Das Jubiläums-ITV 2023 und eine kleine Schönwetterkatastrophe

Mond-Venus-Konjunktion. (Credits: astropage.eu)
Mond-Venus-Konjunktion. (Credits: astropage.eu)

Und wieder war es soweit: Das Internationale Teleskoptreffen Vogelsberg (ITV) 2023 in Gedern stand auf dem Programm, gefolgt von ein paar Tagen Astro-Camping. Das ITV gehört zu den größten Teleskoptreffen Europas und zieht nicht nur Hobby-Astronomen und Astrofotografen aus ganz Deutschland zum Campingpark am Gederner See, sondern auch Sterngucker aus den umliegenden Ländern, darunter die Niederlande, die Schweiz. Teilweise gibt es sogar Besucher aus Spanien.

Dieses Jahr gab es ein Jubiläum zu feiern: Zum 30. Mal kamen Astronomie-Interessierte nach Hessen, wo es anfangs noch in Stumpertenrod in der Wetterau stattfand. Seit 2007 wird das ITV auf dem Campingpark am Gederner See in dem gleichnamigen kleinen Städtchen organisiert. Zu diesem Zweck werden mehrere große (wirklich große!) Zeltwiesen für die Dauer des Treffens reserviert. In diesem Zeitraum werden auch etwaige Lichtquellen ausgeschaltet oder abgeklebt, so dass man den wunderschönen, dunklen Himmel genießen kann.

Jedenfalls wenn das Wetter mitspielt. Die Aussichten sahen zunächst nicht so gut aus: wolkig, regnerisch mit ein wenig Sonne zwischendurch. Und genau so sah es am Tag der Anreise – Samstag vor Beginn des ITV – auch aus. Aber das Timing war perfekt: Der Regen wartete, bis das Zelt aufgebaut war. Zum Abend hin wurde es trockener, aber an längere Beobachtungen oder gar Astrofotografie war noch nicht zu denken. Und so bestand das Ziel für die erste Nacht darin, das Equipment aufzubauen und zumindest schon einigermaßen ordentlich einzunorden, was auch ganz gut funktioniert hat.

Auf den Zeltwiesen waren bereits bei unserer Ankunft überraschend viel los und auch am Sonntag fuhren einige Neuankömmlinge zielstrebig zu den scheinbar angestammten Plätzen, manche wie wir mit Zelt, Sack und Pack, andere mit Wohnmobilen fast aller Größen. Zu letzteren gehörten auch unsere „Nachbarn“ Jochen und Ramona (Gruß ins Erzgebirge), alte Freunde, kann man fast schon sagen. Und nachdem sie das Wohnmobil in die Waage gebracht hatten, wurden Prioritäten gesetzt: Montierung und Teleskop aufbauen.

Das diesjährige erste Astrofoto entstand in der Nacht zum Montag unter „matschigem“ Himmel – anders konnte man die noch sehr feuchte Luft mit durchziehenden Wolken kaum nennen. Es zeigt ein recht bekanntes Objekt mit der Katalogbezeichnung M57 – der sogenannte Ringnebel im Sternbild Leier. Es ist ein planetarischer Nebel, der das Endstadium im Leben eines sonnenähnlichen Sterns darstellt. Aufgrund seiner Helligkeit und weil er relativ einfach zu finden ist, dient er oft als klassisches Einsteigerobjekt. Das Bild wurde mit einem kleinen Apochromatischen Refraktor AP 80/560 Photoline OTA (*) und passendem TS Optics Reducer Flattener Photoline 0,8x 2″ Reducer (*) gemacht, was für den Ringnebel eigentlich etwas zu wenig Brennweite ist. Daher schaut er ziemlich klein aus. Nachgeführt wurde auf einer älteren NEQ6 (hier das Nachfolgemodell EQ6-REQ6-R Pro SynScan GoTo (*)).

Der Ringnebel M57. (Credits: astropage.eu)
Der Ringnebel M57. (Credits: astropage.eu)

In der folgenden Nacht entstand unter ähnlichen Bedingungen mit demselben Equipment dieses Bild des Hantelnebels M27, ebenfalls ein planetarischer Nebel.

Der Hantelnebel M27. (Credits: astropage.eu)
Der Hantelnebel M27. (Credits: astropage.eu)

Für etwas Abwechslung sorgten visuelle Beobachtungen verschiedener recht heller Galaxien und Sternhaufen, die ebenfalls im Messier-Katalog aufgelistet sind. Anekdote am Rande: Der nach dem französischen Astronomen Charles Messier benannte und von ihm erstellte Katalog ist im Grunde genommen ein Frust-Ergebnis. Messier war eigentlich auf der Suche nach Kometen, aber wenn er glaubte, einen Kometen gefunden zu haben, stellte sich oft heraus, dass es kein Komet war, sondern ein Nebel oder ein Sternhaufen oder eine Galaxie. Um solche Verwechslungen zukünftig zu vermeiden, katalogisierte er 110 Objekte am Himmel – den sogenannten Messier-Katalog.

Das folgende Bild zeigt zwei Galaxien, die ebenfalls in diesem Katalog genannt werden: „Bodes Galaxie“ M81 und die Zigarrengalaxie M82. Entstanden ist es mit demselben Equipment wie oben erwähnt, lediglich die Belichtungseinstellungen und die Anzahl der Aufnahmen sind von Motiv zu Motiv unterschiedlich, weil sie an die aktuell herrschenden Bedingungen angepasst werden müssen.

Die Galaxien M81 und M82. (Credits: astropage.eu)
Die Galaxien M81 und M82. (Credits: astropage.eu)

Zwischendurch ließ sich auch eine alte Bekannte blicken: Die Internationale Raumstation ISS hatte zu der Zeit wieder ein Sichtbarkeitsfenster und zog grob aus Westen kommend quer über den Himmel.

Die Internationale Raumstation ISS beim Überflug. (Credits: astropage.eu)
Die Internationale Raumstation ISS beim Überflug. (Credits: astropage.eu)

Auf dem letzten Bild lässt sich erahnen, wie viele Astronomie- und Astrofotografiebegeisterte sich mittlerweile auf den Zeltwiesen eingefunden hatten. Der offizielle Beginn des ITV war erst am nächsten Tag und doch herrschte bereits in den letzten Tagen reger Betrieb. So voll war es zu der Zeit nicht bei jedem ITV (vom MASH mal abgesehen, das auch immer recht früh vor Ort ist). Möglicherweise lag es daran, dass dieses Jahr das 30. Jubiläums-ITV stattfand. Zumindest war das Jubiläum auch Thema einiger Gespräche, ebenso wie die typischen Fachsimpeleien zu Montierungen, Teleskopen, Kameras, Filtern, Steuerungssysteme und, und, und.

Beispielhaft sei Daniel (Gruß nach Niedersachsen) erwähnt, unser Quasi-Nachbar von der Wiese gegenüber, den wir letztes Jahr kennenlernten. Letztes Jahr noch mit einem kleinen Newton-Teleskop unterwegs, hatte er zwischenzeitlich aufgerüstet auf ein Cassegrain, gesteuert via ASIair. Die ZWO ASIAIR PLUS (*) (Hier auf Amazon (*)) ist eine beliebte Lösung, um Montierung und Kamera automatisch zu steuern und aus der Ferne zu überwachen.

Die Sache mit der Aufrüstung (oder Umstellung) des Equipments ist in der Szene nicht unüblich – schließlich ist es ja so, dass man nicht jedes Objekt mit jedem Teleskop und jeder Kamera gleich gut beobachten oder fotografieren kann. Auch wir haben seit dem letzten ITV etwas umgestellt: Von einem kleinen Newton-Teleskop auf den oben erwähnten Apo-Refraktor. Gesteuert wird das Equipment auch automatisch per Fernzugriff, allerdings nicht mit der ASIAIR, sondern mit einem herkömmlichen Windows-Mini-PC (*), auf dem die Open-Scource-Software N.I.N.A. installiert ist.

Der Abend des ersten offiziellen ITV-Tages begann wieder mit einem Überflug der ISS, wie immer begleitet von mehr oder weniger flüsternd gebrüllten Hinweisen aus allen Richtungen, dass die ISS gerade zu sehen ist. Stativ hingestellt, Kamera und Objektiv draufgepackt, Timer angeschlossen und los geht es. Viel mehr ist für den Einstieg in die Astrofotografie nicht nötig. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise auch schöne Sternstrichspurbilder oder Zeitraffer erstellen.

Überflug der Internationalen Raumstation ISS. (Credits: astropage.eu)
Überflug der Internationalen Raumstation ISS. (Credits: astropage.eu)

Das Ziel der Nacht war ein Teil eines riesigen Supernova-Überrests, genauer gesagt die sogenannte Knochenhand NGC 6992 im Sternbild Schwan. Das Bild basiert auf nur 60 Minuten Gesamtbelichtungszeit und sollte als weiterer Test der Optik und der automatischen Steuerung durch NINA dienen.

NGC 6992. (Credits: astropage.eu)
NGC 6992. (Credits: astropage.eu)

Sehr unschön war der Umstand, dass in mindestens einer Nacht professionelle Diebe unterwegs waren, die es ausschließlich auf Bargeld abgesehen hatten. Zum Glück waren wir (vermutlich dank des sehr, sehr aufmerksamen Hundes) nicht betroffen, aber für die Bestohlenen ist es natürlich schade und trübt die Freude am ITV. Wir sind ziemlich sicher, dass im kommenden Jahr noch mehr und genauer aufeinander geachtet wird – das ist ja auch kein Problem. Man kennt sich, wenn auch nur vom Sehen oder von kurzen Fachsimpeleien.

Ein bisschen ITV-Stimmung am Tag. Blick auf die letzte Wiese. (Credits: astropage.eu)
Ein bisschen ITV-Stimmung am Tag. Blick auf die letzte Wiese. (Credits: astropage.eu)

 

Ein bisschen ITV-Stimmung am Tag. Blick auf den Hauptweg. (Credits: astropage.eu)
Ein bisschen ITV-Stimmung am Tag. Blick auf den Hauptweg. (Credits: astropage.eu)

Natürlich durften die tierischen Besucher auch in diesem Jahr nicht fehlen. Spinnen & Co. waren herzlich willkommen, die obligatorischen Mücken hielten sich dieses Jahr erfreulicherweise zurück. Solche Makro-Schnappschüsse sind mal eine nette Abwechslung von der Astrofotografie, aber auch hier zeigen sich sehr interessante Welten.

Spinne auf Nahrungssuche (Teil 1). (Credits: astropage.eu)
Spinne auf Nahrungssuche (Teil 1). (Credits: astropage.eu)

 

Spinne auf Nahrungssuche (Teil 2). (Credits: astropage.eu)
Spinne auf Nahrungssuche (Teil 2). (Credits: astropage.eu)

Eine Tradition ist die Prämierung der Selbstbauten. Trotz der technischen Möglichkeiten, die man in dem Bereich mittlerweile zur Verfügung hat, gibt es hier und da noch reichlich Potenzial für Verbesserungen. Natürlich hängt das im Wesentlich davon ab, was man beobachten oder fotografieren möchte und mit welchem Equipment. Begeisterte Selbstbauer tüfteln herum und bauen beispielsweise eigene Instrumente oder bauen bestehendes Equipment um. Schöne Beispiele dafür sind Bino-Dobson-Teleskope – quasi riesige Ferngläser. Diese Teleskope gibt es in der Form nicht zu kaufen; sie müssen umgebaut werden. Und um die Begeisterung und die Mühe, die dahintersteckt, geht es bei der Prämierung. Als Belohnung winken Okulare oder anderes nützliches Equipment, vom Initiator oft mit einem Augenzwinkern überreicht.

Prämierung der Selbstbauten. (Credits: astropage.eu)
Prämierung der Selbstbauten. (Credits: astropage.eu)

Eine besondere Erwähnung hat R.A.M.O.T.S. verdient, das Realtime Automatic Moving Object Tracking System. Es ist ein per Joystick steuerbares Teleskop mit hoher Brennweite, das mittels mehrerer angeschlossener Kameras und Optiken schnelle Objekte wie Flugzeuge oder die Internationale Raumstation verfolgen und fotografieren kann. Konstruiert und weiterentwickelt wird es von einer Jugendgruppe, die mit dem Instrument auch schon mehrere Wettbewerbe gewann. Ein sehr cooles Projekt, das mehr oder weniger spontan beim ITV Halt machte.

R.A.M.O.T.S., fest montiert auf einem Anhänger. (Credits: astropage.eu)
R.A.M.O.T.S., fest montiert auf einem Anhänger. (Credits: astropage.eu)

Wirklich positiv an der Amateurastronomie- und Astrofotografieszene ist die gute Vernetzung. Wenn irgendwo am Himmel etwas interessantes passiert, spricht sich das schnell herum. Als Beispiel sei hier unser Quasi-Nachbar Daniel erwähnt, der uns mitteilte, dass in der Pinwheel-Galaxie M101 wohl eine neue Supernova zu sehen ist. Und gefühlt war es so, dass in der kommenden Nacht praktisch jeder versuchte, dieses Ereignis entweder visuell zu beobachten oder zu fotografieren. Auch wir haben aus Spaß an der Freude die Galaxie mal ein paar Stunden lang anvisiert und Bilder aufgenommen. Trotz dunstiger Luft (und nicht exakt getroffenem Fokus) ist die Supernova namens SN 2023ixf eindeutig sichtbar – also ein erfolgreicher Nachweis.

M101 mit der neuen Supernova SN 2023ixf. (Credits: astropage.eu)
M101 mit der neuen Supernova SN 2023ixf. (Credits: astropage.eu)

 

Fazit: Abgesehen von den Dieben ein schönes Jubiläums-ITV mit vielen netten Menschen, interessanten Gesprächen und tollen Beobachtungen, sei es visuell oder fotografisch. Das vorgenommene Ziel – die Erprobung von N.I.N.A. mit dem aktuellen Equipment unter Livebedingungen – war erfolgreich. Wir freuen uns auf nächstes Jahr.

Grüße gehen raus an…
Bernhard, Simon & das ITV-Team für die Organisation
das MASH (Tradition und so)
den COMA-Haufen (auch Tradition und so)
unseren Quasi-Nachbarn Daniel (danke für das Brot)
Jörg (danke für die Chips und Dip)
Ramona und Jochen (lustig war‘s wie immer)
Rosel, Norbert und Heinfred (ihr wurdet vermisst)
Hans, Igor und das Campingplatz/Securityteam

 

Aber… das war noch nicht alles. Es folgte eine kurze Schönwetterkatastrophe mit Gelegenheiten zur Sonnen- und Mondbeobachtung. Zunächst einmal begegneten sich der Mond und die Venus am 23. Mai 2023, was als Konjunktion bezeichnet wird. Konjunktionen zwischen dem Mond und den Planeten oder hellen, markanten Sternen kommen relativ häufig vor und sind ein schönes Motiv, sowohl visuell als auch fotografisch.

Mond-Venus-Konjunktion am Abend des 23. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)
Mond-Venus-Konjunktion am Abend des 23. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)

Der zunehmende Mond selbst ist natürlich auch ein tolles Motiv für Detailaufnahmen, weil das Sonnenlicht dann schräg auf die Oberfläche trifft und längere Schatten hervorruft, was wiederum zu dem typischen plastischen Eindruck der Strukturen wie Kratern oder Gebirgen führt. Um den Vollmond herum trifft das Sonnenlicht fast frontal auf die Oberfläche, so dass die Schatten kurz sind und somit erheblich weniger Kontraste entstehen. Der Vollmond wirkt auf Bildern immer etwas „matschig“, daher ist er zwar ein schönes Motiv für Weitwinkelaufnahmen mit einer in Mondlicht getauchten Landschaft, aber kein dankbares Objekt für Detailaufnahmen. Die folgenden drei Bilder veranschaulichen gut, wie sich die Kontraste und das plastische Aussehen der Strukturen insbesondere in der Nähe der Tag-Nacht-Grenze von Tag zu Tag verändern.

Die Bilder entstanden ebenfalls mit dem oben erwähnten 80/560 ED Apo, jedoch ohne Reducer und stattdessen mit einer 2,5xPowermate Barlowlinse (*), die die Brennweite des Systems auf 1.400 Millimeter erhöht. In Kombination mit einer Planetenkamera wie der QHY Kamera 5L-IIc Color (*) und zu einem Mosaik zusammengefügt, ergibt sich ein entsprechend großer Mond.

Der zunehmende Mond am 26. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)
Der zunehmende Mond am 26. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)

 

Der zunehmende Mond am 27. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)
Der zunehmende Mond am 27. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)

 

Der zunehmende Mond am 28. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)
Der zunehmende Mond am 28. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)

 

Zum Abschluss der kleinen Schönwetterkatastrophe gab es nochmal ein paar beachtliche Sonnenflecken…

Sonnenflecken am 27. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)
Sonnenflecken am 27. Mai 2023. (Credits: astropage.eu)

… und ein bisschen kühles Deepsky: Der Pelikannebel IC 5070 ist eine Sternentstehungsregion im Sternbild Schwan und leuchtet stark in rötlichen Wellenlängen. Allerdings waren die Aufnahmebedingungen dank des schon recht hellen Mondes nicht wirklich gut. Deepsky-Aufnahmen um Neumond herum liefern (zumindest mit DSLR ohne Schmalbandfilter) bessere Ergebnisse.

Der Pelikannebel. (Credits: astropage.eu)
Der Pelikannebel. (Credits: astropage.eu)

Solche mehrtägigen Schönwetterperioden dürften gerne öfter auftreten, da wird wohl jeder Astrofotograf zustimmen. Andererseits bedeutet das auch, dass man weniger Zeit für die Bildbearbeitung und andere „Baustellen“ hat. Die Schönwetterkatastrophe trägt ihren Namen nicht umsonst.

(THK)

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