In einer neuen Studie stellen Forscher der University of Massachusetts in Amherst ein physikalisches Modell vor, das einen beispiellosen, hochauflösenden Blick auf die Verschiebungsraten von Verwerfungen zeigt, die die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben bestimmen. Die Studie wurde kürzlich im Journal Geology veröffentlicht.
Die meisten von uns stellen sich eine Verwerfungslinie als einen riesigen Riss in der Erde vor, wo zwei tektonische Platten miteinander kollidieren. Wenn Geologen an Verwerfungen denken, sehen sie jedoch ein sich verzweigendes System aus tausenden einzelner Verwerfungen. „Je genauer man es betrachtet, desto mehr findet man und wenn man es detailliert anschaut, wird das Bild sehr komplex“, sagte Michele Cooke, ein Professor für Geowissenschaften an der UMass Amherst und Co-Autor der Studie.
Eine solche Komplexität macht es schwierig, genau zu verstehen, was an irgendeinem gegebenen Ort innerhalb des Systems passiert – ganz zu schweigen von einer Vorhersage, wann und wo ein Erdbeben auftreten wird. Um das Bild noch mehr zu verwischen, liegt der Großteil der einzelnen Verwerfungen meterdick unter Erde begraben oder wird durch Vegetation verdeckt, so dass sie nicht direkt beobachtet werden können. Außerdem entwickeln sich Verwerfungssysteme im Laufe von tausenden, zehntausenden oder sogar Millionen Jahren. Daher haben Geologen allgemeine Verschiebungsraten für gesamte Verwerfungssysteme erstellt und debattieren darüber, wie sie sich entwickeln.
In einer neuen Studie nutzten die Autoren ein physikalisches Modell über die Größe eines Spülbeckens und füllten es vorsichtig mit Porzellanerdenton, der etwa die Konsistenz von Laban aufweist, welcher sich ähnlich verhält wie die Erdkruste, sagte Hanna Elston, die Hauptautorin der Studie und Doktorandin der Geowissenschaften an der UMass Amherst. Am Boden des Modells liegen zwei Platten, die präzise bewegt werden können. Elston und ihre Co-Autoren schnitten dann vorsichtig den Ton, um eine Verwerfung zu erzeugen. Im Zeitraum von vier Stunden, die einer Simulation von einer Million Jahren entsprechen, bewegten sie die Platten um zwölf Zentimeter, während sie mit einer Reihe Überkopfkameras Bilder aufnahmen. Die Bilder konnten sie verwenden, um die Verschiebungsraten und die Mechanik ihrer simulierten Verwerfungen zu bestimmen.
Die Präzision der ersten Technik dieser Art, die von Elston und ihren Co-Autoren entwickelt wurde, erlaubt ihnen, die Verschiebungsraten an bestimmten Orten entlang Verwerfungen mit beispielloser Genauigkeit zu verfolgen. Das wiederum kann eine Aufzeichnung liefern, die Wissenschaftler direkt mit Feldstudien vergleichen können, um die Verschiebungsrate an irgendeinem bestimmten Punkt entlang einer Verwerfung zu schätzen.
Das Modell spiegelt nicht nur echte Verwerfungen wider, sondern erlaubte Elston und ihren Kollegen auch die Beobachtung zweier verschiedener Phänomene, die niemand zuvor gesehen hat: Erstens zeigte das Modell, dass die Verschiebungsraten an einem bestimmten Ort der Verwerfung mit fortschreitender Entwicklung variieren können. Zweitens zeigte das Team, dass die Verschiebungsraten interaktiv sind – die Rate kann sich infolge von variierenden Raten in anderen nahen Verwerfungen an vielen unterschiedlichen Punkten entlang einer Verwerfung verändern.
„Diese Studie gibt uns den bislang genauesten Blick auf die Entwicklung von Verwerfungen, was bei der Beurteilung von seismischen Gefahren helfen könnte“, sagte Elston. Und das ist erst der Anfang. Die Forschungsarbeit dieser Studie wurde von der National Science Foundation unterstützt und repräsentiert einen Machbarkeitsnachweis der Analysetechniken des Teams. Zukünftige Projekte werden 3D-Rekonstruktionen der zeitlichen Entwicklung von Verwerfungen erstellen.
(THK)
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