Physiker des ATLAS-Experiments am CERN haben den ersten direkten Hinweis auf Licht-an-Licht-Streuung im Hochenergiebereich gefunden. Das ist ein sehr seltener Prozess, bei dem zwei Lichtteilchen – Photonen – miteinander interagieren und die Richtung verändern. Das Ergebnis wurde am 14. August 2017 im Journal Nature Physics veröffentlicht und bestätigt eine der ältesten Vorhersagen der Quantenelektrodynamik (QED).
„Das Ergebnis ist ein Meilenstein: Der erste direkte Hinweis auf Licht, das bei hohen Energien mit sich selbst interagiert“, sagte Dan Tovey von der University of Sheffield, der ATLAS Physics Coordinator. „Dieses Phänomen ist in klassischen Theorien des Elektromagnetismus unmöglich, daher bietet das Ergebnis einen empfindlichen Test für unser Verständnis der Quantenelektrodynamik, der Quantentheorie des Elektromagnetismus.“
Direkte Hinweise auf Licht-an-Licht-Streuung bei hohen Energien haben sich über Jahrzehnte hinweg als schwierig erwiesen – bis im Jahr 2015 der zweite Betriebslauf des Large Hadron Collider begann. Als der Beschleuniger Bleiionen mit vorher nie dagewesenen Kollisionsraten zur Kollision brachte, wurde die Beobachtung von Belegen für Licht-an-Licht-Streuung eine reelle Möglichkeit.
„Diese Messung war mehrere Jahre lang von großem Interesse für die Schwerionen- und Hochenergiephysik-Gemeinschaften, weil Berechnungen verschiedener Gruppen zeigten, dass wir möglicherweise ein signifikantes Signal anhand der Untersuchung von Bleiionen-Kollisionen während des zweiten Betriebslaufs erhalten könnten“, sagte Peter Steinberg vom Brookhaven National Laboratory, der Vorsitzende der ATLAS Heavy Ion Physics Group.
Schwerionen-Kollisionen bieten eine einzigartig saubere Umgebung, um die Licht-an-Licht-Streuung zu untersuchen. Wenn Strahlenbündel aus Bleiionen beschleunigt werden, wird ein enormer Strom aus umgebenden Photonen erzeugt. Wenn sich die Ionen im Zentrum des ATLAS-Detektors treffen, kollidieren sehr wenige, aber trotzdem können ihre umgebenden Photonen interagieren und aneinander gestreut werden. Diese Wechselwirkungen werden als ultraperiphere Kollisionen bezeichnet.
Die ATLAS Collaboration analysierte mehr als vier Milliarden Ereignisse, die im Jahr 2015 registriert wurden, und fand 13 Kandidaten für Licht-an-Licht-Streuung. Dieses Ergebnis hat eine Signifikanz von 4,4 Standardabweichungen, was der ATLAS Collaboration erlaubte, den ersten direkten Hinweis auf dieses Phänomen bei hohen Energien zu vermelden.
„Anhaltspunkte für diese seltene Signatur zu finden, erforderte die Entwicklung eines empfindlichen neuen ‚Triggers‘ für den ATLAS-Detektor“, sagte Steinberg. „Die resultierende Signatur – zwei Photonen in einem ansonsten leeren Detektor – ist fast das genaue Gegenteil der immens komplizierten Ereignisse, die normalerweise von Bleikern-Kollisionen erwartet werden. Der Erfolg des neuen Triggers bei der Auswahl dieser Ereignisse demonstriert die Leistungsfähigkeit und Flexibilität des Systems, sowie die Fähigkeiten und das Expertenwissen der Analyse- und Trigger-Gruppen, die ihn entwarfen und entwickelten.“
Die Physiker des ATLAS-Experiments werden die Untersuchung der Licht-an-Licht-Streuung während des für 2018 geplanten LHC-Schwerionen-Betriebslaufs fortsetzen. Mehr Daten werden die Genauigkeit der Ergebnisse verbessern und könnten ein neues Fenster zur Untersuchung neuer Physik öffnen. Außerdem sollte die Untersuchung ultraperipherer Kollisionen eine größere Rolle im LHC-Schwerionenprogramm spielen, weil die Kollisionsraten in den Betriebsläufen Drei und darüber hinaus weiter ansteigen werden.
Abhandlung: „Evidence for light-by-light scattering in heavy-ion collisions with the ATLAS detector at the LHC“ von der ATLAS Collaboration
(THK)
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