Eine rekordbrechende Explosion im Ophiuchus-Galaxienhaufen

Kompositaufnahme des Ophiuchus-Galaxienhaufens mit der Position des ungewöhnlich gebogenen Randes. (Credit: X-ray: Chandra: NASA / CXC / NRL / S. Giacintucci, et al., XMM-Newton: ESA / XMM-Newton; Radio: NCRA / TIFR / GMRT; Infrared: 2MASS / UMass / IPAC-Caltech / NASA / NSF)
Kompositaufnahme des Ophiuchus-Galaxienhaufens mit der Position des ungewöhnlich gebogenen Randes. (Credit: X-ray: Chandra: NASA / CXC / NRL / S. Giacintucci, et al., XMM-Newton: ESA / XMM-Newton; Radio: NCRA / TIFR / GMRT; Infrared: 2MASS / UMass / IPAC-Caltech / NASA / NSF)

Man hat die größte Explosion registriert, die bislang im Universum beobachtet wurde. Diese rekordbrechende, gigantische Explosion stammt von einem Schwarzen Loch in einem fernen Galaxienhaufen, der hunderte Millionen Lichtjahre entfernt liegt.

„In mancher Hinsicht gleicht dieser Ausbruch der Art und Weise, wie die Eruption des Mount St. Helens im Jahr 1980 den Gipfel des Berges wegsprengte“, sagte Simina Giacintucci vom Naval Research Laboratory in Washington DC, die Hauptautorin der Studie. „Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass man 15 Milchstraßen-Galaxien nebeneinander in den Krater hineinpacken könnte, den diese Eruption in das heiße Gas des Galaxienhaufens gerissen hat.“

Astronomen machten diese Entdeckung unter Verwendung von Röntgendaten des Chandra X-ray Observatory und des ESA-Weltraumteleskops XMM-Newton, sowie mit Radiodaten des Murchison Widefield Array (MWA) in Australien und des Giant Metrewave Radio Telescope (GMRT) in Indien.

Der beispiellose Ausbruch wurde im Ophiuchus-Galaxienhaufen registriert, rund 390 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum, die durch die Gravitation zusammengehalten werden, und enthalten tausende einzelne Galaxien, Dunkle Materie und heißes Gas. Im Zentrum des Ophiuchus-Galaxienhaufens gibt es eine große Galaxie, die ein supermassives Schwarzes Loch enthält. Forscher vermuten, dass dieses Schwarze Loch die Quelle der gigantischen Eruption ist.

Obwohl Schwarze Löcher dafür bekannt sind, Materie anzuziehen, stoßen sie oft große Mengen Materie und Energie ab. Das geschieht, wenn Materie in Richtung des Schwarzen Lochs fällt und in Jets umgelenkt wird, die sich nach außen in den Weltraum bewegen und auf Materie in der Umgebung treffen.

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Video-Link: https://youtu.be/SUNhydmFGiU

 

Chandra-Beobachtungen aus dem Jahr 2016 offenbarten erste Hinweise auf die gigantische Explosion im Ophiuchus-Galaxienhaufen. Norbert Werner und seine Kollegen berichteten über die Entdeckung eines ungewöhnlich gebogenen Randes des Galaxienhaufens auf einer Chandra-Aufnahme. Sie fragten sich, ob dies ein Teil der Wand eines Hohlraums in dem heißen Gas ist, der von Jets des supermassiven Schwarzen Lochs erzeugt wurde. Allerdings verwarfen sie diese Möglichkeit, teilweise deshalb weil eine große Menge Energie erforderlich gewesen wäre, damit das Schwarze Loch einen Hohlraum dieser Größe erschaffen kann.

Die neueste Studie von Giacintucci und ihren Kollegen zeigt, dass tatsächlich eine enorme Explosion stattfand. Zuerst zeigten sie, dass der gebogene Rand auch von XMM-Newton registriert wurde, was die Chandra-Beobachtung bestätigte. Ihr entscheidender Fortschritt war die Verwendung neuer Radiodaten des MWA und Daten aus dem GMRT-Archiv, um nachzuweisen, dass der gekrümmte Rand tatsächlich ein Teil der Wand eines Hohlraums ist, weil er an eine Region mit Radioemissionen angrenzt. Diese Emissionen stammen von Elektronen, die auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wurden. Verantwortlich für die Beschleunigung ist wahrscheinlich das supermassive Schwarze Loch.

„Die Radiodaten passen zu den Röntgendaten wie eine Hand in einen Handschuh“, sagte der Co-Autor Maxim Markevitch vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland). „Das ist der Hinweis, der uns verrät, dass hier eine Eruption von beispielloser Stärke stattfand.“

Die Energiemenge, die zur Erschaffung des Hohlraums im Ophiuchus-Galaxienhaufen erforderlich war, ist etwa fünfmal höher als die des vorherigen Rekordhalters MS 0735+74 und hunderte bis tausende Male stärker als bei typischen Galaxienhaufen.

Die Eruption des Schwarzen Lochs muss beendet sein, weil die Forscher in den Radiodaten keine Anhaltspunkte für aktuelle Jets sehen. Das Abklingen kann durch die Chandra-Daten erklärt werden: Sie zeigen, dass sich das dichteste und kühlste Gas in den Röntgendaten aktuell an einer anderen Position befindet als die zentrale Galaxie. Wenn sich dieses Gas von der Galaxie entfernt hat, wird es das Schwarze Loch seiner Wachstumsgrundlage beraubt und die Jets abgeschaltet haben.

Die Verschiebung des Gases wird wahrscheinlich durch das „Schwenken“ des Gases um das Zentrum des Galaxienhaufens verursacht, ähnlich wie Wein in einem Glas schwenkt. Normalerweise löst die Verschmelzung zweier Galaxienhaufen eine solche Aktivität aus, aber hier könnte es durch die Eruption ausgelöst worden sein.

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=IutUwAk04RM

 

Ein Rätsel ist, dass nur eine große Region mit Radioemissionen beobachtet wird, weil diese Systeme üblicherweise zwei Regionen an den entgegengesetzten Seiten des Schwarzen Lochs besitzen. Es ist möglich, dass das Gas auf der anderen Seite des Galaxienhaufens weniger dicht ist, so dass sich die Radioemissionen schneller abschwächten.

„Wie es in der Astrophysik häufig der Fall ist, brauchen wir wirklich Beobachtungen in mehreren Wellenlängenbereichen, um die dort ablaufenden Prozesse zu verstehen“, sagte Melanie Johnston-Hollit, eine Co-Autorin vom International Centre for Radio Astronomy in Australien. „Die kombinierten Informationen von Röntgenteleskopen und Radioteleskopen haben diese außergewöhnliche Quelle enthüllt, aber es werden mehr Daten benötigt, um die vielen offenen Fragen zu beantworten, die dieses Objekt aufgeworfen hat.“

Eine Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, erschien am 27. Februar 2020 im Astrophysical Journal. Neben Giancintucci, Markevitch und Johnston-Hollit wirkten Daniel Wik (University of Utah), Qian Wang (University of Utah) und Tracy Clarke (Naval Research Laboratory) an der Studie mit. Die Abhandlung von Norbert Werner aus dem Jahr 2016 wurde in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.

Das Marshall Space Flight Center der NASA leitet das Chandra-Programm. Das Chandra X-ray Center am Smithsonian Astrophysical Observatory steuert die Wissenschafts- und Flugoperationen von Cambridge und Burlington (Massachusetts) aus.

Quelle

(THK)

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