmischen Strahlen zu schützen.“
(THK)
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