Die Sternentstehungsprozesse in der Milchstraßen-Galaxie treten hauptsächlich in langen, dichten Gas- und Staubfilamenten auf, die sich die Spiralarme entlangziehen. Sie werden auch als „Knochen“ bezeichnet, weil sie die dichteste skelettale Spiralstruktur der Milchstraße darstellen, und sind mindestens 50 Mal länger als breit, wobei sie als Ganzes einheitliche Bewegungen entlang ihrer Längen beschreiben.
Obwohl die meisten wichtigen physikalischen Eigenschaften dieser Strukturen bekannt sind, ist unser Wissen über die Eigenschaften ihrer Magnetfelder recht überschaubar. Diese Felder können eine Schlüsselrolle dabei spielen, das Gas und den Staub am Gravitationskollaps zu hindern oder dabei helfen, die Materieströme entlang der Knochenstrukturen in Kerne zu kanalisieren, die neue Sterne bilden.
Magnetfelder sind im Weltraum sehr schwer zu messen. Die gängigste Methode stützt sich auf die Emission von nicht-kugelförmigen Staubkörnchen, die ihre kurzen Achsen an der Richtung des Magnetfeldes ausrichten. Das resultiert in einer Infrarotemission, die vorzugsweise senkrecht zu dem Feld polarisiert ist. Die Messung dieses schwachen Polarisationssignals und die Ableitung der Feldstärke und -richtung wurden jüngst mit dem HAWC+-Instrument an Bord des Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy (SOFIA) mit seinem 2,5-Meter-Telescope erleichtert. SOFIA fliegt bis zu knapp 14.000 Meter hoch über dem Großteil des atmosphärischen Wasserdampfs, der ferninfrarote Wellenlängen aus dem Weltraum absorbiert.
Die Astronomen Ian Stephens, Phil Myers, Catherine Zucker und Howard Smith vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) leiteten ein Team, dass das HAWC+-Instrument verwendete, um das Magnetfeld entlang der Knochenstruktur G47.06+0.26 detailliert zu kartieren. Dieses Filament ist etwa 190 Lichtjahre lang, fünf Lichtjahre breit und hat eine Masse von 28.000 Sonnenmassen mit einer typischen Staubtemperatur von 18 Kelvin. Die IRAC-Kamera an Bord des Weltraumteleskops Spitzer hatte die Struktur bereits kartiert, um die jungen Sternentstehungsregionen entlang seiner Länge zu identifizieren.
Die Astronomen stellten fest, wo entlang der Struktur das Magnetfeld imstande ist, das Gas am Kollaps zu neuen Sternen zu hindern und wo es zu schwach dafür ist. Sie kartierten auch Regionen mit geringer Dichte, in denen das Feld eine komplexere Gestalt aufweist. G47.06+0.26 das erste Objekt, das im Rahmen eines umfangreicheren Programms zur Kartierung der Magnetfelder in zehn der 18 bekannten Knochenstrukturen in der Milchstraßen-Galaxie untersucht wurde. Nachdem eine Analyse dieser größeren statistischen Stichprobe abgeschlossen ist, gehen die Forscher davon aus, dass sie die Stärke und Ausrichtung der Felder präziser beziffern können, die die Entwicklung der Knochenstrukturen und der Sternentstehungsregionen beeinflussen.
Abhandlung: „The Magnetic Field in the Milky Way Filamentary Bone G47“ von Ian W. Stephens, Philip C. Myers, Catherine Zucker, James M. Jackson, B-G Andersson, Rowan Smith, Archana Soam, Cara Battersby, Patricio Sanhueza, Taylor Hogge, Howard A. Smith, Giles Novak, Sarah Sadavoy, Thushara Pillai, Zhi-Yun Li, Leslie W. Looney, Koji Sugitani, Simon Coude, Andres Guzman, Alyssa Goodman, Takayoshi Kusune, Fabio P. Santos, Leah Zuckerman und Frankie Encalada, The Astrophysical Journal (in press) 2022.
(THK)
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