Astronomen haben mit dem NASA-Weltraumteleskop Chandra Belege für einen außergewöhnlich langen Teilchenjet eines supermassiven Schwarzen Lochs im jungen Universum entdeckt.
Wenn es bestätigt wird, wäre es das fernste supermassive Schwarze Loch mit einem im Röntgenbereich registrierten Jet. Die Emission stammt aus einer Galaxie, die 12,7 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Es könnte helfen zu erklären, wie die größten Schwarzen Löcher in einer sehr frühen Periode in der Geschichte des Universums entstanden.
Die Quelle des Jets ist ein Quasar – ein schnell wachsendes supermassives Schwarzes Loch – namens PSO J352.4034-15.3373 (kurz PJ352-15), der sich im Zentrum einer jungen Galaxie befindet. Er ist einer der beiden stärksten Quasare, die in der ersten Milliarde Jahre nach dem Urknall in Radiowellenlängen registriert wurden und ist rund eine Milliarde Mal massereicher als die Sonne.
Wie sind supermassive Schwarze Löcher imstande, so schnell zu wachsen, um in dieser frühen Epoche des Universums eine so gigantische Masse zu erreichen? Das ist eine der Schlüsselfragen auf dem Gebiet der heutigen Astronomie.
Trotz ihrer starken Gravitation und ihres beängstigenden Rufs ziehen Schwarze Löcher nicht alles an, was ihnen zu nahe kommt. Materie, die ein Schwarzes Loch in einer Scheibe umkreist, muss an Geschwindigkeit und Energie verlieren, bevor sie weiter in Richtung des sogenannten Ereignishorizonts fallen und ihn überschreiten kann – das ist der Punkt ohne Wiederkehr. Magnetfelder können eine Bremswirkung auf die Scheibe ausüben, weil sie einen Jet antreiben, was eine wichtige Möglichkeit ist, damit die Materie in der Scheibe Energie verlieren kann und dadurch die Wachstumsrate des Schwarzen Lochs erhöht.
„Wenn sich ein Karussell auf einem Spielplatz zu schnell dreht, ist es für ein Kind schwierig, sich in Richtung Zentrum zu bewegen, deswegen muss etwas oder jemand es abbremsen“, sagte Thomas Connor vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena (Kalifornien), der Studienleiter. „Wir denken, dass Jets um supermassive Schwarze Löcher genug Energie wegnehmen können, so dass Materie nach innen fallen und das Schwarze Loch wachsen kann.“
Astronomen mussten PJ352-15 insgesamt drei Tage mit dem scharfen Blick Chandras beobachten, um Hinweise auf den Röntgenjet zu registrieren. Die Röntgenemissionen wurden etwa 160.000 Lichtjahre von dem Quasar entfernt entdeckt und liegen in der gleichen Richtung wie die viel kürzeren Jets, die in Radiowellenlängen beobachtet wurden. Zum Vergleich: Die gesamte Milchstraßen-Galaxie hat einen Durchmesser von ungefähr 100.000 Lichtjahren.
Video-Link: https://youtu.be/TVgLvJA2768
PJ352-15 bricht mehrere astronomische Rekorde. Der längste Jet, der bislang in der ersten Milliarde Jahre nach dem Urknall beobachtet wurde, war nur etwa 5.000 Lichtjahre lang, was mit den Radiobeobachtungen von PJ352-15 übereinstimmt. Zweitens liegt PJ352-15 rund 300 Millionen Lichtjahre weiter entfernt als vorherige rekordhaltende Röntgenjet.
„Die Länge dieses Jets ist entscheidend, weil es bedeutet, dass das supermassive Schwarze Loch, welches ihn antreibt, eine beträchtliche Zeitspanne lang wuchs“, sagte der Co-Autor Eduardo Bañados vom Max-Planck-Institute für Astronomie (MPIA) in Heidelberg (Deutschland). „Dieses Ergebnis unterstreicht, wie Röntgenstudien ferner Quasare eine entscheidende Möglichkeit für die Untersuchung des Wachstums der fernsten supermassiven Schwarzen Löcher liefern.“
Das von diesem Jet registrierte Licht wurde emittiert, als das Universum erst 0,98 Milliarden Jahre alt war – weniger als ein Zehntel seines heutigen Alters. Zu diesem Zeitpunkt war die Intensität des kosmischen Mikrowellenhintergrundes (ein Relikt des Urknalls) viel stärker als heute.
Wenn sich die Elektronen in dem Jets mit annähernd Lichtgeschwindigkeit von dem Schwarzen Loch entfernen, durchdringen sie und kollidieren mit Photonen des kosmischen Mikrowellenhintergrundes und erhöhen die Energie der Photonen bis in den Röntgenbereich, der von Chandra registriert wird. In diesem Szenario wird die Helligkeit der Röntgenemissionen im Vergleich zu den Radiowellen deutlich erhöht. Das stimmt mit der Beobachtung überein, dass der große Röntgenjet keine mit ihm zusammenhängende Radioemission besitzt.
„Unser Ergebnis zeigt, dass Röntgenbeobachtungen eine der besten Möglichkeit sein können, um Quasare mit Jets im jungen Universum zu untersuchen“, sagte der Co-Autor Daniel Stern vom JPL. „Mit anderen Worten: Zukünftige Röntgenbeobachtungen könnten der Schlüssel sein, um die Geheimnisse unserer kosmischen Vergangenheit aufzudecken.“
Eine Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, wurde zur Veröffentlichung im Astrophysical Journal eingereicht. Die anderen Co-Autoren der Studie sind Chris Carilli (NRAO, Socorro, New Mexico), Andrew Fabian (University of Cambridge, Großbritannien), Emmanuel Momjian (NRAO), Sofía Rojas-Ruiz (MPIA), Roberto Decarli (INAF, Bologna, Italien), Emanuele Paolo Farina (Max-Planck-Institute für Astrophysik, Garching, Deutschland), Chiara Mazzucchelli (ESO, Chile), Hannah P. Earnshaw (Caltech, Pasadena, Kalifornien).
Das Marshall Space Flight Center der NASA leitet das Chandra-Programm. Das Smithsonian Chandra X-ray Center am Astrophysical Observatory steuert die wissenschaftlichen Belange von Cambridge (Massachusetts) und die Flugoperationen von Burlington (Massachusetts) aus.
(THK)
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