Forscher finden eine hohe Biodiversität unter dem Eisschelf der Antarktis

Fragmente von Moostierchen, die auf dem Meeresboden gefunden wurden. (Credits: David Barnes)
Fragmente von Moostierchen, die auf dem Meeresboden gefunden wurden. (Credits: David Barnes)

Tief unter dem Eisschelf der Antarktis gibt es mehr marines Leben als erwartet. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die am 20. Dezember 2021 im Journal Current Biology veröffentlicht wurde.

Obwohl sie fast 1,6 Millionen Quadratkilometer bedecken, gehören Eisschelfe zu den am wenigsten bekannten Umgebungen auf der Erde. Kameras haben Leben in diesen immer dunklen, kalten und ruhigen Habitaten aufgezeichnet, aber es wurde nur selten gesammelt.

Mit heißem Wasser bohrten Wissenschaftler des Alfred Wegener Instituts, Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung im Jahr 2018 zwei Löcher durch die fast 200 Meter des Ekström Eisschelfs in der Nähe der Neumayer Station III im südöstlichen Weddellmeer. Die dortige Umgebung ist harsch und sehr kalt.

Die auf dem Meeresboden gesammelten Fragmente des Lebens waren außergewöhnlich und komplett unerwartet. Obwohl sie mehrere Kilometer vom offenen Meer entfernt sind, war die biologische Vielfalt der gesammelten Exemplare extrem reichhaltig. Sie war sogar größer als in vielen Proben aus offenen Gewässern auf dem Kontinentalschelf, wo es Licht und Nahrungsquellen gibt.

Das Team entdeckte 77 Arten, darunter säbelförmige Moostierchen wie Melicerita obliqua und Kalkröhrenwürmer wie Paralaeospira sicula; das ist mehr als bisher über diesen gesamten Lebensraum bekannt war.

Der Hauptautor Dr. David Barnes, ein Meeresbiologe des British Antarctic Survey, sagte: „Diese Entdeckung von so viel Leben in diesen extremen Bedingungen kam völlig überraschend und erinnert uns daran, warum antarktisches marines Leben so einzigartig und speziell ist. Es ist erstaunlich, dass wir Belege für so viele Tierarten fanden, von denen sich die meisten von Mikroalgen (Phytoplankton) ernähren, obwohl keine Pflanzen oder Algen in dieser Umgebung leben können. Die große Frage lautet also: Wie überleben und gedeihen diese Tiere hier?“

Das Team schlussfolgerte, dass unter dem Eisschelf genug Algen aus dem offenen Meer transportiert werden müssen, um ein starkes Nahrungsnetz zu versorgen. Mikroskopische Untersuchungen der Proben zeigten überraschenderweise, dass das jährliche Wachstum von vier Arten mit ähnlichen Tieren in offenen marinen Lebensräumen in der Antarktis vergleichbar war.

Der Co-Autor Dr. Gerhard Kuhn vom Alfred Wegener Institut koordinierte das Bohrprojekt und sagte: „Eine andere Überraschung war herauszufinden, wie lange das Leben hier existiert hat. Die Kohlenstoffdatierung von toten Fragmenten dieser Meeresbodentiere variierte von aktuell bis 5.800 Jahre. Obwohl sie sich 3-9 Kilometer von den nächsten offenen Gewässern befand, könnte unter dem Eisschelf fast 6.000 Jahre lang eine Oase des Lebens existiert haben. Nur Proben vom Meeresboden unter dem schwimmenden Eisschelf werden uns die Geschichten aus ihrer Vergangenheit erzählen.“

Aktuelle Theorien darüber, wie Leben unter Eisschelfen überleben könnte, vermuten, dass alles Leben weniger häufig vorkommt, je weiter man sich von den offenen Gewässern und dem Sonnenlicht entfernt. Frühere Studien haben einige kleine mobile Raubtiere wie Fische, Würmer, Quallen oder Krill in diesen Lebensräumen gefunden. Aber man vermutete, dass filtrierende Organismen, die von einer Nahrungsversorgung aus oberen Schichten abhängen, zu den ersten Arten gehören würden, die unter dem Eis verschwinden. Das Team betonte auch, dass die Zeit für die Untersuchung und den Schutz dieser Ökosysteme mit dem Klimawandel und dem Zusammenbrechen dieser Eisschelfe abläuft.

Abhandlung: „Richness, growth, and persistence of life under an Antarctic ice shelf“ von David K.A. Barnes, Gerhard Kuhn, Claus-Dieter Hillenbrand, Raphael Gromig, Nikola Koglin, Boris K. Biskaborn, Bettina A.V. Frinault, Johann P. Klages und Julian Gutt.

Quelle

(THK)

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