Forscher lösen 80 Jahre altes Rätsel um die statische Elektrizität

Ladungsmosaike auf kontaktgeladenen Dielektrika. (a) Konventionelle Ansicht mit zwei elektrisch neutralen Materialien, die in Kontakt gebracht und dann getrennt werden; sie laden sich gleichförmig auf (unten links), eins positiv (rot), eins negativ (blau). Im alternativen Szenario (unten rechts) entwickelt jede Oberfläche ein stark ungleichförmiges Ladungsmosaik mit benachbarten, entgegengesetzten Polaritäten. (b) Collage von Ladungsmosaiken in der Literatur mit Jahr und Maßstab. (Credits: Sobolev, Y.I., Adamkiewicz, W., Siek, M. et al., Nat. Phys. (2022))
Ladungsmosaike auf kontaktgeladenen Dielektrika. (a) Konventionelle Ansicht mit zwei elektrisch neutralen Materialien, die in Kontakt gebracht und dann getrennt werden; sie laden sich gleichförmig auf (unten links), eins positiv (rot), eins negativ (blau). Im alternativen Szenario (unten rechts) entwickelt jede Oberfläche ein stark ungleichförmiges Ladungsmosaik mit benachbarten, entgegengesetzten Polaritäten. (b) Collage von Ladungsmosaiken in der Literatur mit Jahr und Maßstab. (Credits: Sobolev, Y.I., Adamkiewicz, W., Siek, M. et al., Nat. Phys. (2022))

Historisch gesehen war die Kontaktelektrizität die erste und einzige Stromquelle der Menschheit bis ins 18. Jahrhundert, dennoch ist ihre wahre Natur noch rätselhaft. Heute wird sie als eine Schlüsselkomponente für Technologien wie Laserdrucker, LCD-Produktionsprozesse, elektrostatisches Lackieren oder die Trennung von Plastik für Recyclingzwecke betrachtet. Aber sie wir auch als große Gefahr in der Industrie angesehen (Schäden an elektronischen Systemen, Explosionen in Kohleminen, Feuer in chemischen Kraftwerken, etc.) aufgrund elektrostatischer Entladungen, die mit der Kontaktelektrizität einhergehen. In einem Vakuum sind elektrostatische Entladungen eines simplen Klebebands so stark, dass sie genug Röntgenstrahlung erzeugen, um ein Röntgenbild eines Fingers aufzunehmen.

Eine lange Zeit wurde vermutet, dass zwei sich berührende Materialien gegenpolig und gleichmäßig aufladen. In den 1940er Jahren wurde jedoch beobachtet, dass jede der getrennten Oberflächen nach einer Berührung sowohl positive (+) als auch negative (-) Ladungen tragen. Die Erzeugung sogenannter Ladungsmosaike wurde der Nichtreproduzierbarkeit von Experimenten, inhärenten Ungleichheiten der berührenden Materialien oder einer allgemeinen stochastischen Natur der Kontaktelektrizität zugesprochen.

Ein Forschungsteam unter Leitung von Professor Bartosz A. Grzybowski vom Department of Chemistry am Center for Soft and Living Matter des Ulsan National Institute of Science & Technology (UNIST) hat seit mehr als einem Jahrzehnt die möglichen Quellen von Ladungsmosaiken untersucht. Diese Studie wird in der Nature Physics-Ausgabe vom Oktober 2022 erscheinen und soll bei der Kontrolle der potenziell gefährlichen elektrostatischen Entladungen helfen.

„In unserer Science-Studie von 2011 (Science 333, 2011, 308-312) zeigten wir eine mikrometergroße Ladungsungleichheit unbekannten Ursprungs. Zu der Zeit bestand unsere Hypothese darin, diese (+/-)-Mosaike der Übertragung mikroskopischer Materialteile zwischen den sich trennenden Oberflächen zuzusprechen. Nach vielen Jahren Arbeit an dem Problem konnten sich dieses und ähnliche Modelle einfach nicht halten, weil uns (und vielen anderen Kollegen, mit denen wir sprachen) nicht klar wurde, wie diese mikroskopischen Teilchen sogar millimetergroße Regionen mit entgegengesetzter Polarität auf derselben Oberfläche erklären können. Trotzdem hatten die Gemeinschaft und wir keine bessere Antwort darauf, warum die (+/-)-Mosaike überhaupt beobachtet werden, noch dazu in so vielen Größenbereichen“, sagte Professor Grzybowski.

In der kürzlich im Journal Nature Physics veröffentlichten Studie zeigt Professor Grzybowskis Gruppe, dass Ladungsmosaike eine direkte Folge der elektrostatischen Entladung sind. Die Experimente demonstrieren, dass die „Funken“-Reihen zwischen delaminierenden Materialien erzeugt werden und dass sie verantwortlich für die Bildung der auf beiden Materialien symmetrischen (+/-)-Ladungsverteilungen sind.

„Man könnte denken, dass eine Entladung nur die Ladungen auf Null bringen kann, aber tatsächlich kann sie sie lokal umkehren. Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass es viel leichter ist, den ‚Funken‘ zu entzünden, als ihn auszulöschen“, sagte Dr. Yaroslav Sobolev, der Hauptautor der Studie. „Sogar wenn die Ladungen auf Null reduziert werden, wird der Funke durch das Feld benachbarter Regionen aufrechterhalten, die von diesem Funken nicht berührt werden.“

Die vorgeschlagene Theorie erklärt, warum Ladungsmosaike auf vielen unterschiedlichen Materialien beobachtet wurden, darunter Papierblätter, reibende Ballone, auf Teflonoberflächen rollende Stahlkugeln oder Polymere, die von demselben oder anderen Polymeren getrennt werden. Sie deutet auch auf den Ursprung des Geräuschs hin, wenn man ein Klebeband abzieht: Es könnte eine Manifestation der Plasmaentladungen sein, die das Klebeband wie eine Gitarrensaite zupfen. Die präsentierte Studie könnte helfen, die potenziell gefährlichen elektrostatischen Entladungen zu kontrollieren und uns näher daran bringen, die wahre Natur der Kontaktelektrizität zu verstehen, schreibt das Team.

Studie: „Charge mosaics on contact-electrified dielectrics result from polarity-inverting discharges“ von Sobolev, Y.I., Adamkiewicz, W., Siek, M. et al., Nat. Phys. (2022). https://doi.org/10.1038/s41567-022-01714-9

Quelle

(THK)

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