Der Chicxulub-Einschlag erzeugte gigantische globale Tsunamis

Die modellierte Meeresoberfläche 24 Stunden nach dem Asteroideneinschlag. Das Bild zeigt Ergebisse des MOM6-Modells. (Credit: From Range et al. in AGU Advances, 2022)
Die modellierte Meeresoberfläche 24 Stunden nach dem Asteroideneinschlag. Das Bild zeigt Ergebisse des MOM6-Modells. (Credit: From Range et al. in AGU Advances, 2022)

Der kilometergroße Asteroid, der vor ungefähr 66 Millionen Jahren die Erde traf, löschte fast alle Dinosaurier und rund drei Viertel der Pflanzen- und Tierarten auf dem Planeten aus. Er erzeugte auch einen gigantischen Tsunami mit kilometerhohen Wellen, die den Meeresboden noch tausende Kilometer vom Einschlagort auf der mexikanischen Yucatan-Halbinsel entfernt umpflügten. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie unter Leitung der University of Michigan.

Die Studie wurde am 4. Oktober 2022 im Journal AGU Advances veröffentlicht und stellt die erste globale Simulation des Chicxulub-Einschlagtsunamis in einem wissenschaftlichen Peer-Review-Journal dar. Außerdem bewerteten die Forscher der University of Michigan nochmals die geologischen Aufzeichnungen von mehr als 100 Stätten weltweit und fanden Belege, welche die Voraussagen ihres Modells bezüglich der Bahn und Kraft des Tsunamis unterstützen.

„Dieser Tsunami war stark genug, um Sedimente in Ozeanbecken auf der anderen Seite der Erde aufzuwühlen und zu erodieren, so dass entweder eine Lücke in den Sedimentaufzeichnungen oder eine Anhäufung älterer Sedimente zurückblieb“, sagte die Hauptautorin Molly Range. Range führte die Modellierungsstudie für eine Masterarbeit unter dem Ozeanografen und Co-Autor Brian Arbic und dem Paläoozeanografen und Co-Autor Ted Moore durch.

Energiereicher Einschlag

Die Neubetrachtung der geologischen Aufzeichnungen konzentrierte sich auf Grenzsektionen – das sind Meeressedimente, die kurz vor oder nach dem Asteroideneinschlag und dem anschließenden Kreide-Paläogen-Massensterben abgelagert wurden, was die Kreidezeit beendete. (Anm. d. Red.: Das Paläogen ist der auf die Kreidezeit folgende Abschnitt in der Erdgeschichte. Ebenso wie die Kreidezeit ist es ein sogenanntes chronostratigrafisches System; es begann vor rund 66 Millionen Jahren und endete vor ungefähr 23 Millionen Jahren mit dem Beginn des nachfolgenden Systems namens Neogen.)

„Die Verteilung der Erosion und der Lücken, die wir in den obersten Meeressedimenten aus der Kreidezeit beobachteten, stimmen mit unseren Modellergebnissen überein, was uns mehr Vertrauen in die Vorhersagen des Modells gibt“, sagte Range, die das Projekt als Studentin in Arbics Labor im Department of Earth and Environmental Sciences begann.

Die Autoren berechneten, dass die Anfangsenergie des Einschlagtsunamis bis zu 30.000 Mal höher war als die Energie des Tsunamis nach dem Erdbeben im Indischen Ozean im Dezember 2004. Letzterer tötete mehr als 230.000 Menschen und ist einer der größten Tsunamis in den modernen Aufzeichnungen.

Die Simulationen des Teams zeigen, dass der Einschlagtsunami hauptsächlich nach Osten und Nordosten in den Nordatlantik ausstrahlte und sich durch den Zentralamerikanischen Seeweg (der zu jener Zeit noch Nord- und Südamerika trennte) weiter in den Südpazifik ausbreitete.

In diesen Ozeanbecken und in manchen benachbarten Gebieten überschritten die Geschwindigkeiten der Unterwasserströmungen wahrscheinlich 20 Zentimeter pro Sekunde. Das ist eine Geschwindigkeit, die hoch genug ist, um feinkörnige Sedimente auf dem Meeresboden zu erodieren.

Im Gegensatz dazu waren der Südatlantik, der Nordpazifik, der Indische Ozean und der heutige Mittelmeerraum weitgehend vor den stärksten Auswirkungen des Tsunamis geschützt, wie die Simulation des Teams ergab. In diesen Gebieten waren die Strömungsgeschwindigkeiten wahrscheinlich geringer als die 20cm/s-Grenze.

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Video-Link: https://youtu.be/hy6wfjqFBE0

 

Geologische Bestätigung

Für die Neubetrachtung der geologischen Aufzeichnungen analysierte Moore die veröffentlichten Aufzeichnungen von 165 marinen Grenzsektionen und konnte aus 120 davon nützliche Informationen gewinnen. Die meisten Sedimente stammten aus Bohrkernen, die im Rahmen von wissenschaftlichen Bohrungsprojekten entnommen und gesammelt wurden.

Der Nordatlantik und der Südpazifik besaßen die wenigsten Stätten mit vollständigen, ungestörten Grenzsedimenten. Im Gegensatz dazu wurden die größte Anzahlen an vollständigen Grenzsektionen im Südatlantik, im Nordpazifik, im Indischen Ozean und im Mittelmeerraum gefunden.

„Wir fanden Bestätigungen in den geologischen Aufzeichnungen für die vorhergesagten Gebiete mit maximaler Auswirkung im offenen Ozean“, sagte Arbic, ein Professor für Geo- und Umweltwissenschaften. Er beaufsichtigte das Projekt. „Die geologischen Hinweise bekräftigen die Studie definitiv.“

Den Autoren zufolge sind Aufschlüsse der Kreide-Paläogen-Grenze an den östlichen Küsten der Nord- und Südinsel Neuseelands von besonderer Bedeutung, die mehr als 12.000 Kilometer vom Einschlagort auf Yucatan entfernt liegen.

Die stark gestörten und unvollständigen Sedimente aus Neuseeland werden als olistostromale Ablagerungen bezeichnet und wurden ursprünglich für das Ergebnis einer lokalen tektonischen Aktivität gehalten. Aber im Hinblick auf das Alter der Ablagerungen und ihren Standort direkt in der vorhergesagten Bahn des Chicxulub-Einschlagtsunamis vermutet das Forschungsteam einen anderen Ursprung.

„Wir denken, dass diese Ablagerungen die Auswirkungen des Einschlagtsumanis aufzeichnen, und das ist vielleicht die überzeugendste Bestätigung für die globale Bedeutung dieses Ereignisses“, sagte Range.

Modelle vergleichen

Der Modellteil der Studie verwendete eine zweistufige Strategie. Zunächst simulierte ein großes Computerprogramm (genannt Hydrocord) die chaotischen ersten zehn Minuten des Ereignisses, zu dem der Einschlag, die Kraterbildung und die Erzeugung des Tsunamis gehörten. Diese Arbeit wurde vom Co-Autor Brandon Johnson von der Pudue University durchgeführt.

Ausgehend von den Ergebnissen früherer Studien modellierten die Forscher einen Asteroiden mit 14 Kilometern Durchmesser, der sich mit zwölf Kilometern pro Sekunde bewegt. Er traf auf die Granitkruste, die von dicken Sedimentschichten bedeckt war, und auf seichte Gewässer, was einen etwa 100 Kilometer großen Krater erzeugte und dichte Wolken aus Ruß und Staub in die Atmosphäre schleuderte.

Zweieinhalb Minuten nach dem Einschlag drückte ein Vorhang aus ausgeworfenem Material eine Wasserwand vom Einschlagort nach außen und bildete eine 4,5 Kilometer hohe Welle, die mit dem Zurückfallen des Materials zur Erde abklang.

Zehn Minuten, nachdem der Asteroid Yucatan getroffen hatte, und etwa 220 Kilometer vom Einschlagort entfernt, breitete sich eine 1,5 Kilometer hohe Tsunamiwelle ringförmig nach außen aus und begann der Simulation zufolge im Anschluss daran in alle Richtungen durch die Meere zu laufen.

Nach der Zehn-Minuten-Marke wurden die Ergebnisse von Johnsons iSALE-Hydrocord-Simulationen in zwei Tsunamiausbreitungsmodelle (MOM6 und MOST) eingepflegt, um die Riesenwellen im Ozean zu verfolgen. MOM6 wurde zur Simulation von Tsunamis im tiefen Ozean verwendet, und die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) nutzt das MOST-Modell zur Tsunamivorhersage in ihren Warnzentren.

Die modellierte Meeresoberfläche mit Höhenunterschieden ungefähr vier Stunden nach dem Asteroideneinschlag auf der Yucatan-Halbinsel, gemessen in Metern. Das Bild zeigt Ergebnisse des MOM6-Modells. (Credit: From Range et al. in AGU Advances, 2022)
Die modellierte Meeresoberfläche mit Höhenunterschieden ungefähr vier Stunden nach dem Asteroideneinschlag auf der Yucatan-Halbinsel, gemessen in Metern. Das Bild zeigt Ergebnisse des MOM6-Modells. (Credit: From Range et al. in AGU Advances, 2022)

„Das wichtige Ergebnis hier ist, dass zwei globale Modelle mit verschiedenen Formeln fast identische Resultate erbrachten und dass die geologischen Daten über vollständige und unvollständige Sektionen mit unsere Ergebnissen übereinstimmen“, sagte Moore, ein emeritierter Professor für Geo- und Umweltforschung. „Die Modelle und die Verifizierungsdaten passen gut zusammen.“

Weitere Einzelheiten der Simulation:

  • Eine Stunde nach dem Einschlag hatte sich der Tsunami bis über den Golf von Mexiko hinaus in den Nordatlantik ausgebreitet.
  • Vier Stunden nach dem Einschlag hatten die Wellen den Zentralamerikanischen Seeweg passiert und waren in den Pazifik vorgedrungen.
  • 24 Stunden nach dem Einschlag hatten die Wellen den Großteil des Pazifiks von Osten her und den Großteil des Atlantik von Westen her überquert und drangen von beiden Seiten in den Indischen Ozean vor.
  • Bis 48 Stunden nach dem Einschlag hatten erhebliche Tsunamiwellen die meisten Küstenlinien weltweit erreicht.

Dramatische Wellenhöhen

Für die aktuelle Studie versuchten die Forscher nicht, das Ausmaß der von dem Tsunami hervorgerufenen Überschwemmungen an den Küsten abzuschätzen.

Ihre Modelle deuten jedoch darauf hin, dass die Wellenhöhen im offenen Meer im Golf von Mexiko höher als 100 Meter gewesen sein könnten und eine Höhe von mehr als zehn Metern erreicht haben könnten, als der Tsunami sich den nordatlantischen Küstengebieten und Teilen der südamerikanischen Pazifikküste näherte.

Als sich der Tsunami diesen Küstenlinien näherte und auf seichte Gewässer traf, wären die Wellenhöhen dramatisch angestiegen durch einen Prozess, der als Shoaling bezeichnet wird. Die Strömungsgeschwindigkeiten hätten an den meisten Küsten weltweit die 20cm/s-Grenze überschritten.

„Abhängig von den Geometrien der Küstengebiete und der fortschreitenden Wellen wären die meisten Küstenregionen bis zu einem gewissen Ausmaß betroffen und erodiert worden“, so die Studienautoren. „Jeder historisch dokumentierte Tsunami verblasst im Vergleich zu solch globalen
Auswirkungen.“

Nachfolgestudien

Laut Arbic ist eine Nachfolgestudie geplant, um das Ausmaß der weltweiten Küstenschäden zu modellieren. Diese Studie wird von Vasily Titov vom Pacific Marine Environmental Lab der NOAA geleitet werden, der an dieser Studie als Co-Autor mitarbeitete.

Neben Range, Arbic, Moore, Johnson und Titov wirkten Alistair Adcroft (Princeton University), Joseph Ansong (University of Ghana), Christopher Hollis (Victoria University of Wellington), Jeroen Ritsema (University of Michigan), Christopher Scotese (PALEOMAP Project) und He Wang (Geophysical Fluid Dynamics Laboratory (NOAA) / University Corporation for Atmospheric Research) an der Studie mit.

Die Finanzierung wurde von der National Science Foundation und dem University of Michigan Associate Professor Support Fund bereitgestellt, der durch die Margaret and Herman Sokol Faculty Awards unterstützt wird. Die MOM6-Simulationen wurden auf dem Flux-Supercomputer der University of Michigan Advanced Research Computing Technical Services durchgeführt.

Quelle

(THK)

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