Sterne entstehen, wenn die Gravitation das Gas und den Staub in einer interstellaren Wolke zusammenzieht, bis sich Kerne entwickeln, die dicht genug sind, um Sterne zu bilden. Ein dichter Kern in der frühesten Phase dieses Prozesses wird als sternloser Kern bezeichnet. Wenn er begonnen hat, zu einem Stern zu kollabieren, bezeichnet man das Stadium als einen prästellaren Kern.
Prästellare Kerne können unter den kombinierten Auswirkungen der Gravitation, Magnetfelder und turbulenten Bewegungen Einzel- oder Mehrfachsterne hervorbringen, und um den Sternentstehungsprozess zu verstehen, ist es entscheidend, diese und andere Eigenschaften von prästellaren Kernen zu verstehen. Prästellare Kerne in massearmen Molekülwolken wurden intensiv untersucht, zum Teil weil Regionen, in denen massearme Sterne entstehen, relativ nahe liegen und vergleichsweise hell sind.
Sternentstehungsprozesse in massereichen Cluster-Regionen können anders aussehen: Diese Prozesse erschaffen viel mehr massereiche Sterne, die sich im Allgemeinen schneller entwickeln, aber die Untersuchungen von prästellaren Kernen in solchen Regionen sind sehr begrenzt. Infolge dessen wurden kalte, ruhige, prästellare Kerne in massereichen Sternentstehungsregionen nicht eindeutig identifiziert.
Die Astronomen Shanghuo Li, Qizhou Zhang, Howard Smith und Shaye Strom vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) waren die Leiter eines Astronomenteams, das das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) nutzte, um die erste Gruppe massearmer sternloser und prästellarer Kerne in einem massereichen Komplex zu identifizieren. Die infrarotdunkle Molekülwolke, in der sie sie fanden (NGC 6334S), liegt rund 4.000 Lichtjahre entfernt und gehört zu einem viel größeren Komplex mit aktiver Bildung massereicher Sterne.
Mit einer Gesamtmasse von circa 1.300 Sonnenmassen hat NGC 6334S das Potenzial, sowohl massearme Sterne (mit weniger als zwei Sonnenmassen) als auch massereiche Sterne (mit mehr als acht Sonnenmassen) zu bilden. Deswegen ist NGC 6334S ein ideales Labor, um nach prästellaren Phasen massereicher Sterne und der Entstehung von Mehrfachsystemen zu suchen und sie zu erforschen.
Die Astronomen kartierten den Komplex in den Molekül-Emissionslinien, die kaltes, dichtes Gas anzeigen. Die ALMA-Ergebnisse hatten eine räumliche Auflösung von etwa 0,07 Lichtjahren – genug, um einzelne Kerne in dem Komplex zu identifizieren. Sie entdeckten 17 massearme sternlose Kerne mit Massen zwischen 0,13 und 0,87 Sonnenmassen, von denen neun genug Masse aufweisen, um weiterhin zu kollabieren und daher als prästellare Kerne angesehen werden können.
Es gibt dort in der Region auch zahlreiche junge Sterne, die von dem Team charakterisiert wurden. Alle Kerne besitzen Staubtemperaturen von nur zehn Kelvin, und keiner wurde im Infrarotbereich registriert, mit Ausnahme der längsten ferninfraroten Wellenlängen und Submillimeterwellenlängen.
Diese ersten Entdeckungen prästellarer Kerne in einem massereichen Molekülwolkenkomplex offenbaren, dass die massereicheren Kerne in Richtung des Wolkenzentrums zu finden sind. Die weniger massereichen Kerne liegen verstreut in der Wolke. Das Ergebnis unterstützt das Sternentstehungsmodell, laut dem dichte Kerne nahe des Gruppenzentrums größer werden, indem sie mehr Materie ansammeln. Das steht im Widerspruch zu dem alternativen Modell, demzufolge sich die Kerne mit ungefähr ihrer endgültigen Masse bilden.
Abhandlung: „A Low-mass Cold and Quiescent Core Population in a Massive Protocluster“ von Shanghuo Li, Xing Lu, Qizhou Zhang, Chang-Won Lee, Patricio Sanhueza, Henrik Beuther, Izaskun, Jimenez-Serra, Keping Qiu, Aina Palau, Siyi Feng, Thushara Pillai, Kee-Tae Kim, Hong-Li Liu, Josep Miquel. Girart, Tie Liu, Junzhi Wang, Ke Wang, Hauyu Baobab Liu, Howard A. Smith, Di Li, Jeong-Eun Lee, Fei Li, Juan Li, Shinyoung Kim, Nannan Yue und Shaye Strom, Astrophysical Journal Letters 2021.
(THK)
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