Laut einer neuen Studie wird das Universum heißer. Die Studie, veröffentlicht am 13. Oktober 2020 im Astrophysical Journal, untersuchte die thermale Geschichte des Gases im Universum im Verlauf der letzten zehn Milliarden Jahre. Sie ergab, dass die Durchschnittstemperatur des Gases im Universum in dieser Zeitperiode um mehr als das Zehnfache angestiegen ist und heute etwa zwei Millionen Kelvin erreicht.
„Unsere neue Messung liefert eine direkte Bestätigung der Arbeit von Jim Peebles, dem Physiknobelpreisträger von 2019, der die Theorie entwickelte, wie die großräumige Struktur im Universum entsteht“, sagte Yi-Kuan Chiang. Chiang ist der Hauptautor der Studie und Stipendiat am Center for Cosmology and AstroParticle Physics der Ohio State University.
Die großräumige Struktur des Universums bezieht sich auf die globalen Muster von Galaxien und Galaxienhaufen auf Größenskalen jenseits von Galaxien. Sie wird durch den gravitativen Kollaps von Dunkler Materie und Gas gebildet.
„Während sich das Universum entwickelt, zieht die Gravitation Dunkle Materie und Gas im Weltraum zu Galaxien und Galaxienhaufen zusammen“, sagte Chiang. „Die Kraft ist gewaltig – so gewaltig, dass mehr und mehr Gas betroffen ist und sich aufheizt.“
Chiang zufolge zeigten die Ergebnisse Wissenschaftlern, wie sie den Fortschritt der kosmischen Strukturbildung durch die „Temperaturmessung“ des Universums verfolgen.
Die Forscher nutzten eine neue Methode, die es ihnen erlaubte, die Temperatur von Gas in größeren Entfernungen zur Erde (und damit weiter zurück in der Zeit) zu schätzen und sie mit Gas in räumlicher und zeitlicher Nähe zur heutigen Erde zu vergleichen. Chiang sagte, die Forscher haben jetzt bestätigt, dass das Universum aufgrund des Gravitationskollaps kosmischer Strukturen mit der Zeit heißer wird und das diese Aufheizung wahrscheinlich andauern wird.
Um zu verstehen, wie sich die Temperatur des Universums mit der Zeit veränderte, nutzten die Forscher Daten, die von zwei Missionen gesammelt wurden, dem Weltraumteleskop Planck und dem Sloan Digital Sky Survey. Planck ist eine Mission der European Space Agency (ESA) mit starker Beteiligung der NASA. Der Sloan Digital Sky Survey sammelt detaillierte Bilder und Lichtspektren vom Universum.
Sie kombinierten Daten der beiden Missionen und berechneten die Distanzen des heißen Gases in Erdnähe und -ferne durch die Messung der Rotverschiebung. Das ist ein Wert, den Astrophysiker zur Schätzung des kosmischen Altersbereichs von fernen Objekten verwenden. Der Begriff Rotverschiebung leitet sich aus der Art und Weise ab, wie die Lichtwellenlängen gedehnt werden. Je weiter entfernt ein Objekt im Universum liegt, desto länger ist seine Lichtwellenlänge. Wissenschaftler, die das Universum untersuchen, bezeichnen die Dehnung als Rotverschiebungseffekt.
Das Konzept der Rotverschiebung funktioniert, weil das Licht, das wir von Objekten aus größeren Entfernungen beobachten, älter als das Licht von Objekten in Erdnähe ist. Das Licht von ferneren Objekten hat eine längere Reise hinter sich, um zu uns zu gelangen. Diese Tatsache und eine Methode zur Ableitung der Temperatur aus den Lichtdaten erlaubten den Forschern die Messung der Durchschnittstemperatur von Gasen im jungen Universum (Gase um Objekte in großen Entfernungen) und deren Vergleich mit der Durchschnittstemperatur der Gase in geringeren Distanzen (heutigen Gasen).
Diese Gase im heutigen Universum erreichen nach Angaben der Forscher Temperaturen von etwa zwei Millionen Kelvin bei Objekten, die der Erde näher liegen. Das ist etwa das Zehnfache der Gastemperatur um weiter entfernte Objekte in fernerer Vergangenheit.
Laut Chiang erwärmt sich das Universum aufgrund der natürlichen Prozesse der Galaxie- und Strukturbildung. Das hat nichts mit der Erwärmung auf der Erde zu tun. „Diese Phänomene vollziehen sich in ganz unterschiedlichen Skalen“, sagte er. „Sie hängen nicht zusammen.“
Diese Studie wurde in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Kavli Institute for the Physics and Mathematics of the Universe, der Johns Hopkins University und des Max Planck Instituts für Astrophysik durchgeführt.
(THK)
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