Hubble beobachtet den bislang fernsten Einzelstern

Hubble-Aufnahme des Galaxienhaufens MACS J1149-2223. (Credits: NASA, ESA, S. Rodney (John Hopkins University, USA) and the FrontierSN team; T. Treu (University of California Los Angeles, USA), P. Kelly (University of California Berkeley, USA) and the GLASS team; J. Lotz (STScI) and the Frontier Fields team; M. Postman (STScI) and the CLASH team; and Z. Levay (STScI))
Hubble-Aufnahme des Galaxienhaufens MACS J1149-2223. (Credits: NASA, ESA, S. Rodney (John Hopkins University, USA) and the FrontierSN team; T. Treu (University of California Los Angeles, USA), P. Kelly (University of California Berkeley, USA) and the GLASS team; J. Lotz (STScI) and the Frontier Fields team; M. Postman (STScI) and the CLASH team; and Z. Levay (STScI))

Astronomen haben mit dem NASA/ESA-Weltraumteleskop Hubble den bislang fernsten Stern entdeckt. Der heiße, blaue Stern existierte schon 4,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Diese Entdeckung gibt neue Einblicke in die Entstehung und Entwicklung von Sternen im frühen Universum, in die Bestandteile von Galaxienhaufen und auch in die Natur der Dunklen Materie.

Das internationale Team unter Leitung von Patrick Kelly (University of Minnesota, USA), Jose Diego (Instituto de Física de Cantabria, Spanien) und Steven Rodney (University of South Carolina, USA) entdeckte den fernen Stern in dem Galaxienhaufen MACS J1149-2223 im April 2016. Die Hubble-Beobachtungen wurden eigentlich durchgeführt, um das neueste Erscheinungsbild der durch den Gravitationslinseneffekt verstärkten Supernova-Explosion „Refsdal“ zu erhalten, als in der gleichen Galaxie eine unerwartete Punktquelle erschien. Die Beobachtungen dieser Supernova, zu Ehren des norwegischen Astronomen Sjur Refsdal so genannt, wurden im Rahmen des Hubble Frontier Fields Projekts gemacht.

„Wie bei der Explosion der Refsdal-Supernova wurde das Licht dieses fernen Sterns gebündelt, wodurch er für Hubble sichtbar wurde“, sagte Patrick Kelly. „Dieser Stern ist mindestens 100 Mal weiter entfernt als der zweitfernste Einzelstern, die wir untersuchen können, ausgenommen Supernova-Explosionen.“

Das beobachtete Licht des neu entdeckten Sterns namens Lensed Star 1 (LS1) wurde emittiert, als das Universum etwa 30 Prozent seines heutigen Alters hatte – rund 4,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Die Beobachtung des Sterns mit Hubble war nur möglich, weil das Licht des Sterns um das 2.000-fache verstärkt wurde.

Dieses Bild zeigt die Entdeckung des Einzelsterns LS1 im Galaxienhaufen MACS J1149-2223. Das Kästchen markiert die Region, in der der Stern im Mai 2016 erschien. (Credits: NASA & ESA and P. Kelly (University of California, Berkeley))
Dieses Bild zeigt die Entdeckung des Einzelsterns LS1 im Galaxienhaufen MACS J1149-2223. Das Kästchen markiert die Region, in der der Stern im Mai 2016 erschien. (Credits: NASA & ESA and P. Kelly (University of California, Berkeley))

„Der Stern wurde dank eines als Gravitationslinseneffekt bekannten Prozesses hell genug, um von Hubble wahrgenommen zu werden“, erklärte Jose Diego. Das Licht von LS1 wurde nicht nur durch die gewaltige Gesamtmasse des Galaxienhaufens verstärkt, sondern auch durch ein anderes kompaktes Objekt von etwa drei Sonnenmassen innerhalb des Galaxienhaufens selbst. Dies wird als Mikrogravitationslinseneffekt bezeichnet.

Gravitationslinseneffekte bündeln das Licht von schwächeren Hintergrundobjekten und erlauben Hubble Objekte zu sehen, die es sonst nicht registrieren könnte. Der Prozess wurde erstmals von Albert Einstein vorhergesagt und wird jetzt verwendet, um einige der fernsten Objekte im Universum zu finden. Normalerweise ist das bündelnde Objekt eine Galaxie oder ein Galaxienhaufen, aber in manchen Fällen kann es auch ein Stern oder sogar ein Planet sein. Wenn diese kleineren Objekte daran beteiligt sind, nennt man es Mikrogravitationslinseneffekt.

„Die Entdeckung von LS1 erlaubt uns, neue Einblicke in die Bestandteile des Galaxienhaufens zu gewinnen. Wir wissen, dass der Mikrogravitationslinseneffekt entweder durch einen Stern, einen Neutronenstern oder ein stellares Schwarzes Loch verursacht wurde“, erklärte Steven Rodney. Deshalb ermöglicht LS1 Astronomen die Untersuchung von Neutronensternen und Schwarzen Löchern, die sonst unsichtbar wären. Sie können schätzen, wie viele dieser dunklen Objekte innerhalb dieses Galaxienhaufens existieren.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/7Vdh6-6C_vs

Funktionsweise des Gravitationslinseneffekts. (Credits: ESA / Hubble, L. Calçada)

Weil Galaxienhaufen zu den größten und massereichsten Strukturen im Universum gehören, erweitern die Informationen über ihre Bestandteile auch unser Wissen über die Zusammensetzung des Universums an sich. Das umfasst auch zusätzliche Informationen über die rätselhafte Dunkle Materie.

„Wenn die Dunkle Materie zumindest teilweise aus relativ massearmen Schwarzen Löchern besteht, wie kürzlich vorgeschlagen wurde, dann sollten wir in der Lage sein, dies in der Lichtkurve von LS1 zu erkennen. Unsere Beobachtungen sprechen jedoch nicht für die Möglichkeit, dass ein großer Anteil der Dunklen Materie aus diesen primordialen Schwarzen Löchern mit etwa 30 Sonnenmassen besteht“, betonte Kelly.

Nach der Entdeckung verwendeten die Forscher Hubble erneut, um ein Spektrum von LS1 zu messen. Basierend auf ihrer Analyse denken die Astronomen, dass LS1 ein Überriese des B-Typs ist. Diese Sterne sind extrem leuchtkräftig und haben eine blaue Farbe. Ihre Oberflächentemperatur liegt zwischen 11.000 und 14.000 Grad Celsius, was sie mehr als doppelt so heiß wie die Sonnenoberfläche macht.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/xl5g7EkkHcE

Künstlerische Darstellung des blauen Überriesen LS1. (Credits: ESA / Hubble, M. Kornmesser)

Aber das war nicht das Ende der Geschichte. Beobachtungen vom Oktober 2016 zeigten plötzlich ein zweites Abbild des Sterns. „Wir waren wirklich überrascht, dass wir dieses zweite Bild bei früheren Beobachtungen nicht gesehen haben, weil auch die Galaxie, in der sich der Stern befindet, doppelt vorhanden ist“, kommentierte Diego. „Wir vermuten, dass das Licht des zweiten Abbildes für eine lange Zeit von einem anderen bewegten, massereichen Objekt abgelenkt wurde und so das Abbild vor unserem Blick verborgen blieb. Und erst als sich das massereiche Objekt aus der Sichtlinie bewegte, wurde das zweite Abbild des Sterns sichtbar.“ Dieses zweite Abbild und das blockierende Objekt stellen ein weiteres Teil des Puzzles dar, um den Aufbau von Galaxienhaufen zu entschlüsseln.

Mit weiterer Forschungsarbeit und der Inbetriebnahme neuer, leistungsfähigerer Teleskope wie dem James Webb Space Telescope der NASA/ESA/CSA vermuten die Astronomen, dass es dank dem Mikrogravitationslinseneffekt möglich sein wird, die Entwicklung der ersten Sterne im Universum detaillierter zu untersuchen als sie zuvor erwartet hatten.

Quelle

(THK)

Werbung

1 Kommentar

  1. Hallo,

    bin durch Zufall heute auf eure Seite gestoßen und muss großes Lob aussprechen. Auch hier wieder toller und informativer Beitrag.
    Macht weiter so und liebe Grüße aus Ulm

    Marko

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*