Die Unsicherheit bei der Messung der kosmischen Expansion

Ferne Galaxien, aufgenommen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte. (Credits: ESO / Mario Nonino, Piero Rosati and the ESO GOODS Team)
Ferne Galaxien, aufgenommen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte. (Credits: ESO / Mario Nonino, Piero Rosati and the ESO GOODS Team)

Neunzig Jahre nachdem Edwin Hubble die systematischen Bewegungen der Galaxien entdeckte und George Lemaitre sie mittels Einsteins Gleichungen als kosmische Expansion erklärte, sieht sich die beobachtende Kosmologie heute einer Herausforderung gegenüber. Die Werte zweier Hauptmethoden (aus der Messung der Eigenschaften von Galaxien und dem kosmischen Mikrowellenhintergrund) stimmen nicht miteinander überein. Es gibt eine Abweichung von etwa zehn Prozent, obwohl jede Messung für sich nur ein Prozent Fehlertoleranz aufweist.

Unkorrigierte Beobachtungsfehler sind möglich, aber Schätzungen sprechen dafür, dass sie zu klein sind, um für den Unterschied verantwortlich zu sein. Infolge dessen gibt es keinen konsistenten und präzisen Wert für die Expansion, also für die Hubble-Konstante. Das Problem ist nicht so sehr der Wert selbst (das Alter des Universums wird sich nicht stark ändern). Das Problem besteht vielmehr darin, dass hier eindeutig etwas Unerklärtes passiert, was mit der Tatsache zusammenhängt, dass die Daten zum kosmischen Mikrowellenhintergrund aus einer ganz anderen kosmischen Zeitepoche stammen als die Daten über die Galaxien. Vielleicht wird neue Physik gebraucht.

Eine spannende neue und unabhängige Methode zur Messung der kosmischen Expansion verwendet Gravitationswellen. Die beobachtete Intensität der Gravitationswellen liefert eine Distanzmessung, weil Modelle deren innere Stärke ableiten können. Wenn die Gravitationswellen aus der Verschmelzung zweier Neutronensterne hervorgehen, die auch in optischen Wellenlängen beobachtet werden kann, liefert die Geschwindigkeit, mit der sich die Galaxie entfernt (gemessen anhand ihres Lichts), eine Kalibrierung der Expansionsrate. Diese neue Methode wird als Standardsirene bezeichnet. Wenn die Genauigkeit der Standardsirenenmethode besser ist als jene der anderen Methoden, wäre sie imstande, den Unterschied aufzulösen.

Der Astronom Hsin-Yu Chen vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) hat die Unsicherheiten untersucht, die mit der Standardsirenenmethode verbunden sind und kommt zu dem Schluss, dass zwei Probleme die Standardsirenenmethode verkomplizieren und große Herausforderungen bei der Auflösung der Reibungspunkte darstellen. Beide Probleme hängen mit dem emittierten Licht und dem Beobachtungswinkel der Quelle zusammen.

Das erste Problem besagt, dass das Licht Computersimulationen zufolge nicht kugelförmig emittiert wird. Die von uns beobachtete Intensität hängt damit von unserer Beobachtungsperspektive ab. Sogar die Farbe ist winkelabhängig. Der Winkel muss irgendwie geschätzt und in die Kalibrierung einbezogen werden, und das ruft eine Unsicherheit hervor.

Das zweite Problem liegt darin, dass das Verschmelzungsereignis aus einem bestimmten Winkel beobachtet wird, der das Ergebnis beeinflusst. Sogar nach der Beobachtung vieler Quellen wird eine statistische Analyse der Probe noch einen Unsicherheitsfaktor haben.

Chen schlussfolgert, dass diese beiden systematischen Effekte eine Unsicherheit in den Standardsirenenwert der Hubble-Konstante einbringen werden, was dazu führt, dass ihre Unsicherheit etwa so groß ist wie bei den anderen Methoden.

Abhandlung: „Systematic Uncertainty of Standard Sirens from the Viewing Angle of Binary Neutron Star Inspirals“ von Hsin-Yu Chen, Physical Review Letters. 125, 201301, 2020

Quelle

(THK)

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