Chandra beobachtet schnell rotierende supermassive Schwarze Löcher

Chandra-Aufnahmen von vier Quasaren, die dem Gravitationslinseneffekt unterliegen. Dadurch entstehen Mehrfachbilder desselben Objekts. (Credits: NASA / CXC / Univ. of Oklahoma / X. Dai et al.)
Chandra-Aufnahmen von vier Quasaren, die dem Gravitationslinseneffekt unterliegen. Dadurch entstehen Mehrfachbilder desselben Objekts. (Credits: NASA / CXC / Univ. of Oklahoma / X. Dai et al.)

Wie Strudel im Ozean erzeugen rotierende Schwarze Löcher im Weltraum einen wirbelnden Strom um sie herum. Allerdings erschaffen Schwarze Löcher keine Strudel aus Wind oder Wasser. Stattdessen erzeugen sie Scheiben aus Gas und Staub, aufgeheizt auf mehrere hundert Millionen Grad, so dass sie im Röntgenbereich leuchten.

Mit Daten des Weltraumteleskops Chandra und zufälligen Ausrichtungen über Milliarden Lichtjahre hinweg haben Astronomen eine neue Methode entwickelt, um die Rotation von fünf supermassiven Schwarzen Löchern zu messen. Die Materie in einem dieser kosmischen Wirbel umkreist ihr Schwarzes Loch mit mehr als 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

Die Astronomen machten sich ein natürliches Phänomen zunutze, das als Gravitationslinse bezeichnet wird. Mit genau der richtigen Ausrichtung kann die Krümmung der Raumzeit um ein massereiches Objekt (zum Beispiel eine große Galaxie) das Licht eines fernen Objekts verstärken und Mehrfachbilder erzeugen, wie von Einstein vorhergesagt.

Für diese neueste Forschungsarbeit nutzten Astronomen Chandra und den Gravitationslinseneffekt, um fünf Quasare zu untersuchen. Jeder Quasar besteht aus einem supermassiven Schwarzen Loch, das rasch Materie aus einer umgebenden Akkretionsscheibe verschlingt. Der Gravitationslinseneffekt des Lichts von jedem dieser Quasare aufgrund einer Galaxie in der Sichtlinie zwischen dem Quasar und der Erde hat Mehrfachbilder jedes Quasars erzeugt. Das Bild zeigt Chandra-Bilder von vier der fünf Ziele. Die scharfe Abbildungsfähigkeit Chandras ist erforderlich, um die gebündelten Mehrfachbilder jedes Quasars aufzulösen.

Der wichtige Fortschritt bei dieser Studie lag darin, dass sie sich außerdem den Mikrogravitationslinseneffekt zunutze machten, wobei einzelne Sterne in der dazwischen liegenden, bündelnden Galaxie eine zusätzliche Verstärkung des Lichts von dem Quasar verursachte. Eine höhere Vergrößerung bedeutet, dass eine kleinere Region die Röntgenemissionen produziert.

Dann stützten sich die Wissenschaftler auf die Tatsache, dass ein rotierendes Schwarzes Loch den Raum mitzieht, was der Materie erlaubt, näher an dem Schwarzen Loch zu kreisen, als es bei einem nicht-rotierenden Schwarzen Loch möglich wäre. Aus dem Grund spricht eine kleinere emittierende Region, die mit einer engeren Umlaufbahn zusammenhängt, im Allgemeinen für ein schneller rotierendes Schwarzes Loch. Die Autoren schlussfolgerten aus ihrer Analyse des Mikrogravitationslinseneffekts, laut der die Röntgenstrahlung aus einer solch kleinen Region stammt, dass die Schwarzen Löcher schnell rotieren müssen.

Die Ergebnisse zeigten, dass eines der Schwarzen Löcher, auf dem Bild als Q2237 bezeichnet, mit der maximalen oder annähernd maximalen Geschwindigkeit rotiert (Q2237 ist auch als das Einsteinkreuz bekannt). Demzufolge rotiert der Ereignishorizont (ab dem ein Entkommen aus der Anziehungskraft nicht mehr möglich ist) mit Lichtgeschwindigkeit, also knapp 300.000 Kilometern pro Sekunde. Die vier anderen Schwarzen Löcher in der Stichprobe rotieren im Durchschnitt mit der Hälfte dieser maximalen Geschwindigkeit.

Im Fall des Einsteinkreuzes stammt die Röntgenemission aus einem Teil der Scheibe, der weniger als 2,5 mal so groß wie der Ereignishorizont ist. Bei den anderen vier Quasaren kommen die Röntgenstrahlen aus einer Region, die 4-5 mal größer als der Ereignishorizont ist.

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Video-Link: https://youtu.be/hcDerstpFUY

 

Wie können diese Schwarzen Löcher so schnell rotieren? Die Forscher vermuten, dass diese supermassiven Schwarzen Löcher wahrscheinlich wuchsen, indem sie im Verlauf von Milliarden Jahren Materie aus einer Akkretionsscheibe aufnahmen, die mit ähnlicher Ausrichtung und Rotationsrichtung rotierte und keine zufälligen Richtungen aufwies. Wie ein Sitzkarussell, das immer weiter in dieselbe Richtung angestoßen wird, nahmen die Schwarzen Löcher Geschwindigkeit auf.

Die von Chandra registrierten Röntgenstrahlen werden erzeugt, wenn die Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch in dessen Nähe oberhalb der Scheibe eine Wolke aus mehrere Millionen Grad heißer Materie schafft, eine sogenannte Korona. Röntgenstrahlung von dieser Korona wird am inneren Rand der Akkretionsscheibe reflektiert und die starken Gravitationskräfte nahe des Schwarzen Lochs verzerren das reflektierte Röntgenspektrum. Das Röntgenspektrum stellt die Menge an Röntgenstrahlung in Bezug auf die verschiedenen Energien dar. Die starken Verzerrungen in den Röntgenspektren der hier untersuchten Quasare lassen darauf schließen, dass der innere Rand der Scheibe nah an den Schwarzen Löchern liegen muss. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass sie schnell rotieren müssen.

Die Quasare befinden sich in Entfernungen zwischen 9,8 Milliarden und 10,9 Milliarden Lichtjahren; die Schwarzen Löcher haben Massen zwischen 160 Millionen und 500 Millionen Sonnenmassen. Diese Beobachtungen waren die längsten, die bislang mit Chandra von Quasaren gemacht wurden, die dem Gravitationslinseneffekt unterliegen. Die Gesamtbelichtungszeiten betrugen zwischen 1,7 und 5,4 Tagen.

Eine Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, wurde am 2. Juli 2019 im Astrophysical Journal veröffentlicht. Die Autoren sind Xinyu Dai, Shaun Steele und Eduardo Guerras (University of Oklahoma in Norman, Oklahoma), Christopher Morgan (United States Naval Academy in Annapolis, Maryland) sowie Bin Chen (Florida State University in Tallahassee, Florida).

Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate der Agentur in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen.

Quelle

(THK)

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