Ein „schöner Effekt“, der von der Quantenelektrodynamik vorhergesagt wird, kann die rätselhaften ersten Beobachtungen von polarisierten Röntgenstrahlen eines Magnetars erklären. Ein Magnetar ist ein Neutronenstern, der über ein starkes Magnetfeld verfügt.
Der extrem dichte und heiße Überrest eines massereichen Sterns besitzt ein Magnetfeld, das 100 Billionen Mal stärker als das der Erde ist. Man hatte erwartet, hochgradig polarisierte Röntgenstrahlung zu finden, was bedeutet, dass das elektromagnetische Feld der Strahlung nicht zufällig schwingt, sondern eine bevorzugte Ausrichtung hat.
Forscher waren jedoch überrascht, als der Imaging X-ray Polarimetry Explorer (IXPE) Satellit letztes Jahr registrierte, dass die energieärmeren und energiereicheren Röntgenstrahlen unterschiedlich polarisiert wurden, wobei die elektromagnetischen Felder rechtwinklig zueinander stehen.
Dieses Phänomen kann natürlicherweise als eine Folge der Photonenmetamorphose erklärt werden. Das sei eine Umwandlung von Röntgenphotonen, die theoretisch vorhergesagt, aber bisher nie direkt beobachtet wurde, so der Professor für Astrophysik Dong Lai vom College of Arts and Sciences an der Cornell University.
„In dieser Beobachtung der Strahlung eines fernen Himmelskörpers sehen wir einen schönen Effekt, der eine Manifestation grundlegender Physik ist“, sagte Lai. „Die Quantenelektrodynamik ist eine der erfolgreichsten physikalischen Theorien, aber sie wurde nicht unter den Bedingungen in solch starken Magnetfeldern überprüft.“
Lai ist der Autor der Studie mit dem Titel „IXPE Detection of Polarized X-rays from Magnetars and Photon Mode Conversion at QED Vacuum Resonance„, die am 18. April 2023 in den Proceedings of the National Academy of Sciences erschien.
Die Forschung stützt sich auf Berechnungen von Lao und Wynn Ho, die vor 20 Jahren veröffentlicht wurden, und bezieht Beobachtungen des rund 13.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Cassiopeia liegenden Magnetars 4U 0142+61 ein, über den die NASA im letzten November berichtete.
Die Qantenelektrodynamik, die die mikroskopischen Interaktionen zwischen Elektronen und Photonen beschreibt, sagt voraus, dass Röntgenphotonen die dünne Neutronenstern-Atmosphäre aus heißem, magnetisierten Gas (Plasma) verlassen und dabei eine Phase durchlaufen, die als Vakuumresonanz bezeichnet wird.
Lai zufolge können sich elektrisch neutrale Photonen dort vorübergehend in Paare aus „virtuellen“ Elektronen und Positronen umwandeln, die von dem superstarken Magnetfeld des Magnetars sogar im Vakuum beeinflusst werden – ein Prozess namens Vakuumdoppelbrechung. Kombiniert mit einem damit zusammenhängenden Prozess, der Plasmadoppelbrechung, werden laut Lais Analyse Bedingungen geschaffen, unter denen die Polarität hochenergetischer Röntgenstrahlen um 90 Grad relativ zu den energiearmen Röntgenstrahlen schwingt.
„Man kann sich die Polarisation wie zwei ‚Flavors‘ eines Photons vorstellen“, sagte er. „Ein Photon wandelt sich plötzlich von einem Flavor in das andere um – normalerweise sieht man so etwas nicht. Aber es ist eine natürliche Folge der Physik, wenn man die Theorie unter diesen extremen Bedingungen anwendet.“
Die IXPE-Mission sah die Polarisation in den Beobachtungen eines anderen Magnetars (1RXS J170849.0-400910) mit einem sogar noch stärkeren Magnetfeld nicht schwingen. Lai sagte, das stimme mit seinen Berechnungen überein, die darauf hindeuten, dass die Vakuumresonanz und die Photonenmetamorphose sehr tief innerhalb eines solchen Neutronensterns auftreten würde.
Lai sagte, seine Interpretation der IXPE-Beobachtungen des Magnetars 4U 0142+61 halfen, sein Magnetfeld und seine Rotationsgeschwindigkeit einzugrenzen und ließen darauf schließen, dass seine Atmosphäre wahrscheinlich aus teilweise ionisierten schweren Elementen besteht.
Aktuell durchgeführte Röntgenbeobachtungen von einigen der extremsten Objekte im Universum, darunter Neutronensterne und Schwarze Löcher, ermöglichen Forschern, das Verhalten von Materie unter Bedingungen zu untersuchen, die im Labor nicht nachgebildet werden können. Sie ergänzen das Wissen über die Schönheit und Vielfalt des Universums.
„Die IXPE-Beobachtungen haben ein neues Fenster für die Untersuchung der Oberflächenumgebung von Neutronensternen aufgestoßen“, sagte Lai. „Das wird zu neuen Einblicken in diese rätselhaften Objekte führen.“
(THK)
Antworten