Grönlands Fläche von mehr als 2,2 Millionen Quadratkilometern ist größtenteils mit Eis und Gletschern bedeckt, deren Abschmelzen in Florida bis zu einem Drittel des Meeresspiegelanstiegs ausmacht. Darum ist die neue Entdeckung von Geologen der University of South Florida von besonderer Bedeutung für den Sunshine State. Die Forscher entdeckten einen der Mechanismen, die den Kollaps von Gletschern in das Meer regelt.
Im Rahmen einer Studie, die im Journal Nature Communications erschien, entdeckte ein Forschungsteam unter Leitung von Professor Tim Dixon von der University of South Florida einen Prozess, der das Kalben von Gletschern steuern kann. Beim Kalben von Gletschern brechen große Teile der Gletscher ab und stürzen ins Meer, wo sie Eisberge bilden – so wie jenen, der einst die Titanic versenkte. Die Entdeckung wird der wissenschaftlichen Gemeinschaft helfen, den zukünftigen Eisverlust Grönlands und den Anstieg des Meeresspiegels besser zu modellieren. Zu dem Team gehörten der Doktorand Surui Xie (USF), Dr. David Holland (New York University), Dr. Irena Vaňková (New York University und NYU-Abu Dhabi Research Institute) sowie Dr. Denis Voytenko (früher an der New York University und jetzt für Nielson Communications tätig).
Das Kalben von Gletschern ist einer der dramatischeren Aspekte des Klimawandels. Abhängig von der Höhe des Gletschers kann das Kalben vergleichbar mit dem Herabstürzen einer Eisstruktur von der Größe eines hohen Wolkenkratzers ins Meer sein.
„Das Kalben von Eisbergen war schwierig zu modellieren“, sagte Dixon. „Eine der großen Unbekannten hinsichtlich des zukünftigen Anstiegs des Meeresspiegels ist die Frage, wie schnell Grönland auseinanderbricht, und das Kalben von Eisbergen ist einer der am wenigsten verstandenen Mechanismen.“
Das Team brach im Sommer 2017 nach Grönland auf, um ein neues Radarsystem zu installieren und den Prozess besser zu verstehen. Insbesondere wollten sie Formationen überwachen, die als proglaziale „Mélange“ bezeichnet werden (abgeleitet vom französischen Wort für Mischung). Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Meereis und Eisbergen vor dem Gletscher. Die Mélange kann in den langen, schmalen Fjorden dicht gepackt sein, welche vor vielen ins Meer strömenden Gletschern Grönlands liegen.
Forschern ist seit langer Zeit bekannt, dass die Mélange Gletscher bei der Bewegung in Richtung Meer bremsen kann, aber sie hatten nicht die Daten, um das Phänomen ganz zu verstehen.
Dixons Team entwickelte einen neuen radarbasierten Ansatz, um die Höhen der Mélange vor dem Jakobshavn-Gletscher präzise zu messen, einem großen Abflussgletscher an der Westseite Grönlands. Mit analytischen Methoden, die von Xie entwickelt wurden, maßen die Wissenschaftler die Höhe der Mélange. Sie fanden ein dickes Keilstück, das im späten Frühling und im frühen Sommer gegen den Gletscher drückte. Während dieser Zeitspanne beobachteten die Wissenschaftler keine Kalbungsprozesse an dem Gletscher. Als der Keil dünner wurde und bis Mitte des Sommers abschmolz, begann das Kalben ernsthaft.
„Auf der Oberfläche ist diese Mélange klein und erscheint fast flach, aber unter Wasser gibt es riesige Variationen“, sagte Dixon. „Es ist tatsächlich der Unterwasserteil, der den Gletscher zurückdrückt und ihn am Kalben hindert. Indem wir die Oberflächenhöhen präzise maßen, konnten wir die viel größeren Variationen unter der Oberfläche in den Griff bekommen, welche die Dicke der Mélange bestimmen.“
Im Frühjahr berichteten Forscher der NASA, dass der Jakobshavn-Gletscher, der seit den letzten 20 Jahren der am schnellsten schwindende Gletscher Grönlands war, seine Bewegung in Richtung Ozean verlangsamte. Dies schien in einem zyklischen Muster aus Erwärmung und Abkühlung stattzufinden. Aber weil der Jakobshavn-Gletscher immer noch mehr Eis verliert, als er jedes Jahr ansammelt, mache seine schiere Größe ihn zu einem wichtigen Faktor des Meeresspiegelanstiegs, betonten die NASA-Forscher.
„Unsere Studie hilft uns dabei, den Kalbungsprozess zu verstehen“, sagte Dixon. „Wir sind die ersten, die entdeckt haben, dass die Mélange nicht nur eine zufällige Ansammlung von Eisbergen vor dem Gletscher ist. Der Keil einer Mélange kann gelegentlich ‚die Tür offenhalten‘ und den Gletscher am Kalben hindern.“
(THK)
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