Wissenschaftler haben mit dem Weltraumteleskop Hubble Hinweise entdeckt, dass ein Planet um einen fernen Stern seine Atmosphäre verloren, aber durch vulkanische Aktivitäten eine zweite bekommen haben könnte.
Der Planet mit der Bezeichnung GJ 1132b begann Vermutungen zufolge als eine gasreiche Welt mit einer dichten Wasserstoffatmosphäre. Man denkt, dass dieser sogenannte Subneptun anfangs einen mehrfachen Erddurchmesser besaß und seine primordiale Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium aufgrund der intensiven Strahlung seines heißen, jungen Heimatsterns schnell verlor. In einer kurzen Zeitperiode wäre ein solcher Planet bis auf den Kern von etwa Erdgröße geschrumpft. Dann wird die Sache interessant.
Zur Überraschung der Astronomen beobachtete Hubble eine Atmosphäre, die laut ihrer Theorie eine zweite Atmosphäre ist, welche jetzt vorhanden ist. Basierend auf einer Kombination aus direkten Beobachtungsbelegen und Ableitungen mittels Computermodellen berichtet das Team, dass die Atmosphäre aus molekularem Wasserstoff, Wasserstoffzyanid und Methan besteht und außerdem einen Aerosoldunst enthält. Die Modelle sprechen dafür, dass der Aerosoldunst aus photochemisch produzierten Kohlenwasserstoffen entstand, ähnlich wie Smog auf der Erde.
Wissenschaftler interpretieren den aktuellen atmosphärischen Wasserstoff auf GJ 1132b als Wasserstoff aus der ursprünglichen Atmosphäre, der in den geschmolzenen Magmamantel des Planeten absorbiert wurde und jetzt durch vulkanische Prozesse langsam freigesetzt wird, um eine neue Atmosphäre zu bilden. Die Atmosphäre, die wir heute beobachten, wird demnach kontinuierlich erneuert, um den Wasserstoff auszugleichen, der in den Weltraum entweicht.
„Es ist sehr aufregend, weil wir vermuten, dass die Atmosphäre, die wir heute sehen, regeneriert wurde, also könnte es eine zweite Atmosphäre sein“, sagte die Co-Autorin der Studie, Raissa Estrela vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena (Kalifornien). „Wir dachten erst, dass diese hochgradig bestrahlten Planeten recht langweilig wären, weil wir glaubten, dass sie ihre Atmosphären verloren haben. Aber wir betrachteten reale Beobachtungen dieses Planeten mit Hubble und sagten ‚Oh nein, es gibt dort eine Atmosphäre‘.“
Die Ergebnisse könnten Auswirkungen auf die Untersuchung anderer Exoplaneten haben – das sind Planeten jenseits unseres Sonnensystems.
„Wie viele terrestrische Planeten beginnen nicht als terrestrische Planeten? Einige könnten als Subneptune starten und durch einen Mechanismus zu terrestrischen Planeten werden, der die primordiale Atmosphäre durch photochemische Prozesse verdampft. Dieser Prozess findet früh in der Entwicklungsgeschichte eines Planeten statt, wenn sein Stern heißer ist“, sagte der Hauptautor Mark Swain vom JPL. „Dann kühlt sich der Stern ab und der Planet ist einfach da. Es gibt diesen Prozess, der die Atmosphäre in den ersten 100 Millionen Jahren quasi wegkochen kann und dann beruhigen sich die Dinge. Und wenn sich die Atmosphäre regenerieren kann, ist sie vielleicht von Dauer.“
In mancher Hinsicht zeigt der 41 Lichtjahre entfernte Planet GJ 1132b Parallelen zur Erde, aber andererseits unterscheidet er sich sehr von ihr. Beide haben eine vergleichbare Dichte, vergleichbare Größen und ein vergleichbares Alter, rund 4,5 Milliarden Jahre. Beide begannen mit einer wasserstoffdominierten Atmosphäre und beide waren heiß, bevor sie sich abkühlten. Die Arbeit des Teams besagt sogar, dass GJ 1132b und die Erde einen ähnlichen atmosphärischen Druck auf der Oberfläche besaßen.
Aber die Planeten haben völlig verschiedene Entwicklungsgeschichten. Die Erde ist vermutlich nicht der überlebende Kern eines Subneptuns. Und die Erde umkreist die Sonne in einer komfortablen Entfernung. GJ 1132b liegt so nah an seinem roten Zwergstern, dass er ihn alle 1,5 Tage umrundet. Diese extreme Nähe hält GJ 1132b in einer gebundenen Rotation, so dass er seinem Stern immer dieselbe Seite zeigt – genau wie unser Mond immer dieselbe Hemisphäre der Erde zuwendet.
„Die Frage ist, was den Mantel heiß genug hält, um flüssig zu bleiben und Vulkanismus anzutreiben“, sagte Swain. „Dieses System ist etwas Besonderes, weil es die Möglichkeiten für eine starke gezeitenbedingte Aufheizung besitzt.“
Video-Link: https://youtu.be/9VuNmjXfmXE
Gezeitenbedingte Aufheizung ist ein Phänomen, das durch Reibung entsteht, wenn die Energie aus der Umlaufbahn und der Rotation eines Planeten in seinem Inneren in Hitze umgewandelt wird. GJ 1132b bewegt sich auf einer elliptischen Umlaufbahn und die Gezeitenkräfte, die auf ihn wirken, sind am stärksten, wenn er seinem Heimatstern am nächsten oder am fernsten ist. In diesem System gibt es mindestens noch einen weiteren Planeten, der ebenfalls gravitativ auf GJ 1132b einwirkt.
Die Folge ist, dass der Planet durch diese gravitativen Effekte gedehnt und gestaucht wird. Diese gezeitenbedingte Aufheizung hält den Mantel über einen langen Zeitraum hinweg flüssig. Ein nahes Beispiel in unserem eigenen Sonnensystem ist Jupiters Mond Io, der aufgrund eines gravitativen Tauziehens mit Jupiter und den anderen Jupitermonden eine ständige vulkanische Aktivität zeigt.
Unter Berücksichtigung des heißen Inneren von GJ 1132b vermutet das Team, dass die kühlere Kruste des Planeten extrem dünn ist, vielleicht nur ein paar hundert Meter. Das ist viel zu instabil, um Vulkanberge zu unterstützen. Seine flache Oberfläche könnte aufgrund der gravitativen Effekte auch von Rissen durchzogen sein. Wasserstoff und andere Gase könnten durch solche Risse entweichen.
„Das kommende James Webb Space Telescope der NASA hat die Fähigkeit, diesen Exoplaneten zu beobachten. Der Infrarotblick des Teleskops könnte Wissenschaftlern erlauben, auf die Oberfläche des Planeten zu blicken. Wenn es dort Magmapools oder Vulkanismus gibt, wären diese Regionen heißer“, erklärte Swain. „Das würde mehr Emissionen produzieren und so würde man vielleicht die tatsächliche geologische Aktivität betrachten – was spannend ist.“
Die Ergebnisse des Teams werde in einer kommenden Ausgabe des Astronomical Journal veröffentlicht.
(THK)
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