Wissenschaftler haben Hinweise darauf gefunden, dass Sternpaare aus ihren Heimatgalaxien herauskatapultiert wurden. Diese Entdeckung wurde mit Daten des NASA-Weltraumteleskops Chandra gemacht und ist eines der deutlichsten Beispiele für Sternpaare, die aus ihren Galaxien herausgeschleudert wurden.
Astronomen verwenden den Begriff „Doppelsternsystem“, um ein System aus zwei einander umkreisenden Sternen zu beschreiben. Diese Sternpaare können aus Kombinationen mit Sternen wie unserer Sonne bestehen oder aus exotischeren und dichteren Sternen wie Neutronensternen oder sogar stellaren Schwarzen Löchern.
Neutronensterne entstehen, wenn ein massereicher Stern als Supernova explodiert und der Kern des Sterns in sich selbst kollabiert. Unter bestimmten Bedingungen verlaufen die gigantischen Explosionen, die den Neutronenstern bilden, nicht symmetrisch. Der Beschleunigungsmechanismus kann eine solche Kraft auf den Stern ausüben, dass er aus seiner Galaxie herauskatapultiert wird. Diese neuen Chandra-Ergebnisse zeigen, dass manchmal auch ein Begleitstern dazu gezwungen wird, seine Galaxie zu verlassen.
„Es ist wie ein Gast, der gebeten wird, zusammen mit einem ungehobelten Freund eine Party zu verlassen“, sagte Xiangyu Jin von der McGill University in Montreal (Kanada), die Leiterin der Studie. „Der Begleitstern wird in dieser Situation aus der Galaxie herausgezogen, nur weil er den Stern umkreiste, der zur Supernova wurde.“
Wie suchen Astronomen nach diesen verbannten Sternpaaren? Wenn der Begleitstern nah genug ist, dann wird Materie von ihm in Richtung des dichteren Neutronensterns strömen und eine Scheibe um ihn bilden. Die starken Gravitationskräfte des Neutronensterns lassen die Materie in der Scheibe schneller rotieren, während sie sich dem Neutronenstern nähert. Reibungskräfte in der Scheibe heizen das Gas in ihr auf zig Millionen Grad auf. Bei diesen Temperaturen leuchtet die Scheibe im Röntgenbereich.
Jin und ihre Mitarbeiter fanden bei einer umfangreichen Studie des Fornax-Galaxienhaufens mit Chandra-Daten zwischen 1999 und 2015 Signaturen von sogenannten Röntgendoppelsternen außerhalb Galaxien. Dieser Galaxienhaufen liegt mit einer Distanz von etwa 60 Millionen Lichtjahren relativ nahe im gleichnamigen Sternbild.
Durch die Kombination des großen Chandra-Datensatzes mit optischen Beobachtungen erstellten die Forscher einen Zensus der Röntgenquellen innerhalb eines Radius von 600.000 Lichtjahren um die zentrale Galaxie des Fornax-Galaxienhaufens. Die Astronomen schlussfolgerten, dass rund 30 Quellen im Fornax-Galaxienhaufen wahrscheinlich Sternpaare sind, die aus den Zentren ihrer Heimatgalaxien herauskatapultiert wurden.
„Diese Sternpaare gehören zu keiner bestimmten Galaxie, sondern existieren im Weltraum zwischen den Galaxien oder sind dabei, ihre eigene Heimatgalaxie zu verlassen“, sagte der Co-Autor Meicun Hou von der Nanjing University in China.
Das Team fand außerdem weitere 150 Quellen, die außerhalb der stellaren Grenzen der Galaxien innerhalb des Galaxienhaufens zu liegen scheinen. Allerdings ist ihr Ursprung ein anderer als das Herauskatapultieren. Eine Möglichkeit besagt, dass sie in den Halos oder den äußeren Bereichen der zentralen Galaxie im Fornax-Galaxienhaufen liegen, wo sie entstanden. Eine andere Möglichkeit ist, dass es sich um Röntgendoppelsterne handelt, die durch Gravitationskräfte einer nahen Galaxie bei einer engen Begegnung weggezogen wurden. Oder es sind Röntgendoppelsterne, die zurückblieben, als eine Galaxie durch eine galaktische Kollision einen Großteil ihrer Sterne verlor. Solche Interaktionen kommen in einer dichten Region wie innerhalb des Fornax-Galaxienhaufens relativ häufig vor.
„Das ist wie das Ende einer Party, wenn die anwesenden Leute in verschiedene Richtungen laufen und nur der Gastgeber zurückbleibt“, sagte der Co-Autor Zhenlin Zhu von der Nanjing University. „Beim Fornax-Galaxienhaufens ist es der Extremfall, dass die ursprünglichen Galaxien gar nicht mehr existieren.“
Die Chandra-Beobachtungen umfassten eine Gesamtbelichtungszeit von 15 Tagen und erlaubten dem Team, 1.177 Röntgenquellen innerhalb der Suchregion zu entdecken, zu der 29 Galaxien im Fornax-Galaxienhaufen gehörten. Das Team schätzte, wie viele dieser Quellen wahrscheinlich zu den Galaxien des Galaxienhaufens gehören, und wie viele deutlich fernere Quellen darstellen, die nicht Teil des Galaxienhaufens sind. Davon blieben 180 Quellen übrig, die deutlich außerhalb der Hauptsternregionen der Galaxien in dem Galaxienhaufen liegen.
„Obwohl wir sehr aufgeregt über unsere Entdeckung sind, sprechen unsere Daten dafür, dass es viel mehr dieser verbannten Doppelsternsysteme gibt, die zu schwach sind, um in den Chandra-Daten gesehen zu werden“ sagte der Co-Autor Zhiyuan Li von der Nanjing University. „Wir werden längere Chandra-Beobachtungen brauchen, um diese Population schwächerer Quellen zu registrieren.“
Eine Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, erschien am 1. Mai 2019 im Astrophysical Journal.
Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate der Agentur in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusett) steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen.
(THK)
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