Die Physik der Riesenseifenblasen

Justin Burton (links) und Stephen Frazier (rechts) von der Emory University experimentieren mit Riesenseifenblasen. (Credits: Emory University)
Justin Burton (links) und Stephen Frazier (rechts) von der Emory University experimentieren mit Riesenseifenblasen. (Credits: Emory University)

Eine von Straßenkünstlern inspirierte Studie über die Erschaffung gigantischer Seifenblasen führte zu einer Entdeckung im Bereich Fluidmechanik: Das Vermischen von Polymermolekülen unterschiedlicher Größen innerhalb einer Lösung steigert die Fähigkeit zur Dehnung eines dünnen Films, ohne dass er reißt.

Das Journal Physical Review Fluids veröffentlichte die Ergebnisse der Studie von Physikern der Emory University. Die Ergebnisse könnten zu verbesserten Prozessen führen, beispielsweise wenn es darum geht, wie das Öl durch industrielle Pipelines fließt, oder bezüglich der Säuberung von verunreinigendem Schaum in Strömen und Flüssen.

Die Ergebnisse haben auch Auswirkungen für ganz normale Seifenblasen-Fans. „Diese Studie gibt der Grundlagenforschung definitiv den Spaß“, sagte Justin Burton, außerordentlicher Professor für Physik an der Emory University und Seniorautor der Studie.

Die Fluiddynamik ist einer der Schwerpunkte von Burtons Labor. „Die Prozesse der Fluiddynamik sind visuell schön, und es gibt sie überall auf unserem Planeten, von der Entstehung und dem Auseinanderbrechen von Tröpfchen und Blasen bis zur Aerodynamik von Flugzeugen und dem Umwälzen der Weltmeere“, sagte er.

Als Burton vor ein paar Jahren wegen einer Konferenz in Barcelona war, sah er Straßenkünstler, die mithilfe einer Seifenlösung und Baumwollgarn riesige Blasen machten. „Diese Blasen hatten den Durchmesser eines Hulahoop-Reifens und waren so lang wie ein Auto“, erinnerte er sich. „Aber sie sahen auch schön aus und zeigten Farbveränderungen von Rot über Grün bis hin zu Blautönen auf ihren Oberflächen.“

„Dieser Regenbogeneffekt zeigt, dass die Dicke eines Films vergleichbar mit der Wellenlänge des Lichts ist – nur wenige Mikrometer“, erklärte er. Die Beobachtung der Künstler warf in Burtons Kopf eine physikalische Frage auf: Wie kann ein so mikroskopisch dünner Film seine Integrität über eine so große Distanz aufrechterhalten, ohne zu zerreißen? Er begann dies zu erforschen – in seinem Garten und in seinem Labor.

Als Burton nach Rezepten suchte, stolperte er über das Soap Bubble Wiki, ein Online-Opensource-Projekt. Das Wiki hilft den „Bubblern“ bei der Erschaffung „der perfekten Blase“, indem es hinsichtlich der Seifenlösungsrezepte und deren Zutaten Fakten von Mythen trennt.

Neben Wasser und Geschirrspülmittel ergänzt das Soap Bubble Wiki normalerweise ein Polymer – eine Substanz, die aus langen Ketten sich wiederholender Moleküle besteht. Die in den Rezepten am häufigsten verwendeten Polymere waren Guarkernmehl (ein Pulver, das manchen Lebensmitteln beigefügt wird) oder industriell hergestelltes Polyethylenglycol, ein in der Medizin genutztes Schmiermittel. Unter Berücksichtigung der Empfehlungen aus dem Soap Bubble Wiki führte Burton zusammen mit den zwei Studenten Stephen Frazer und Xinyi Jiang Laborexperimente durch.

„Im Grunde genommen begannen wir Seifenblasen zu erschaffen und sie anschließend platzen zu lassen. Wir zeichneten die Geschwindigkeit und die Dynamiken dieses Prozesses auf“, sagte Burton. „Die Fokussierung auf ein Fluid in dessen turbulentesten Momenten kann einem viel über die zugrunde liegende Physik verraten.“

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Video-Link: https://youtu.be/gVc5zySN6Ks

 

Seifenfilme absorbieren infrarotes Licht, also leuchteten sie damit durch die Blasen hindurch, um die Dicke der Filme zu messen. Sie maßen auch das molekulare Gewicht der verschiedenen Polymere, die sie in den Seifenlösungsrezepten verwendeten. Und sie ließen die Gravitation Tröpfchen der verschiedenen Seifenfilme aus einer Öffnung ziehen, um zu messen, wie lang der resultierende Flüssigkeitsfaden zwischen der Öffnung und dem Tröpfchen wird, bevor er reißt.

Die Ergebnisse offenbarten, dass Polymere die Schlüsselzutat für die Erschaffung gigantischer Seifenblasen sind. Die langen faserähnlichen Polymerstränge erlauben den Seifenblasen, sich sanft zu bewegen und sich weiter auszudehnen, ohne zu platzen.

„Die Polymerstränge verhaken sich ähnlich wie ein Knäuel und bilden längere Stränge, die nicht reißen wollen“, erklärte Burton. „In der richtigen Kombination erlaubt ein Polymer einem Seifenfilm das Erreichen eines ‚Idealpunktes‘, der zäh aber auch dehnbar ist – nur nicht so dehnbar, dass er reißt.“

Die Arbeit bestätigt, was viele „Bubble“-Experten bereits herausgefunden hatten: Zu einem Rezept für eine gute Riesenseifenblase sollte ein Polymer gehören. „Wir betrachteten die Physik, um zu erklären, warum und wie Polymere einen Flüssigkeitsfilm auf Größen bis zu 100 Quadratmetern expandieren lassen können, ohne dass er reißt“, sagte Burton.

Die Physiker stellten auch fest, dass die Veränderung der polymeren Molekülgrößen hilft, den Seifenfilm zu stärken. Diese Entdeckung machten sie per Zufall. Die Forscher arbeiteten mehr als ein Jahr an dem Projekt und lagerten einige Behälter Polyethylenglycol, das sie gekauft hatten. Sie bemerkten, dass Polyethylenglycol aus etwa sechs Monate alten Behältern stärkere Seifenblasenfilme produzierte, verglichen mit dem Polyethylenglycol aus neu gekauften Behältern. Im Laufe der Untersuchung erkannten sie, dass sich die Polymere in dem älteren Polyethylenglycol mit der Zeit abgebaut und die Länge der Molekülstränge verändert hatten.

„Polymere unterschiedlicher Größen verhaken sich sogar noch stärker als Polymere derselben Größe, was die Elastizität des Films erhöht“, sagte Burton. „Das ist eine grundlegende Entdeckung in der Physik.“ Zu verstehen, wie Fluide und dünne Filme auf Belastungen reagieren, könnte Burton zufolge zu einer Reihe neuer Anwendungen führen. „Wie bei jeder Grundlagenforschung muss man seinen Instinkten und seinem Herzen folgen“, sagte Burton über seine Seifenblasenodyssee. „Manchmal zerplatzt die Blase, aber in diesem Fall entdeckten wir etwas Interessantes.“

Die Arbeit wurde von der Division of Materials Research der National Science Foundation unterstützt.

 

Ein Physiker-Rezept für Riesenseifenblasen

Justin Burton empfiehlt das folgende Rezept für Riesenseifenblasen. Er betont, dass die Faktoren außerhalb des Labors jedoch nicht kontrolliert werden können. Die Luftfeuchtigkeit beispielsweise könnte die Ergebnisse beeinflussen.

Zutaten:

  • 1 Liter Wasser
  • 50 Milliliter Dawn Professional Detergent (Geschirrspülmittel), entspricht ein wenig mehr als 3 Esslöffeln
  • 2-3 Gramm Guarkernmehl, entspricht etwa 1/2 gehäuftem Teelöffel
  • 50 Milliliter Isopropylalkohol, entspricht ein wenig mehr als 3 Esslöffeln
  • 2 Gramm Backpulver, entspricht etwa 1/2 Teelöffel

Anweisungen:

  • Mische das Guarkernmehl mit dem Alkohol und rühre, bis es keine Klumpen mehr gibt
  • Gib das Alkohol/Guarkernmehl-Gemisch in das Wasser und mische es vorsichtig für zehn Minuten. Lass es sich etwas setzen, so dass sich das Guarkernmehl hydratisiert. Dann nochmal mischen. Das Wasser sollte leicht dicker werden, so wie dünne Suppe oder flüssige Gelatine.
  • Das Backpulver hinzugeben und umrühren.
  • Das Geschirrspülmittel hinzugeben und vorsichtig umrühren, um Schaumbildung des Gemischs zu vermeiden.
  • Tauche einen Stab mit einer geeigneten Form in das Gemisch, bis er vollständig überzogen ist und ziehe den Stab langsam aus dem Gefäß heraus. Puste langsam hinein oder bewege ihn in der Luft, um die Physik der Riesenseifenblasen zu genießen.

Quelle

(THK)

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