ATLAS untersucht die Di-Higgs-Produktion

Diese Grafik zeigt ein Kandidatenereignis für die Di-Higgs-Produktion im Jahr 2017. (Credits: ATLAS collaboration / CERN)
Diese Grafik zeigt ein Kandidatenereignis für die Di-Higgs-Produktion im Jahr 2017. (Credits: ATLAS collaboration / CERN)

Wissen Sie noch, wie schwierig es war, ein Higgs-Boson zu finden? Versuchen Sie einmal, zwei am selben Ort und zur selben Zeit zu finden. Dieser faszinierende Prozess, der als „Di-Higgs-Produktion“ bezeichnet wird, kann Wissenschaftlern Informationen über die Wechselwirkung des Higgs-Bosons mit sich selbst geben. Durch seine Untersuchung können Physiker die Stärke der „Selbstkopplung“ des Higgs-Bosons messen – ein grundlegender Aspekt des Standardmodells, der den Higgs-Mechanismus und die Stabilität unseres Universums miteinander verbindet.

Die Suche nach der Di-Higgs-Produktion ist eine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Es handelt sich um einen sehr seltenen Prozess, etwa 1.000 Mal seltener als die Produktion eines einzelnen Higgs-Bosons. Während des gesamten zweiten Betriebslaufs des Large Hadron Collider (LHC) dürften nur einige tausend Di-Higgs-Ereignisse in ATLAS erzeugt worden sein, verglichen mit den 40 Millionen Kollisionen, die jede Sekunde stattfinden.

Wie können die Physiker also diese seltenen Nadeln im Heuhaufen der Daten finden? Eine Möglichkeit, um die Suche nach der Di-Higgs-Produktion zu erleichtern, besteht darin, an mehreren Stellen danach zu suchen. Indem die Physiker die verschiedenen Arten des Di-Higgs-Zerfalls (Zerfallsmodi) betrachten und sie miteinander kombinieren, können sie ihre Chancen maximieren, die Di-Higgs-Produktion zu finden und zu untersuchen.

Forscher der ATLAS Collaboration haben nun die bisher empfindlichste Suche nach der Di-Higgs-Produktion und Selbstkopplung veröffentlicht, die durch die Kombination von fünf Di-Higgs-Studien mit Daten des 2. LHC-Betriebslaufs erzielt wurde. Dieses neue Ergebnis ist ihre bisher umfassendste Suche, die mehr als die Hälfte aller möglichen Di-Higgs-Ereignisse in ATLAS abdeckt.

Die fünf Einzelstudien in dieser Kombination konzentrierten sich jeweils auf verschiedene Zerfallsarten, von denen jede ihre Vor- und Nachteile hat. Zum Beispiel ist der wahrscheinlichste Di-Higgs-Zerfallmodus der Zerfall in vier Bottom-Quarks. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass auch die quantenchromodynamischen Prozesse des Standardmodells vier Bottom-Quarks erzeugen, so dass es schwierig wird, ein Di-Higgs-Ereignis von diesem Hintergrundprozess zu unterscheiden.

Der Di-Higgs-Zerfall in zwei Bottom-Quarks und zwei Tau-Leptonen weist eine mäßige Hintergrundverschmutzung auf, ist aber fünfmal seltener und enthält Neutrinos, die unentdeckt entweichen. Das erschwert den Physikern die Rekonstruktion des Zerfallsprozesses. Der Zerfall in mehrere Leptonen ist zwar nicht sehr selten, weist jedoch komplexe Signaturen auf. Andere Di-Higgs-Zerfallsprozesse sind noch seltener, wie der Zerfall in zwei Bottom-Quarks und zwei Photonen. Dieser Endzustand macht nur 0,3 % der gesamten Di-Higgs-Zerfallsprozesse aus, zeigt dafür aber eine sauberere Signatur und eine viel geringere Hintergrundverschmutzung.

Durch die Kombination der Suchergebnisse für jeden dieser Zerfallstypen konnten die Forscher feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit für die Erzeugung zweier Higgs-Bosonen jene Werte ausschließt, die mehr als das 2,9-fache der Vorhersage des Standardmodells betragen. Die Sicherheit dieses Ergebnis beträgt 95 %, bei einer erwarteten Empfindlichkeit von 2,4 (unter der Annahme, dass dieser Prozess in der Natur nicht vorkommt).

Sie konnten auch die Stärke der Selbstkopplung des Higgs-Bosons nachweisen und erzielten damit die bisher beste Empfindlichkeit für diese wichtige Beobachtungsgröße. Die Forscher stellten fest, dass die Größe der Higgs-Selbstkopplungskonstante und die Wechselwirkungsstärke von zwei Higgs-Bosonen und zwei Vektorbosonen mit den Vorhersagen des Standardmodells übereinstimmen.

Dieses kombinierte Ergebnis stellt einen Meilenstein in der Untersuchung der Di-Higgs-Produktion dar. Jetzt haben die ATLAS-Forscher die Daten des laufenden LHC-Laufs 3 und des bevorstehenden LHC-Betriebs mit hoher Luminosität ins Visier genommen. Mit diesen Daten können die Physiker vielleicht endlich die schwer fassbare Higgs-Bosonen-Paarproduktion beobachten.

Quelle

(THK)

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