Die Gletscherzungen haben sich zurückgezogen, mehr felsige Gipfel liegen frei, weniger Eisberge driften in den Ozean: Das verästelte Geflecht aus Gletschern, die sich in den grönländischen Sermilik Fjord entleeren, hat sich in den letzten 50 Jahren drastisch verändert. Ein Vergleich von Landsat-Aufnahmen aus den Jahren 1972 und 2019 zeigt diese Veränderungen und noch mehr.
Die Gletscher erscheinen auf dem unten eingebundenen Echtfarben-Satellitenbild von Landsat 8 vom 12. August 2019 bräunlich-grau. Die Farbe spricht dafür, dass die Oberfläche geschmolzen ist – ein Prozess, der Staub und Gesteinsteilchen konzentriert und zu einer dunkleren rekristallisierten Eisoberfläche führt.
„Die dunklere Oberfläche erstreckt sich im Jahr 2019 viel weiter in den Eisschild als 1972, als der erste Landsat-Satellit Daten über die Region sammelte“, sagte Christopher Shuman, ein Glaziologe an der University of Maryland und am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). Landsat ist eine Gemeinschaftsmission der NASA und des U.S. Geological Survey (USGS).
Der Helheim-Gletscher, einer der größten und schnellsten seiner Art in Grönland, hat sich in der Zeit zwischen den beiden Aufnahmen fast 7,5 Kilometer weit in einen breiten Fjord zurückgezogen und an seiner ehemaligen Kalbungslinie einen Haufen Meereis zurückgelassen. Im Osten hat sich der Midgard-Gletscher fast 16 Kilometer weit zurückgezogen und sich weiter im Fjord in zwei Äste geteilt. Veränderungen an den Gesteinsaufschlüssen der Berge in der Region und an kleineren Gletschern sind beim Vergleichen der beiden Landsat-Aufnahmen ebenfalls erkennbar.
„Jetzt ist viel mehr blankes Gestein sichtbar, das vorher mit Eis bedeckt war“, sagte Shuman. „Und all diese kleinen Gletscher sind betroffen, ebenso die größeren wie Helheim, Fenris und Midgard. Es gibt zahlreiche Beispiele für Veränderungen allein in dieser einen Region.“
Eine Nahaufnahme des Helheim-Gletschers zeigt einen Gebiet mit offenem Wasser direkt an der Kalbungslinie. Drei Tage nachdem Landsat 8 das Bild von Helheim und dessen benachbarten Gletschern machte, überflog die Oceans Melting Greenland (OMG) Mission der NASA das Gebiet an Bord eines Flugzeugs und setzte eine Temperaturmesssonde ab, die warmes Wasser direkt an der Gletscherzunge registrierte. Die OMG-Mission untersucht, wie die Ozeane Gletscher von unten schmelzen, während die Lufttemperaturen das Eis von oben erwärmen.
Ungewöhnlich warme Lufttemperaturen in diesem Sommer haben in Grönland eine Rekordschmelze verursacht. Ungefähr 90 Prozent der Oberfläche von Grönlands Eisschild schmolzen irgendwann zwischen dem 30. Juli und dem 2. August 2019, wobei geschätzte 55 Milliarden Tonnen Eis in den Ozean gelangten, wie das National Snow and Ice Data Center berichtete. Shuman verfolgte das ungewöhnlich warme Wetter auf der Spitze des Grönländischen Eisschildes in 3.216 Metern Höhe über dem Meeresspiegel ebenfalls. Dort lagen die Temperaturen zwischen dem 30. und 31. Juli 2019 für mehr als 16,5 Stunden über dem Gefrierpunkt.
(THK)
Antworten