Zwischen 1979 und 2017 erfuhr Antarktika einen sechsfachen Anstieg des jährlichen Verlusts an Eismasse. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am 14. Januar 2019 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde. Glaziologen der University of California in Irvine, des Jet Propulsion Laboratory der NASA und der Utrecht University in den Niederlanden stellten außerdem fest, dass das beschleunigte Abschmelzen während dieser Zeitspanne einen Anstieg des globalen Meeresspiegels um mehr als 1,25 Zentimeter verursachte.
„Das ist sozusagen nur die Spitze des Eisbergs“, sagte der Hauptautor Eric Rignot, Donald Bren Professor und Vorsitzender für Geowissenschaften an der UCI. „Wenn der antarktische Eisschild weiterhin wegschmilzt, erwarten wir von Antarktika in den kommenden Jahrhunderten einen Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter.“
Für diese Studie führten Rignot und seine Mitarbeiter die, wie er es nennt, bislang langfristigste Untersuchung der restlichen Eismasse Antarktikas durch. Das Projekt deckt vier Jahrzehnte ab und war auch geografisch umfassend: Das Forschungsteam untersuchte 18 Regionen mit 176 Becken sowie die umgebenden Inseln.
Zu den Techniken, die für die Schätzung der Eisschild-Balance verwendet wurden, gehörte ein Vergleich der Schneefall-Anhäufung im Landesinneren mit der Eisabführung durch Gletscher an ihren Verlaufsbahnen, wo das Eis in den Ozean zu treiben beginnt und sich vom Bett löst. Die Daten wurden aus recht hochaufgelösten Luftbildern abgeleitet, die im Rahmen der NASA-Operation IceBridge aus einer Höhe von etwa 350 Metern aufgenommen wurden. Außerdem wurden Satellitenradarinterferometriedaten von mehreren Weltraumagenturen genutzt, sowie die anhaltende Landsat-Satellitenbeobachtungskampagne, die Anfang der 1970er Jahre begann.
Das Team konnte feststellen, dass Antarktika zwischen 1979 und 1990 durchschnittlich 40 Gigatonnen Eismasse pro Jahr verlor (eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen). Zwischen 2009 und 2017 gingen pro Jahr rund 252 Gigatonnen Eis verloren.
Die Abschmelzungsrate stieg während der vier Jahrzehnte dramatisch an. Von 1979 bis 2001 lag der Durchschnitt bei etwa 48 Gigatonnen jährlich pro Jahrzehnt. Die Rate sprang von 2001 bis 2017 um 280 Prozent auf 134 Gigatonnen.
Eines der Schlüsselergebnisse des Projekts sei der Beitrag Ostantarktikas zum gesamten Verlust an Eismasse in den letzten Jahrzehnten gewesen, sagte Rignot.
„Die Region Wilkes Land in Ostantarktika spielte immer eine wichtige Rolle beim Eismassenverlust, sogar bis weit in die 1980er Jahre, wie unsere Arbeit gezeigt hat“, sagte er. „Diese Region ist wahrscheinlich anfälliger für das Klima [den Klimawandel], als ursprünglich vermutet wurde. Das ist wichtig zu wissen, weil sie sogar noch mehr Eis enthält als Westantarktika und die Antarktische Halbinsel zusammen.“
Er ergänzte, dass die Regionen, die das meiste Eis verlieren, neben Gebieten mit warmem Meerwasser liegen. „Weil die Klimaerwärmung und der Ozonrückgang mehr Wärme in Richtung dieser Regionen schicken, werden sie in den kommenden Jahrzehnten weiterhin zum Anstieg des Meeresspiegels von Antarktika beitragen“, sagte Rignot, der auch als Seniorprojektwissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory tätig ist.
Die Co-Autoren dieser Studie sind Jeremie Mouginot (Geowissenschaftler an der UCI), Bernd Scheuchl (Projektwissenschaftler an der UCI), Mathieu Morlighem (außerordentlicher Professor für Geowissenschaften an der UCI) sowie Michiel van den Broeke und Jan M. „Melchior“ van Wessem von der Utrecht University in den Niederlanden. Die Finanzierung und Unterstützung kamen von den Kryosphären- und Messprogrammen der NASA, vom Polarprogramm der Organization for Scientific Research (Niederlande) und dem Earth System Science Centre (Niederlande).
(THK)
Antworten