Nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause fand am vergangenen langen Wochenende das 29. Internationale Teleskoptreffen Vogelsberg (ITV) statt, oder – wie man es auch nennen könnte – das ITV 1 n. C. (nach Corona). Der Standort am Campingpark Gederner See nordöstlich von Frankfurt am Main bietet einen dunklen Himmel und ist ideal für visuelle Beobachtungen und fotografische Ambitionen. Da das Treffen um Neumond herum stattfindet, liegt der Fokus hier im Bereich Deepsky, also Objekte jenseits unseres Sonnensystems. Dazu zählen beispielsweise Galaxien, Sternhaufen oder auch Gasnebel.
Endlich angekommen…
Da wir bereits auf einigen Teleskoptreffen waren, bot es sich an, den dunklen Himmel für eine längere Zeit zu nutzen, so dass wir schon ein paar Tage vor dem offiziellen Beginn des ITV 2022 unser Zelt an unserem Stammplatz aufschlugen. Und mit dem Gedankengang waren wir auch nicht allein: Einige andere Astronomie-Fans hatten es sich mit ihren Zelten, Wohnwagen und Wohnmobilen auf den weitläufigen Wiesen des ITV-Geländes gemütlich gemacht.
Die Zeltwiesen selbst werden für das ITV reserviert, so dass man für die Dauer des Treffens nur mit ITV-Anmeldung (oder mit Besucherkarte) Zugang hat. Die Vorgehensweise ist sehr sinnvoll, insbesondere vor dem Hintergrund der eher schlechten Erfahrungen, die wir dort in den letzten zwei Jahren im Sommer außerhalb des ITV-Rahmens mit dem zumeist jugendlichen „Party-Volk“ machen mussten.
Schon der zweite Abend belohnte uns mit einem schönen Sonnenuntergang (siehe Titelbild). Und tagsüber hatten wir ein paar nette Gespräche über dies und das. Man erkennt sich von den früheren Teleskoptreffen auch nach zweijähriger Pause noch wieder, was ja ein gutes Zeichen ist.
Das Wetter war in den ersten Tagen recht unbeständig: Sonne, Wolken und Starkregen im Wechsel. Aber das Tolle an der Community ist, dass man auch bei schlechtem Wetter über die verschiedensten Themen fachsimpeln kann – von Teleskoptechnik über Bildbearbeitung bis hin zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Astronomie. Und dann ist man bei strömendem Regen auf dem Weg zu den sanitären Anlagen, sieht ein bekanntes Gesicht und unterhält sich minutenlang angeregt über die Vor- und Nachteile von apochromatischen Refraktoren bei der Deepsky-Fotografie. Ein kleines bisschen verrückt scheinen wir alle zu sein.
Und als Bonus kam dann auch noch die Internationale Raumstation ISS vorbeigeflogen. Das Sichtbarkeitsfenster der ISS neigte sich allerdings dem Ende zu, so dass die letzten Überflüge der Raumstation recht flach waren, was für Detailaufnahmen relativ ungünstig ist. Als Strichspur ist sie aber auch immer ein Hingucker.
Mittlerweile waren auch Freunde eingetroffen, die mit ihren Wohnmobilen zielstrebig auf ihre Stammplätze gefahren waren. Man hat zwar Kontakt über Smartphone und Social Media, aber das gemeinsame Beobachten und die Gespräche live vor Ort fehlten in den vergangenen zwei Jahren doch sehr – hier waren wir uns alle einig.
Das Wetter war immer noch unbeständig, ließ aber hier und da kurzzeitig schöne Sonnenbeobachtungen in kleineren Wolkenlücken zu. Die Wolkenlücken wurden natürlich für Beobachtungen im Weißlicht und in der H-Alpha-Wellenlänge genutzt. Dabei kamen verschiedenste Instrumente zum Einsatz ((*) = Affiliatelink).
Sonne
Für H-Alpha-Beobachtungen der Sonne kann man beispielsweise ein DayStar Sonnenfilter QUARK H-Alpha, Chromosphäre (*) einsetzen, so wie Heinrich. Dieses Gerät hat den Vorteil, dass es schnell und einfach an nahezu jeden Refraktor adaptiert werden kann, so dass man die physikalische Brennweite der Optik nutzen kann. Hier wird ab einem Öffnungsdurchmesser von 80 Millimetern nur ein zusätzlicher Energieschutzfilter empfohlen. Unterm Strich wäre dies aber immer noch deutlich günstiger als ein natives H-Alpha-Teleskop in der entsprechenden Größe. Ein kleiner Nachteil im Vergleich zu den H-Alpha-Teleskopen ist, dass dieses Gerät nur mit einer Powerbank betrieben werden kann, da es etwas Strom benötigt.
Jochen und Ramona von „Gegenüber“ setzen dagegen auf ein klassisches H-Alpha-Teleskop, ein Coronado PST mit 40 Millimetern Öffnungsdurchmesser und 400 Millimetern Brennweite. Hier ist die Brennweite fest vorgegeben und kann nur mit Barlowlinsen verändert werden. Und wie es bei Teleskoptreffen so ist, neigt man gerne mal dazu, das eigene Equipment mit den Optiken und Instrumenten anderer Astro-Enthusiasten zu kombinieren. So entstand auch das folgende Bild: Meine QHY Kamera 5L-IIc Color (*) Planetenkamera an Jochens Coronado PST, der hierfür nicht nur das Teleskop zur Verfügung stellte, sondern freundlicherweise auch noch seinen Schatten. Das Fokussieren gestaltete sich durch die blendende Sonne auf dem Display dennoch etwas schwierig, aber die Protuberanzen und Filamente sind eindeutig erkennbar.
Kurz vor dieser spontanen Aktion haben wir noch eine Wolkenlücke für eine Beobachtung im Weißlicht genutzt. Die zu der Zeit noch sichtbare große Fleckengruppe befand sich bereits nah am Sonnenrand und wäre am nächsten Tag kaum noch zu sehen gewesen. Diese Sonnenbeobachtung wurde mit einem Skywatcher Maksutov Teleskop MC 90/1250 SkyMax EQ-1 (*) (oder bei Amazon (*)) auf einer NEQ6-Montierung gemacht (hier die Nachfolgeversion Skywatcher Montierung EQ6-R Pro SynScan GoTo (*)). Als Filter diente die bewährte Baader Sonnenfilterfolie AstroSolar® OD 5.0 A4 210x297mm (*) (oder bei Amazon (*)). Aufgenommen wurde das Bild (beziehungsweise das Rohdatenvideo für das gestackte Bild) mit der oben erwähnten Planetenkamera. Das Seeing war zum Zeitpunkt der Aufnahme allerdings nicht besonders gut, so dass das Ergebnis nicht ganz so scharf ist wie unter besseren Bedingungen. Meine Vorgehensweise beim Stacking des Rohmaterials hab ich hier im Tutorial für Sonnenfotografie mit Planetenkamera beschrieben.
Viele Astronomie-Fans…
Unterm Strich ein schöner Einstand für den offiziellen Beginn des ITV 2022 am 25. Mai. Und wie man weiter unten sieht, hatten sich bis dahin auch noch mehr Astronomie-Fans eingefunden. Das Schöne an diesem Hobby ist seine Vielseitigkeit. Man kann sich auf Beobachtungsobjekte wie Mond, Planeten, Sonne oder Deepsky spezialisieren, aber man muss es nicht. Genau so kann man sich für visuelle Beobachtungen oder Astrofotografie entscheiden – aber man kann auch beides machen. Es hat schon einen Grund, warum viele Hobby-Astronomen Instrumente für Astrofotografie und größere Optiken für visuelles Beobachten mit zum ITV bringen: Während die Kameras automatisch vor sich hinknipsen und Aufnahmen der gewünschten Objekte machen, beobachtet man, was man gerade möchte (sofern die Wolken es zulassen).
Ein bisschen Deepsky…
In der Nacht auf den 28. Mai bot sich dann die erste Gelegenheit für eine längere Deepsky-Fotosession mit dem Skywatcher Teleskop N 130/650 Explorer 130PDS OTA (*), der parallel zu dem 90er-Maksutov-Teleskop auf der NEQ6 montiert ist. Das Newton-Teleskop ist im Vergleich zu dem Maksutov-Teleskop aber wesentlich lichtstärker, was gerade bei Deepsky-Aufnahmen von Vorteil ist. Als Motiv für die erste Fotosession diente der Mondsichelnebel oder auch Crescent-Nebel NGC 6888 im Sternbild Schwan. Der Himmel schien etwas dunstig zu sein, aber insgesamt kamen 55 Bilder mit jeweils drei Minuten Belichtungszeit zusammen, aufgenommen mit einer modifizierten Canon EOS 600da.
Am nächsten Tag schlenderten einige Besucher über das ITV-Gelände, die offenbar neugierig waren und vorher noch nie so viele Teleskope auf einem Haufen gesehen hatten. Und natürlich wurden Fragen gestellt, die viele Aspekte der Amateurastronomie abdeckten – vom Einsteiger-Setup für Mondbeobachtung bis hin zu aufwändigen Fotosetups für Deepsky. Wenn seitens der interessierten Einsteiger die entsprechenden Informationen gegeben werden, kann man zumindest grobe Tipps geben, mit denen man das zugegebenermaßen sehr breite Angebot an Teleskopen und Equipment etwas eingrenzen kann – ergänzend dazu sei hier der Ratgeber zum Teleskopkauf erwähnt.
Neben den ausdrücklich erwünschten Einsteigern und netten Gesprächspartnern kommen am Gederner See aber gelegentlich auch ausdrücklich unerwünschte Gesellen vorbei, beispielsweise dieses Exemplar einer Pferdebremse (zum Glück männlich, daher ungefährlich). Auch der Käfer, der sich uns nicht namentlich vorgestellt hat, ist harmlos.
Ebenfalls mit dem 130/650-Newton-Teleskop entstand in der nächsten Nacht das folgende Bild des Pelikannebels IC 5070, ein Emissionsnebel, der ebenfalls im Sternbild Schwan zu finden ist. Hier waren es 20 Aufnahmen mit jeweils drei Minuten Belichtungszeit bei nicht ganz wolkenfreiem Himmel.
Es geht auf den Sommer zu. Vorteil: Es wird ziemlich spät dunkel und man kann abends noch gemütlich mit Freunden zusammensitze, Essen und Spaß haben. Nachteil: Es wird ziemlich spät dunkel und man hat weniger Zeit, um Astrobilder zu machen. Andererseits macht es Spaß, sich beim Aufbau und bei der Einrichtung der verschiedenen Setups gegenseitig zu unterstützen. Gerade in der Astrofotografie gibt es nicht das Nonplusultra. Es gibt viele Wege, um ein Ziel zu erreichen, und manchmal helfen Tipps von Leuten, die andere Vorgehensweisen haben.
Die Wetterprognose für unsere letzte Nacht auf dem heiligen ITV-Rasen zeigte zunächst durchziehende Wolkenfelder an, aber dann tat sich wirklich noch eine größere Lücke auf, die für 14 Aufnahmen des Nordamerikanebels (NGC 7000) mit dem Samyang 135mm Objektiv (*) reichte, jede mit zwei Minuten Belichtungszeit.
Das Fazit in Kurzform: Endlich wieder ein offizielles ITV mit netten Leuten, interessanten Gesprächen und (relativ) gutem Wetter für Beobachtungen und Astrobilder. Etwas schade war die coronabedingte Absage der Prämierung der Selbstbauten, die sonst immer der Höhepunkt des letzten Tages war. Aber vielleicht findet sie ja im nächsten Jahr wieder statt. Wir hoffen das Beste und freuen uns auf das 30. Internationale Teleskoptreffen Vogelsberg – ein Jubiläums-ITV, das kann nur gut werden.
Grüße gehen raus an…
- Ramona und Jochen für die lustigen Abende (und Jochen, denk nächstes Jahr mal an den Fernauslöser, ja? ;))
- Heinrich für die Gespräche und Tipps zur Sonnenbeobachtung
- Daniel für die Tipps zu ASIAIR
- Rosel und Norbert, die leider nicht da waren, aber vermisst wurden
- Klaus und den Rest des Coma-Haufens
- das MASH, weil Tradition
- Bernhard und das ITV-Team für die Organisation
- Alle anderen, mit denen wir uns nett unterhalten haben
Clear Skies
(THK)
Antworten