Es ist eine Premiere für den Large Hadron Collider (LHC) und tatsächlich auch für Teilchenbeschleuniger allgemein: Die FASER Collaboration hat die ersten Kandidaten für Teilcheninteraktionen von Neutrinos registriert, die durch Kollisionen am LHC entstanden. Die Ergebnisse ebnen den Weg für Untersuchungen hochenergetischer Neutrinos in aktuellen und zukünftigen Teilchenbeschleunigern.
Neutrinos sind die häufigsten, massebehafteten Elementarteilchen im Universum und wurden bei vielen Quellen nachgewiesen. Dennoch wurde bisher kein Neutrino direkt beobachtet, das in einem Teilchenbeschleuniger entstand – und das obwohl Teilchenbeschleuniger sie in großen Mengen produzieren. Die Untersuchung solcher Neutrinos könnte neues Licht auf die immer noch rätselhafte Natur dieser Elementarteilchen werfen, nicht zuletzt weil von Teilchenbeschleunigern in hohen Energiebereichen produziert werden, in denen ihre schwachen Wechselwirkungen mit Materie kaum untersucht wurden.
Der FASERv-Detektor des FASER-Experiments und der kürzlich genehmigte SND@LHC-Detektor wurden beide entwickelt, um Neutrinos von Teilchenbeschleunigern einzufangen. Man geht davon aus, dass sie im Laufe des Jahres am LHC installiert werden und mit der Datensammlung beginnen, wenn der Teilchenbeschleuniger im kommenden Jahr 2022 wieder in Betrieb geht. Allerdings hat die FASER Collaboration bereits mit einer kleineren Pilotversion von FASERv Daten gesammelt, kurz bevor der LHC Ende 2018 aufgrund von Wartungsarbeiten und Upgrades heruntergefahren wurde. Die Daten umfassten Proton-Proton-Kollisionen in einem Zeitraum von vier Wochen.
Nach der Analyse der Daten des Pilotdetektors und der Abschätzung von Teilchenereignissen im Hintergrund, die das Signal der Neutrino-Wechselwirkungen überdecken könnten, fand das FASER-Team mehrere Kandidatenereignisse für Neutrinos, die im Teilchenbeschleuniger entstanden. Das Ergebnis hat eine statistische Signifikanz von 2,7 Standardabweichungen, was kurz unterhalb der drei Standardabweichungen liegt, die in der Teilchenphysik für einen Beobachtungsbeleg eines Teilchens oder Prozesses erforderlich sind.
„Das Ziel des Pilotdetektors lag darin, die Durchführbarkeit von Neutrinomessungen in der experimentellen Umgebung des LHC zu demonstrieren“, sagte der Co-Sprecher der FASER Collaboration, Jamie Boyd. „Deswegen sind wir sehr erfreut darüber, dass dieser kleine Detektor, der nur etwa ein Prozent des fertigen Detektors ausmacht, uns erlaubte, die ersten Kandidatenereignisse für Neutrino-Wechselwirkungen an einem Teilchenbeschleuniger zu sehen.“
Das Team erwartet, mit dem vollständigen FASERv-Detektor beim nächsten Betriebslauf des LHC von 2022 bis 2024 etwa 20.000 Neutrino-Wechselwirkungen zu beobachten.
(THK)
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