Erdnahe Objekte (Near Earth Objects, NEOs) sind kleine Körper im Sonnensystem, deren Umlaufbahnen sie manchmal nahe an die Erde bringen. Daher sind NEOs eine potenzielle Bedrohung, aber Forscher sind auch an ihnen interessiert, weil sie Informationen über die Zusammensetzung, Dynamiken und Umgebungsbedingungen des Sonnensystems und seiner Entwicklung bieten. Beispielsweise stammen die meisten Meteoriten – eine der wichtigsten Informationsquellen über das frühe Sonnensystem – von NEOs. Der Großteil der NEOs wurde im Rahmen von optischen Suchprogrammen entdeckt, und heute sind mehr als 20.000 NEOs bekannt.
Der entscheidende NEO-Parameter, der für die meisten Probleme von Interesse ist (darunter mögliche Folgen eines Einschlags), ist die Größe. Aber unglücklicherweise können optische Beobachtungen die Größe im Normalfall nicht bestimmen. Das liegt daran, dass das optische Licht von NEOs reflektiertes Sonnenlicht ist und das Objekt hell sein könnte, weil es entweder groß ist, oder weil es eine hohe Reflektivität (Albedo) aufweist.
Die Astronomen Joe Hora, Howard Smith und Giovanni Fazio vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) halfen bei der Leitung des Teams, das erstmals systematische Messungen der Größen von NEOs anhand ihrer Helligkeiten im Infrarotbereich vornahm. Das Infrarotsignal eines NEOs ist das Ergebnis seiner thermalen Emission und liefert eine unabhängige Messung seiner Größe. Das Team nutzte NEO-Infrarotbeobachtungen des IRAC-Instruments an Bord des Weltraumteleskops Spitzer zusammen mit optischen Daten und ihrem fortschrittlichen Thermalmodell, um die Größe/Albedo-Entartung aufzubrechen und die Größen der NEOs zu bestimmen. (Die WISE-Mission der NASA und das NEOWISE-Team führten anschließend ebenfalls Größenmessungen anhand der Infrarotemissionen durch.)
Bislang wurden an mehr als 3.000 NEOs Infrarotmessungen vorgenommen, der Großteil davon mit IRAC. Das kleinste bisher auf diese Weise eingeordnete erdnahe Objekt hat nur etwa zwölf Meter Durchmesser (bei einer Unsicherheit von 20 Prozent). Aber seltsamerweise sprechen die Ergebnisse auch für eine Häufigkeit von Objekten mit hoher Reflektivität. Die Anzahl ist fast achtmal größer als basierend auf den aktuellen Erkenntnissen über die Populationsverteilung erwartet wurde.
Die Wissenschaftler hatten früher bereits die Veränderungen der Helligkeit (Lichtkurven) von NEOs analysiert und veröffentlicht, die auf die Rotation der nicht-kugelförmigen Körper im Weltraum zurückzuführen waren. Sie fragten sich, ob das scheinbare Übermaß an Objekten mit hoher Reflektivität die Folge einer ungenauen Korrektur der Lichtkurvenveränderungen war. Sie führten eine statistische Analyse mit Hilfe von Monte-Carlo-Simulationen durch, um zu sehen, was von einer Population von rotierenden, nicht-kugelförmigen NEOs erwartet werden könnte.
Sie schlussfolgern, dass das Übermaß mit einer realen (und noch unerklärten) Häufigkeit von hellen Objekten übereinstimmt, auch wenn die Lichtkurvenveränderungen tatsächlich die Ursache des Übermaßes an Objekten mit hoher Reflektivität sein könnten. Sie kamen auch zu dem Schluss, dass es unwahrscheinlich sei, dass NEOs Reflexionsgrade von über 50 Prozent aufweisen, egal was nun die Erklärung für das Übermaß sein mag. Weitere Beobachtungen von vollständigen NEO-Lichtkurven werden benötigt, um die Unsicherheiten zu reduzieren.
Abhandlung: „Spitzer Albedos of Near-Earth Objects“ von Annika Gustafsson, David E. Trilling, Michael Mommert, Andrew McNeill, Joseph L. Hora, Howard A. Smith, Stephan Hellmich, Stefano Mottola und Alan W. Harris, AA 2019 (in press).
(THK)
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