Eine Erklärung für die fingerähnlichen Strukturen in manchen Sonnenflares

Abwärtsströmungen in einer Sonneneruption. (Credits: NASA / SDO)
Abwärtsströmungen in einer Sonneneruption. (Credits: NASA / SDO)

Im Januar 1999 beobachteten Wissenschaftler rätselhafte Bewegungen innerhalb eines Sonnenflares. Im Gegensatz zu typischen Flares, die hell von der Sonne nach außen eruptierten, zeigte dieser Flare auch einen nach innen gerichteten Bewegungsstrom, so als würde Materie zurück auf die Sonne fallen. Dieses Phänomen wurde als „downward-moving dark voids“ bezeichnet und Astronomen fragten sich, was genau sie beobachtet hatten.

In einer Studie, die am 27. Januar 2022 im Journal Nature Astronomy veröffentlicht wurde, geben Astronomen vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) eine neue Erklärung für die schlecht verstandenen Abwärtsströmungen, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft nun als „supra-arcade downflows“ bezeichnet werden.

„Wir wollten wissen, wie diese Strukturen entstehen“, sagte der Hauptautor und Astronom Chengcai Shen, der die Strukturen als „dunkle, fingerähnliche Formen“ beschreibt. „Wodurch entstehen sie und hängen sie tatsächlich mit der magnetischen Rekonnexion zusammen?“

Wissenschaftler haben seit ihrer Entdeckung in den 1990er Jahren vermutet, dass diese Strukturen mit der magnetischen Rekonnexion zusammenhängen. Der Prozess tritt auf, wenn Magnetfelder zusammenbrechen und schnelle und extrem energiereiche Strahlung freisetzen, bevor sie sich neu anordnen.

„Auf der Sonne hat man viele Magnetfelder, die alle in völlig unterschiedliche Richtungen weisen. Letztendlich werden die Magnetfelder zusammengedrückt bis zu dem Punkt, an dem sie sich neu ausrichten und große Mengen Energie in der Form eines Sonnenflares freisetzen“, sagte die Co-Autorin und Astronomin Kathy Reeves. „Es ist wie das Ziehen an einem Gummiband und es in der Mitte schnacken lassen. Es steht unter Spannung, so dass es zurückschnacken wird.“

Forscher vermuteten, dass die dunklen Abwärtsströmungen Anzeichen für das „Zurückschnacken“ eines zusammengebrochenen Magnetfelds zur Sonne nach einer Sonneneruption waren.

Aber es gab einen Haken. Die meisten der von den Wissenschaftlern beobachteten Abwärtsströmungen sind „rätselhaft langsam“, sagte der Co-Autor Bin Chen, ein Astronom am New Jersey Institute of Technology. „Das wird von den klassischen Rekonnexionsmodellen nicht vorhergesagt, laut denen die Abwärtsströmungen viel schneller sein sollten. Das ist ein Widerspruch, der eine andere Erklärung verlangt.“

Um festzustellen, was passiert war, analysierte das Team Bilder der Abwärtsströmungen, die vom Atmospheric Imaging Assembly (AIA) an Bord des Solar Dynamics Observatory aufgenommen wurden. Das Instrument wurde teilweise am CfA entworfen und konstruiert und wird vom Lockheed Martin Solar Astrophysics Laboratory betrieben. Es nimmt alle zwölf Sekunden Bilder der Sonne in sieben verschiedenen Wellenlängen auf, um Veränderungen in der Sonnenatmosphäre zu messen.

Dann erstellten sie 3D-Simulationen der Sonnenflares und verglichen sie mit den Beobachtungen. Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Abwärtsströmungen nicht durch die magnetische Rekonnexion entstanden. Stattdessen bilden sie sich von selbst in der turbulenten Umgebung und sind die Folge zweier interagierender Fluide mit unterschiedlichen Dichten.

https://www.cfa.harvard.edu/sites/default/files/2022-01/JHV_2020-12-01_01-07-46_0.mp4
Animation der Abwärtsströmungen während einer Sonneneruption. (Credits: NASA SDO / Sijie Yu)

Reeves sagte, die Forscher würden im Grunde dasselbe sehen, was geschieht, wenn Wasser und Öl vermischt werden: Die beiden Fluide mit verschiedenen Dichten werden instabil und trennen sich letztendlich. „Diese dunklen, fingerähnlichen Voids repräsentieren tatsächlich eine Abwesenheit von Plasma. Die Dichte ist dort viel geringer als in dem umgebenden Plasma.“

Das Team plant weitere Beobachtungen dieser Abwärtsströmungen und anderer Sonnenphänomene mittels 3D-Simulationen, um die magnetische Rekonnexion besser zu verstehen. Durch das Verstehen der Prozesse, die Sonnenflares und -eruptionen antreiben, könnten sie schließlich bei der Entwicklung von Werkzeugen helfen, um das Weltraumwetter vorherzusagen und dessen Auswirkungen zu reduzieren.

Andere Co-Autoren der Studie sind Xiaoyan Xie vom CfA, Sijie Yu vom New Jersey Institute of Technology und Vanessa Polito vom Bay Area Environmental Research Institute.

Quelle

(THK)

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