Vor mehr als 500 Jahren kauften und verkauften die Maya in den Hochländern Guatemalas Güter mit deutlich weniger Aufsicht durch ihre Herrscher, als viele Archäologen bislang vermuteten.
Das ist das Ergebnis einer neuen Studie im Journal Latin American Antiquity, laut der die herrschende K’iche’-Elite einen interventionsfreien Ansatz verfolgte, was die Verwaltung der Beschaffung und des Handels von Obsidian durch Menschen außerhalb ihres Herrschaftsbereichs angeht.
In diesen Gebieten wurde der Zugang zu nahen Obsidianquellen (ein glasähnliches Gestein, das zur Herstellung von Werkzeugen und Waffen verwendet wurde) von ortsansässigen Menschen mittels unabhängiger und vielseitiger Beschaffungsnetze geregelt. Im Laufe der Zeit resultierten die Verfügbarkeit von Obsidianressourcen und die Verbreitung von Handwerkern, die es verarbeiteten, in einem System, dass in vielerlei Hinsicht den heutigen marktbasierten Ökonomien glich.
„Gelehrte haben gemeinhin angenommen, dass der Obsidianhandel von den Maya-Herrschern geleitet wurde, aber unsere Studie zeigt, dass dies zumindest in diesem Gebiet nicht der Fall war“, sagte Rachel Horowitz, die leitende Autorin der Studie und Assistenzprofessorin für Anthropologie an der Washington State University. „Menschen scheinen ein gutes Gespür für ökonomische Freiheit zu haben – dazu zählt auch die Möglichkeit, an Orte zu gehen, die mit heutigen Supermärkten vergleichbar sind, und Güter von Handwerkern zu kaufen und zu verkaufen.
Obwohl es zur politischen Organisation umfangreiche geschriebene Aufzeichnungen aus der postklassischen Maya-Zeit gibt, ist viel weniger darüber bekannt, wie die gesellschaftlichen Eliten die wirtschaftliche Macht ausübten. Horowitz wandte sich dieser Wissenslücke für die K’iche’ zu, indem sie die Produktion und Verteilung von Obsidian-Artefakten untersuchte, die von Archäologen als Indikator genutzt werden, um den Grad der wirtschaftlichen Entwicklung in einer Region zu bestimmen.
Sie führte geochemische und technologische Analysen der Obsidian-Artefakte aus 50 Ausgrabungsstätten rund um die K’iche’-Hauptstadt Q’umarkaj und Umgebung durch, um festzustellen, woher das Rohmaterial ursprünglich stammte und wie es bearbeitet wurde.
Ihre Ergebnisse zeigten, dass die K’iche’ ihren Obsidian aus ähnlichen Quellen in der zentralen K’iche’-Region und Q’umarkaj erhielten, was für einen hohen Grad an zentralisierter Kontrolle spricht. Die herrschende Elite schien auch den Handel mit wertvolleren Formen von ortsfremdem Obsidian zu leiten, insbesondere Pachua-Obidian aus Mexiko, basierend auf seiner Häufigkeit in diesen zentralen Orten.
Außerhalb dieser Kernregion, in Gebieten, die von den K’iche’ erobert wurden, gab es jedoch weniger Ähnlichkeiten der wirtschaftlichen Obsidian-Netzwerke. Horowitz‘ Analyse lässt darauf schließen, dass diese Orte Zugang zu ihren eigenen Obsidianquellen besaßen und dass sie spezialisierte Orte entwickelten, wo die Menschen hingehen konnten, um Klingen und andere nützliche Gebrauchsgegenstände von den Experten zu kaufen.
„Seit langer Zeit gab es diese Theorie, dass Menschen in der Vergangenheit keine Marktökonomien hatten, was etwas verrückt ist, wenn man einmal darüber nachdenkt. Warum sollten diese Menschen in der Vergangenheit keine Märkte gehabt haben?“, sagte sie. „Je länger wir es betrachten, desto besser erkennen wir, dass es dort viele verschiedene Art und Weisen gab, worin sich das Leben dieser Menschen und unser Leben ähneln.“
Das Middle American Research Institute der Tulane University stellte Horowitz die Obsidianklingen und andere Artefakte für die Studie zur Verfügung. Die Artefakte wurden in den 1970er Jahren ausgegraben.
Horowitz sagte, sie plane mehr von der Sammlung zu untersuchen, wovon sich der Rest in Guatemala befindet, um weitere Einzelheiten zu entdecken, wie die Maya handelten, ihre wirtschaftlichen Systeme verwalteten und allgemein ihr Leben lebten.
(THK)
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