Eine neue Studie identifizierte 37 kürzlich aktive Vulkanstrukturen auf der Venus. Die Studie liefert einige der besten Belege dafür, dass die Venus immer noch ein geologisch aktiver Planet ist. Eine Abhandlung über die Forschungsarbeit, die von Wissenschaftlern der University of Maryland und des Institute of Geophysics der ETH Zürich (Schweiz) durchgeführt wurde, erschien am 20. Juli 2020 im Journal Nature Geoscience.
„Dies ist das erste Mal, dass wir auf spezifische Strukturen zeigen und sagen können ‚Schau, das ist kein alter Vulkan, sondern einer, der heute aktiv ist, vielleicht schlafend, aber nicht tot'“, sagte Laurent Montési, ein Geologie-Professor an der University of Maryland und Co-Autor der Studie. „Diese Studie verändert unseren Blick auf die Venus als weitgehend inaktiven Planeten beträchtlich in Richtung eines Planeten, dessen Inneres noch kocht und viele aktive Vulkane versorgen kann.“
Forscher wissen seit einiger Zeit, dass die Venus eine jüngere Oberfläche besitzt als Planeten wie der Mars und Merkur, die ein kühles Inneres haben. Belege für ein warmes Inneres und geologische Aktivität sprenkelt die Oberfläche des Planeten in Form ringähnlicher Strukturen. Diese sogenannten Coronae entstehen, wenn Plumen aus heißem Material tief im Innern des Planeten durch den Mantel und die Kruste aufsteigen. Das ähnelt der Art, wie Mantelplumen die hawaiianische Vulkaninselkette bildeten.
Aber man vermutete, dass die Coronae auf der Venus wahrscheinlich Hinweise auf alte Aktivitäten sind und dass die Venus sich genug abgekühlt hatte, um die geologische Aktivität im Planeteninneren zu verlangsamen und die Kruste so sehr zu verhärten, dass warmes Material aus dem tiefen Inneren sie nicht durchdringen kann. Auch die genauen Prozesse, durch welche die Mantelplumen die Coronae auf der Venus bildeten und die Gründe für ihre Vielfalt sind Gegenstand von Debatten.
In der neuen Studie nutzten die Forscher numerische Modelle für thermomechanische Aktivität unter der Venusoberfläche, um hochauflösende 3D-Simulationen der Coronae-Bildung zu erstellen. Ihre Simulationen bieten einen detailreicheren Blick auf den Prozess als jemals zuvor.
Die Ergebnisse halfen Montési und seinen Kollegen bei der Identifizierung von Strukturen, die nur bei kürzlich aktiven Coronae präsent sind. Das Team konnte diese Strukturen mit beobachteten Formationen auf der Venusoberfläche in Zusammenhang bringen und dadurch zeigen, dass ein Teil der Vielfalt der Coronae auf dem Planeten verschiedene Stadien der geologischen Entwicklung repräsentiert. Die Studie liefert den ersten Beweis dafür, dass sich die Coronae auf der Venus noch immer entwickeln, was darauf schließen lässt, dass das Innere des Planeten noch immer heiß ist.
„Der verbesserte Grad an Realismus in diesen Modellen gegenüber früheren Studien macht es möglich, verschiedene Stadien der Coronae-Entwicklung zu identifizieren und diagnostische geologische Strukturen zu definieren, die nur bei momentan aktiven Coronae vorhanden sind“, sagte Montési. „Wir können sagen, dass mindestens 37 Coronae kürzlich aktiv waren.“
Die aktiven Coronae auf der Venus kommen in einer Handvoll Orte auf der Venus vor, was auf Gebiete hinweist, in denen der Planet am aktivsten ist, und Anhaltspunkte zu den Abläufen im Planeteninneren gibt. Diese Ergebnisse könnten helfen, Zielgebiete zu identifizieren, wo von zukünftigen Missionen zur Venus geologische Instrumente platziert werden sollten, beispielsweise von der EnVision-Mission, deren Start für das Jahr 2032 geplant ist.
Die Studie mit dem Titel „Corona structures driven by plume-lithosphere interactions and evidence for ongoing plume activity on Venus“ von Anna J. P. Gülcher, Taras V. Gerya, Laurent G. J. Montési und Jessica Munch erschien am 20. Juli 2020 im Journal Nature Geoscience.
(THK)
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