NICER beobachtet einen rekordbrechenden Röntgenausbruch

Künstlerische Darstellung eines Röntgenausbruchs des Typs I. (Credits: NASA's Goddard Space Flight Center / Chris Smith (USRA))
Künstlerische Darstellung eines Röntgenausbruchs des Typs I. (Credits: NASA's Goddard Space Flight Center / Chris Smith (USRA))

Das Teleskop des Neutron star Interior Composition Explorer (NICER) an Bord der Internationalen Raumstation hat am 20. August 2019 um 22:04 Uhr EDT eine plötzliche Röntgenspitze registriert. Der Ausbruch wurde durch einen gewaltigen thermonuklearen Blitz auf der Oberfläche eines Pulsars verursacht, dem kollabierten Überrest eines Sterns, der vor langer Zeit als Supernova explodierte.

Der Röntgenblitz ist der bislang hellste, der von NICER beobachtet wurde. Er stammte von einem Objekt namens SAX J1808.4-3658 oder kurz J1808. Die Beobachtungen offenbaren viele Phänomene, die bisher nicht gemeinsam bei einem einzigen Ausbruch registriert wurden. Der resultierende Feuerball wurde danach noch einmal heller – aus Gründen, die Astronomen noch nicht erklären können.

„Dieser Ausbruch war außergewöhnlich“, sagte der leitende Wissenschaftler Peter Bult, ein Astrophysiker am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) und der University of Maryland in College Park. „Wir sehen eine zweistufige Veränderung der Helligkeit, von der wir denken, dass sie durch das Abstoßen separater Schichten von der Pulsaroberfläche verursacht wurde, sowie andere Merkmale, die uns helfen werden, die Physik dieser gewaltigen Ereignisse zu entschlüsseln.“

Die Explosion, die von Astronomen als Röntgenausbruch des Typs I klassifiziert wird, setzte in 20 Sekunden so viel Energie frei wie die Sonne in fast zehn Tagen. Die von NICER eingefangenen Details dieser rekordbrechenden Eruption werden Astronomen helfen, ihr Wissen über andere ausbrechende Pulsare und die physikalischen Prozesse zu verbessern, die die thermonuklearen Ausbrüche auslösen.

Ein Pulsar ist ein Typ Neutronenstern – der kompakte Kern, der nach der Explosion eines massereichen Sterns zurückbleibt. Pulsare können rasch rotieren und zeigen röntgenemittierende Hotspots an ihren Magnetpolen. Wenn die Objekte rotieren, bewegen sich die Hotspots in unsere Sichtlinie und produzieren regelmäßige Pulse aus hochenergetischer Strahlung.

J1808 liegt etwa 11.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Sagittarius (Schütze). Er rotiert mit 401 Umdrehungen pro Sekunde und ist Teil eines Doppelsystems. Sein Begleiter ist ein Brauner Zwerg – ein Objekt, das größer als ein Riesenplanet ist, aber zu klein, um ein Stern zu sein. Ein stetiger Strom aus Wasserstoffgas fließt von dem Begleiter in Richtung des Neutronensterns und sammelt sich in einer ausgedehnten Struktur, die als Akkretionsscheibe bezeichnet wird.

Gas in der Akkretionsscheibe scheint sich nicht leicht nach innen zu bewegen. Aber alle paar Jahre werden die Scheiben um Pulsare wie J1808 so dicht, dass eine große Menge des Gases ionisiert wird, also seiner Elektronen beraubt wird. Das macht es für das Licht schwieriger, sich durch die Scheibe zu bewegen. Die gefangene Energie beginnt einen stetigen Prozess der Aufheizung und Ionisierung, der noch mehr Energie fängt. Das Gas strömt langsamer und beginnt nach innen zu spiralen, wobei es letztendlich auf den Pulsar fällt.

Der auf die Oberfläche regnende Wasserstoff bildet einen heißen, immer tiefer werdenden globalen See. An der Basis dieser Schicht nehmen die Temperaturen und Druckverhältnisse zu, bis die Wasserstoffkerne fusionieren und Heliumkerne bilden, wobei Energie freigesetzt wird – ein Prozess, der im Kern der Sonne abläuft.

„Das Helium setzt sich ab und bildet selbst eine Schicht“, sagte Zaven Arzoumanian, der stellvertretende Leiter der NICER-Mission vom Goddard Space Flight Center und Co-Autor der Abhandlung. „Wenn die Heliumschicht erst einmal ein paar Meter tief ist, erlauben die Bedingungen die Fusion von Heliumkernen zu Kohlenstoff. Dann eruptiert das Helium explosiv und entfesselt einen thermonuklearen Feuerball auf der gesamten Oberfläche des Pulsars.“

Astronomen nutzen ein Konzept namens Eddington-Grenze (benannt nach dem englischen Astrophysiker Sir Arthur Eddington), um die maximale Strahlungsintensität zu beschreiben, die ein Stern haben kann, bevor diese Strahlung den Stern expandieren lässt. Dieser Punkt hängt stark von der Zusammensetzung des Materials über der Emissionsquelle ab.

„Unsere Studie verwertet dieses lange bestehende Konzept auf eine neue Weise“, sagte Co-Autor Deepto Chakrabarty, ein Physik-Professor am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. „Scheinbar beobachten wir die Eddington-Grenze für zwei verschiedenen Zusammensetzungen in demselben Röntgenausbruch. Das ist ein sehr leistungsfähiger und direkter Weg, um den nuklearen Fusionsreaktionen zu folgen, die dem Ereignis zugrunde liegen.“

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Video-Link: https://youtu.be/1FkoWncpMYg

 

Als der Ausbruch begann, flachte sich die Röntgenhelligkeit laut den NICER-Daten fast eine Sekunde lang ab, bevor sie mit geringerer Geschwindigkeit wieder anstieg. Die Forscher interpretieren diese Verzögerung als den Moment, als die Energie des Ausbruchs stark genug war, um die Wasserstoffschicht des Pulsars in den Weltraum zu blasen.

Der Feuerball baute sich weitere zwei Sekunden lang auf und erreichte dann seine Spitzenhelligkeit, wobei er die massereichere Heliumschicht absprengte. Das Helium expandierte schneller, überholte die Wasserstoffschicht, bevor sie sich zerstreuen konnte, und verlangsamte sich dann, stoppte und fiel zurück auf die Oberfläche des Pulsars. Nach dieser Phase wurde der Pulsar nochmals kurz um 20 Prozent heller. Die Gründe für diesen Anstieg versteht das Team jedoch noch nicht.

Während der neuesten Aktivitätsphase von J1808 registrierte NICER einen weiteren, viel schwächeren Röntgenausbruch, der keine der Schlüsselmerkmale des Ereignisses vom 20. August 2019 aufwies.

Neben der Expansion der verschiedenen Schichten beobachtete NICER auch die Röntgenstrahlung, die von der Akkretionsscheibe reflektiert wurde und zeichnete das Flackern der Ausbruchsschwinungen auf. Dabei handelt es sich um Röntgensignale, die mit der Rotationsfrequenz des Pulsars abfallen und ansteigen, aber die an anderen Orten auf der Oberfläche auftreten als die Hotspots, die für seine normale Röntgenpulse verantwortlich sind.

Eine Abhandlung, die die Ergebnisse beschreibt, wurde in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.

NICER ist eine Astrophysics Mission of Opportunity innerhalb des Explorer Program der NASA. Das Programm sieht häufige Flugmöglichkeiten für wissenschaftliche Untersuchungen mit innovativen und effizienten Managementansätzen innerhalb der Forschungsgebiete Heliophysik und Astrophysik vor. Das Space Technology Mission Directorate der NASA unterstützt die SEXTANT-Komponente der Mission, die die pulsarbasierte Navigation von Raumsonden demonstriert.

Quelle

(THK)

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