Ein neues Modell bringt Wissenschaftler einen Schritt näher daran, die Arten von Lichtsignalen zu verstehen, die von zwei supermassiven Schwarzen Löchern mit Millionen bis Milliarden Sonnenmassen produziert werden, wenn sie aufeinanderzuspiralen. Erstmals zeigt eine neue Computersimulation, welche die physikalischen Effekte von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vollständig einbezieht, dass das Gas in solchen Systemen hauptsächlich im Ultraviolettbereich und im Röntgenbereich leuchten wird.
Fast jede Galaxie von der Größe unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie oder größer besitzt ein supermassives Schwarzes Loch in ihrem Zentrum. Beobachtungen zeigen, dass im Universum häufig Verschmelzungen zwischen Galaxien stattfinden, aber bis jetzt hat noch niemand eine Verschmelzung solcher riesigen Schwarzen Löcher verfolgt.
„Wir wissen, dass Galaxien mit zentralen supermassiven Schwarzen Löchern ständig im Universum verschmelzen, aber trotzdem sehen wir nur einen kleinen Bruchteil an Galaxien mit zwei supermassiven Schwarzen Löchern in der Nähe ihrer Zentren“, sagte der Astrophysiker Scott Noble vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). „Die Paare, die wir sehen, emittieren keine starken Gravitationswellensignale, weil sie zu weit voneinander entfernt sind. Unser Ziel ist es, alleine durch das Licht sogar noch engere Paare zu identifizieren, von denen zukünftig Gravitationswellensignale registriert werden könnten.“
Eine Abhandlung, die die Analyse der neuen Simulation beschreibt, wurde am 2. Oktober 2018 im Astrophysical Journal veröffentlicht und ist frei verfügbar.
Mit dem Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) der National Science Foundation haben Wissenschaftler verschmelzende stellare Schwarze Löcher nachgewiesen. Gravitationswellen sind Störungen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie entstehen, wenn massereiche Objekte wie Schwarze Löcher und Neutronensterne aufeinanderzuspiralen und miteinander verschmelzen.
Video-Link: https://youtu.be/i2u-7LMhwvE
Verschmelzungen von supermassiven Schwarzen Löchern werden viel schwieriger zu finden sein als die ihrer stellaren Cousins. Ein Grund dafür, dass bodenbasierte Beobachtungen keine Gravitationswellen von diesen Ereignissen registrieren können, liegt darin, dass die Erde selbst zu viele Störsignale (Rauschen) aufweist – etwa seismische Erschütterungen und gravitative Veränderungen aufgrund atmosphärischer Störungen. Die Detektoren müssen sich im Weltraum befinden, wie die Laser Interferometer Space Antenna (LISA), welche von der ESA betrieben wird und in den 2030er Jahren starten soll.
Observatorien, die eine Reihe schnell rotierender, superdichter Sterne – sogenannte Pulsare – überwachen, könnten Gravitationswellen ihrer Verschmelzungen registrieren. Wie Leuchttürme emittieren Pulsare Lichtstrahlen, die regelmäßig aufblitzen, während sie rotieren. Gravitationswellen können geringe Veränderungen beim Timing dieser Blitze hervorrufen, doch bislang haben Studien keinerlei Nachweise darüber erbracht.
Aber supermassive Doppelsysteme vor einer Kollision könnten eine Eigenschaft haben, die stellaren Doppelsystemen fehlt: eine gasreiche Umgebung. Wissenschaftler vermuten, dass die Supernova-Explosion, die ein stellares Schwarzes Loch erschafft, ebenfalls den Großteil des umgebenden Gases wegbläst. Das Schwarze Loch verschlingt die wenigen Überreste so schnell, dass nicht viel übrig bleibt, was bei der Verschmelzung leuchten kann.
Supermassive Doppelsysteme resultieren dagegen aus galaktischen Verschmelzungen. Jedes supermassive Schwarze Loch bringt Gas- und Staubwolken, Sterne und Planeten mit. Wissenschaftler denken, dass eine galaktische Kollision einen Großteil dieser Materie in Richtung der zentralen Schwarzen Löcher befördert, die sie in einer Zeitspanne verschlingen, welche mit der Dauer der Verschmelzung vergleichbar ist. Wenn sich die Schwarzen Löcher einander nähern, heizen magnetische und gravitative Kräfte das verbleibende Gas auf und erzeugen Licht, das Astronomen sehen können sollten.
„Es ist ist wichtig, auf beiden Gebieten weiterzumachen“, sagte die Co-Autorin Manuela Campanelli, Direktorin des Center for Computational Relativity and Gravitation am Rochester Institute of Technology in New York, die dieses Projekt vor neun Jahren begann. „Die Simulation dieser Ereignisse erfordert moderne Berechnungsmethoden, die all die physikalischen Effekte einbeziehen, welche von zwei einander mit einem Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit umkreisenden supermassiven Schwarzen Löchern erzeugt werden. Zu wissen, was für Lichtsignale von diesen Ereignissen zu erwarten sind, wird modernen Beobachtungen helfen, sie zu identifizieren. Die Simulation und Beobachtungen werden dann einander ergänzen und uns helfen besser zu verstehen, was in den Zentren der meisten Galaxien geschieht.“
Die neue Simulation zeigt drei Umkreisungen eines Paares aus zwei supermassiven Schwarzen Löchern nur 40 Umkreisungen vor der Verschmelzung. Die Modelle offenbaren, dass das in dieser Phase emittierte Licht von UV-Licht und einigen hochenergetischen Röntgenstrahlen dominiert wird. Das ist vergleichbar mit den Beobachtungen von Galaxien mit einem aktiven supermassiven Schwarzen Loch.
Wenn die Schwarzen Löcher verschmelzen, leuchten drei lichtemittierende Regionen auf, die alle durch Ströme aus heißem Gas verbunden sind: ein großer Ring umgibt das gesamte System und wird als circumbinäre Scheibe bezeichnet, und zwei kleinere „Minischeiben“ umgeben jedes Schwarze Loch. All diese Objekte emittieren hauptsächlich ultraviolettes Licht. Wenn Gas mit einer hohen Rate in eine Minischeibe strömt, interagiert das UV-Licht der Scheibe mit den Koronen der beiden Schwarzen Löcher, einer Region aus hochenergetischen, subatomaren Teilchen oberhalb und unterhalb der Scheibe. Diese Wechselwirkung produziert Röntgenstrahlung. Wenn die Akkretionsrate geringer ist, schwächt sich das UV-Licht relativ zu den Röntgenstrahlen ab.
Basierend auf der Simulation gehen die Forscher davon aus, dass die von einem kurz vor der Verschmelzung stehenden System emittierten Röntgenstrahlen heller und veränderlicher sein werden als die Röntgenstrahlen, die von einzelnen supermassiven Schwarzen Löchern beobachtet werden. Die Veränderungsrate steht sowohl mit der Orbitalgeschwindigkeit des Gases am inneren Rand der circumbinären Scheibe in Zusammenhang als auch mit den Orbitalgeschwindigkeiten der verschmelzenden Schwarzen Löcher.
Video-Link: https://youtu.be/Em4OFLjMux0
„Die Art und Weise, wie die beiden Schwarzen Löcher das Licht ablenken, ruft komplexe Linseneffekte hervor, wie in dem Video zu sehen ist, wenn ein Schwarzes Loch vor dem anderen vorbeizieht“, sagte Stéphane D’Ascoli, ein Doktorand an der École normale supérieure in Paris und Hauptautor der Studie. „Einige exotische Merkmale waren eine Überraschung, beispielsweise der augenbrauenförmige Schatten, den das eine Schwarze Loch gelegentlich nahe des Horizonts des anderen erzeugt.“
Die Simulation lief auf dem Blue Waters Supercomputer des National Center for Supercomputing Applications an der University of Illinois in Urbana-Champaign. Die Simulation der drei Umkreisungen des Systems benötigte 46 Tage auf 9.600 Computerkernen. Campanelli sagte, das Projekt habe kürzlich weitere Berechnungszeit mit Blue Waters erhalten, um die Entwicklung der Modelle fortzusetzen.
Die ursprüngliche Simulation schätzte die Gastemperaturen. Das Team plant, den Code zu verfeinern, um zu simulieren, wie variable Parameter des Systems – etwa die Temperatur, Distanz, Gesamtmasse und Akkretionsrate – das emittierte Licht beeinflussen werden. Sie sind daran interessiert zu sehen, was mit dem Gas zwischen den beiden Schwarzen Löchern geschieht, und möchten auch längere Zeitspannen simulieren.
„Wir müssen Signale im Licht von Doppelsystemen aus zwei supermassiven Schwarzen Löchern finden, die einzigartig genug sind, dass Astronomen diese seltenen Systeme von der Menge an einzelnen, hellen supermassiven Schwarzen Löchern unterscheiden können“, sagte der Co-Autor Julian Krolik, ein Astrophysiker von der Johns Hopkins University in Baltimore. „Wenn wir das tun können, könnten wir imstande sein, verschmelzende supermassive Schwarze Löcher zu entdecken, bevor sie von einem weltraumbasierten Gravitationswellen-Observatorium registriert werden.“
(THK)
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