Satellitengalaxien und ihre Sternbildung bei nahen Begegnungen

Bilder der simulierten Lokalen Gruppe (links die Dunkle Materie, rechts die Gasverteilung). (Credit: CLUES simulation team)
Bilder der simulierten Lokalen Gruppe (links die Dunkle Materie, rechts die Gasverteilung). (Credit: CLUES simulation team)

Bislang vermuteten die meisten Wissenschaftler, dass die Sternentstehungsprozesse in einer Satellitengalaxie zum Erliegen kommen, wenn sie nahe an ihrer massereicheren Elterngalaxie vorbeizieht, weil jene das Gas aus ihr herausziehen würde, so dass sie kaum noch Materie für die Bildung neuer Sterne besitzt. Ein Team unter Leitung von Arianna di Cintio vom Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC) hat jetzt allerdings mit numerischen Simulationen festgestellt, dass das nicht immer der Fall ist. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich im Journal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (MNRAS) veröffentlicht.

Mit modernen Simulationen der gesamten Lokalen Gruppe, darunter der Milchstraßen-Galaxie, der Andromeda-Galaxie und ihrer Satellitengalaxien, haben die Forscher gezeigt, dass die Satellitengalaxien ihr Gas nicht nur behalten, sondern auch viele neue Phasen der Sternentstehung erfahren können, kurz nachdem sie den minimalen Abstand zum Zentrum ihrer Elterngalaxie passierten.

Die Satellitengalaxien der Lokalen Gruppe besitzen eine breite Vielfalt, was die Geschichte der Sternentstehung angeht. Deren Ursprung war bisher nicht vollständig geklärt. Mit hydrodynamischen Simulationen im Rahmen des CLUES-Projekts (Constrained Local UniversE) untersuchten die Autoren die Sternentstehungsgeschichten von Satellitengalaxien, die mit jenen der Milchstraßen-Galaxie vergleichbar sind, in einem kosmologischen Kontext.

Beim Großteil der Fälle wurde das Gas der Satellitengalaxien von der Elterngalaxie durch gravitative Wechselwirkungen herausgerissen und in die größere Galaxie übertragen (Akkretion), was die Sternentstehungsprozesse in der Satellitengalaxie unterbrach. In 25 Prozent der Fälle wurde die Sternentstehung durch diesen interaktiven Prozess jedoch deutlich erhöht.

Die Ergebnisse demonstrieren, dass die Spitzenwerte der Sternentstehung mit der engen Begegnung der Satellitengalaxie an der Elterngalaxie korreliert und gelegentlich mit der Interaktion zweier Satellitengalaxien. Die Forscher identifizierten zwei wichtige Merkmale für die Sternentstehung: Die Satellitengalaxie muss der Elterngalaxie mit einem großen Reservoir aus kalten Gas begegnen und die Minimaldistanz darf nicht zu gering sein, so dass aufgrund der Gaskompression Sterne entstehen können. Im Gegensatz dazu werden Satellitengalaxien, die den Elterngalaxien zu nahe kommen, ihrer Gasvorräte beraubt und verlieren dadurch die Möglichkeit zur Bildung neuer Sterne.

„Die Passage von Satellitengalaxien fällt auch mit Spitzenwerten der Sternentstehung in ihren Elterngalaxien zusammen, was darauf hindeutet, dass dieser Mechanismus intensive Sternentstehungsphasen gleichermaßen in Elterngalaxien und Satellitengalaxien auslöst. Das stimmt mit kürzlichen Studien zur Geschichte der Sternentstehung in unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie überein“, sagte di Cintio, die Hauptautorin der Studie.

„Das ist sehr wichtig, wenn wir zu verstehen versuchen, wie die Sternentstehung in den kleineren Zwerggalaxien in unserer Lokalen Gruppe zustande kommt – eine bislang ungelöste Frage“, sagte sie.

Dieses Ergebnis wird Licht auf die Sternbildungsphasen werfen, die in den Zwerggalaxien der Lokalen Gruppe beobachtet werden (beispielsweise in der Carina-Zwerggalaxie und der Fornax-Zwerggalaxie), was eine attraktive Erklärung für ihre Existenz gibt. Es erfordert auch eine Neubetrachtung der theoretischen Modelle, die zur Erklärung der Sternentstehungsprozesse in Zwerggalaxien genutzt werden.

Abhandlung: „Pericentric passage-driven star formation in satellite galaxies and their hosts: CLUES from Local Group simulations“ von Arianna Di Cintio, et al., Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, June 12, 2021. DOI: https://doi.org/10.1093/mnras/stab1682

Quelle

(THK)

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