Ein internationales Forschungsteam aus China, den Vereinigten Staaten und Deutschland hat mit dem ALMA Observatorium eine Akkretionsscheibe mit zwei Spiralarmen um einen jungen Stern nahe des Zentrums unserer Milchstraßen-Galaxie entdeckt. Zu dem Team gehörte auch Qizhou Zhang vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA).
Die Scheibe könnte durch eine nahe Begegnung mit einem vorbeiziehenden Objekt gestört worden sein, was dann zur Bildung der Spiralarme führte, schreibt das Team in einer kürzlich im Journal Nature Astronomy veröffentlichten Studie.
Akkretionsscheiben um junge Sterne oder Protosterne werden auch protostellare Scheiben genannt und sind grundlegende Komponenten der Sternentstehung, weil sie wachsenden Sternen ständig Gas aus der Umgebung zuführen. In dieser Hinsicht sind sie wie stellare Kinderkrippen, in denen Sterne geboren werden und sich weiterentwickeln. Akkretionsscheiben um sonnenähnliche, massearme Protosterne wurden in den letzten Jahrzehnten ausgiebig untersucht, was zu einer Fülle an theoretischen und praktischen Erkenntnissen geführt hat.
Bei massereichen Protosternen wie dem in dieser Studie beobachteten Stern, insbesondere bei jungen Sternen des O-Typs mit mehr als 30 Sonnenmassen, ist es noch unklar, ob und welche Rolle Akkretionsscheiben bei ihrer Entstehung spielen. Diese massereichen Sterne sind bis zu hunderttausende Male heller als die Sonne, was die nähere Umgebung in ihrer Galaxie stark beeinflusst. Daher ist es von großer Wichtigkeit, die Entstehung von massereichen Sternen zu verstehen.
Die Zentralregion der Milchstraßen-Galaxie, das sogenannte galaktische Zentrum, liegt rund 26.000 Lichtjahre entfernt und stellt eine einzigartige und wichtige sternbildende Umgebung dar. Das supermassive Schwarze Loch Sagittarius A*, das im Zentrum der Milchstraßen-Galaxie liegt, ist das bekannteste Objekt in der Region.
Außerdem gibt es dort ein massereiches Reservoir aus molekularem Gas, hauptsächlich in der Form von molekularem Wasserstoff (H2), was das Rohmaterial für die Sternentstehungsprozesse ist. Wenn erst einmal der Gravitationskollaps im Gange ist, wird das Gas Sterne produzieren. Allerdings sind direkte Beobachtungen der Sternentstehungsregionen um das galaktische Zentrum anspruchsvoll aufgrund der beträchtlichen Entfernung und der Kontamination durch Gas im Vordergrund zwischen dem galaktischen Zentrum und der Erde. Ein sehr hohes Auflösungsvermögen, kombiniert mit hoher Empfindlichkeit, ist erforderlich, um Einzelheiten der Sternentstehung in dieser Region aufzulösen.
Für diese Studie hat das Forschungsteam die Langbasisbeobachtungen von ALMA genutzt, um eine Auflösung von 40 Millibogensekunden zu erreichen. Mit diesen hochempfindlichen und hochaufgelösten ALMA-Beobachtungen entdeckte das Team die Akkretionsscheibe. Die Scheibe hat einen Durchmesser von etwa 4.000 Astronomischen Einheiten und umgibt einen Protostern (genauer einen Protostern des O-Typs) mit rund 32 Sonnenmassen.
„Dieses System gehört zu den massereichsten Protosternen mit Akkretionsscheibe und repräsentiert die erste direkte Abbildung einer protostellaren Akkretionsscheibe im galaktischen Zentrum“, sagte Zhang. „Die Entdeckung spricht dafür, dass die Entstehung massereicher, junger Sterne des O-Typs eine Phase mit Akkretionsscheiben durchläuft.“
Dem Team zufolge könnte es noch interessanter sein, dass die Scheibe zwei deutlich sichtbare Spiralarme zeigt. Solche Spiralarme erinnern an jene in Spiralgalaxien, aber werden nur selten in protostellaren Scheiben beobachtet. Spiralarme können in Akkretionsscheiben entstehen, wenn sie aufgrund gravitativer Instabilitäten fragmentiert werden. Die in dieser Studie entdeckte Scheibe ist jedoch heiß und turbulent und damit in der Lage, ihre Gravitation im Gleichgewicht zu halten.
Das Team registrierte ein Objekt von etwa drei Sonnenmassen rund 8.000 Astronomische Einheiten von der Scheibe entfernt. Durch eine kombinierte Analyse von analytischen Lösungen und numerischen Simulationen konnten die Forscher ein Szenario rekonstruieren, in dem ein Objekt vor mehr als 10.000 Jahren an der Scheibe vorbeiflog und sie störte, was zur Bildung der Spiralarme führte.
„Die numerische Simulation passt perfekt zu den ALMA-Beobachtungen. Wir schlussfolgern, dass die Spiralarme in der Scheibe die Relikte des Vorbeiflugs des Objekts sind“, sagte Xing Lu vom Shanghai Astronomical Observatory der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der Hauptautor der Studie.
Diese Entdeckung demonstriert, dass Akkretionsscheiben in den ersten Entwicklungsstadien der Sternentstehung häufigen dynamischen Prozessen wie nahen Begegnungen ausgesetzt sind, was die Bildung der Sterne und Planeten grundlegend beeinflussen würde. Es ist interessant zu erwähnen, dass nahe Begegnungen auch in unserem Sonnensystem stattgefunden haben. Ein Doppelsternsystem mit der Bezeichnung Scholz‘ Stern flog vor etwa 70.000 Jahren an unserem Sonnensystem vorbei und drang dabei möglicherweise in die Oortsche Wolke ein und schickte Kometen auf den Weg in das innere Sonnensystem.
Diese Studie deutet darauf hin, dass solche Vorbeiflüge bei massereicheren Sternen (insbesondere in der dichten Umgebung um das galaktische Zentrum) auch häufig vorkommen sollten. „Die Entstehung von Sternen sollte ein dynamischer Prozess mit vielen noch ungelösten Rätseln sein“, sagte Lu. „Mit weiteren hochauflösenden ALMA-Beobachtungen gehen wir davon aus, dass wir diese Rätsel der Sternentstehung lösen.“
(THK)
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