Allen Lawrence, der eine lange Karriere als Elektroingenieur hinter sich hat, wollte sich wirklich mehr in sein Hobby Astronomie vertiefen als bloß sein 20-Zoll-Teleskop zu Teleskoptreffen unter dem dunklen Himmel von Texas und Arizona zu schleppen.
Also schrieb er sich im Jahr 2011, in seinen späten 60ern und nach 30-jähriger Leitung seiner eigenen Beratungsfirma in Green Bay (Wisconsin), in einige Kurse an der University of Wisconsin in Madison ein. Es dauerte nicht lange, bis er in der Sterling Hall war und fragte, ob er sich einem Forschungsteam anschließen dürfe.
Jay Gallagher, jetzt der W. W. Morgan & Rupple Bascom Emeritus Professor of Astronomy an der University of Wisconsin, bot Lawrence die Möglichkeit an, eines von zwei Galaxiensystemen zu untersuchen. Lawrence wählte ein nahes System, das seit den 1960er Jahren erforscht wird und die Interaktion zweier Galaxien zeigt. Die größere ist bekannt als NGC 4490 (aufgrund ihrer Form auch als Kokon-Galaxie bezeichnet), die kleinere trägt die Bezeichnung NGC 4485. Das System besitzt etwa 20 Prozent der Größe unserer Milchstraßen-Galaxie und befindet sich am Himmel über der Nordhalbkugel. Es liegt ungefähr 30 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.
Nach Betrachtung einiger Infrarotbilder des NASA-Weltraumteleskops WISE (Wide-field Infrared Survey Explorer) sagte Lawrence, dass es so aussah, als hätte die größere Galaxie einen seltenen Doppelkern. Ein Kern war in sichtbaren Wellenlängen erkennbar, der andere Kern lag hinter Staub verborgen und konnte nur in infraroten Wellenlängen und im Radiowellenbereich beobachtet werden.
Nach Jahren des Studiums und einem Master-Abschluss an der Iowa State University im Jahr 2018 und weiterer gemeinsamer Arbeit mit Astronomen der Iowa State University ist Lawrence nun im Alter von 77 Jahren der Erstautor einer wissenschaftlichen Abhandlung. Sie offenbart, dass NGC 4490 in der Tat einen Doppelkern besitzt. Die Studie ist online einsehbar und wurde zur Veröffentlichung im Astrophysical Journal akzeptiert.
Die Co-Autoren der Studie sind Charles Kerton, ein außerordentlicher Professor für Physik und Astronomie an der Iowa State University, sowie der Physik- und Astronomie-Professor Curtis Struck, ebenfalls von der Iowa State University und die Physik- und Astronomie-Professorin Beverly Smith von der East Tennessee State University.
„Ich sah den Doppelkern vor etwa sieben Jahren“, sagte Lawrence. „Er wurde nie beobachtet – oder niemand hatte bis dato irgendetwas mit ihm gemacht.“
Einige Astronomen könnten mit ihren optischen Teleskopen einen Kern gesehen haben. Und andere Astronomen könnten mit ihren Radioteleskopen vielleicht den anderen beobachtet haben. Aber Lawrence sagte, die beiden Gruppen haben nie die Aufzeichnungen verglichen, um den Doppelkern zu beobachten und zu beschreiben.
Die neue Studie beschreibt „eine deutliche Doppelkernstruktur“. Der Studie zufolge besitzen beide Kerne eine vergleichbare Größe, Masse und Leuchtkraft. Die Massen und Helligkeiten der beobachteten Kerne sind ähnlich jenen, die in anderen interagierenden Galaxienpaaren beobachtet wurden. Die Doppelkernstruktur könnte auch erklären, warum das Galaxiensystem von einer enormen Wasserstoffwolke umgeben ist.
„Die einfachste Interpretation der Beobachtungen besagt, dass NGC 4490 selbst den Überrest einer viel früheren Kollision und Verschmelzung zweier Galaxien darstellt“, schreiben die Autoren. Eine Verschmelzung könnte die intensiven Sternentstehungsprozesse ausgelöst haben, die für die Erschaffung einer solch großen Wasserstoffwolke notwendig sind.
Die Astronomen sagen, dass es noch andere Gründe gab, warum sie die Untersuchung dieses Systems interessant fanden: Laut Struck, der kollidierende Galaxien erforscht, sind Doppelkerngalaxien sehr selten, insbesondere bei kleineren Galaxien wie dieser. Astronomen vermuten, dass ein Doppelkern zum Aufbau supermassiver Schwarzer Löcher in den Zentren mancher Galaxien beigetragen haben könnte.
Kerton, der die Entstehung von Sternen erforscht, sagte: „Dieses Projekt demonstriert, dass die Verwendung von weltraum- und bodengestützten Beobachtungen in mehreren Wellenlängen uns wirklich helfen kann, ein bestimmtes Objekt zu verstehen.“
(THK)
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