Die Suche nach außerirdischem Leben stellt einen wichtigen Zweig astronomischer Forschung dar. Diesbezüglich verfolgt man verschiedene Ansätze, beispielsweise den Nachweis mikrobiellen Lebens auf dem Mars oder auf diversen Monden von Jupiter und Saturn. Andere Projekte gehen darüber hinaus und suchen direkt nach Signalen von hochentwickelten, außerirdischen Zivilisationen. Diese Projekte laufen unter dem Oberbegriff „SETI“ (Search for Extraterrestrial Intelligence) und begannen in den 1960er Jahren damit, nach möglicherweise intelligenten Radiosignalen zu suchen.
Der technische Fortschritt erlaubte es, immer größere Datenmengen zu sammeln und zu analysieren und seit einigen Jahren reichen die Rechenkapazitäten der wissenschaftlichen Einrichtungen nicht mehr aus, da eine Vielzahl anderer Forschungsprojekte ebenfalls Rechenzeit benötigen. Aus diesem Grund rief die University of California in Berkeley 1999 das Projekt „Seti@Home“ ins Leben.
Bei Seti@Home kann jedermann, der Interesse daran hat, die ungenutzte Rechenkapazität seines Computers zur Verfügung stellen, um die entsprechenden Datensätze auf verräterische Signale außerirdischer Zivilisationen zu untersuchen. Dazu lädt man sich das Client-Programm herunter und installiert es, alles weitere läuft vollautomatisch ab: wenn der Computer vom Anwender gerade nicht benutzt wird, wenn er also nicht ausgelastet ist, dann beginnt das Programm mit der Datenanalyse – zum Beispiel als Bildschirmschoner.
Aber was passiert dabei und wie werden die Daten analysiert? Wie werden potenziell interessante Signale herausgefiltert?
Eric J. Korpela und einige Kollegen von der University of California in Berkeley haben kürzlich eine Abhandlung zu diesem Thema verfasst, in der sie genauer auf die Filterkriterien eingehen.
Die Algorithmen durchsuchen die heruntergeladenen Daten auf vier unterschiedliche Signalarten:
1. Anhaltende Wellensignale im Schmalbandbereich
Das berühmte „Wow!“-Signal, das am 15. August 1977 vom Big-Ear-Radioteleskop der Ohio State University aufgezeichnet wurde, war zwar ungewöhnlich stark und besaß auch das Gaußsche Profil, das man von einem Signal erwarten würde, welches sich durch den Empfangsbereich eines Radioteleskops bewegt. Aber es war nicht anhaltend: Schon ein zweiter Empfänger, der exakt drei Minuten später in den Bereich des ersten Empfängers gelangte, registrierte das Signal nicht mehr. Auch die nachfolgende Suche blieb erfolglos. Deshalb ist es eher unwahrscheinlich, dass das Signal einer außerirdischen Intelligenz entstammte.
2. Schmalbandsignale, die dem Gaußschen Profil entsprechen
Von Interesse sind auch Signale, deren Stärke ein Gaußsches Profil zeigen. Die Stärke steigt stetig an, während sich das Signal in den Empfangsbereich des Teleskops bewegt, erreicht einen Höhepunkt und schwächt sich anschließend wieder ab, wenn das Signal den Empfangsbereich verlässt. Ein solches Profil spricht dafür, dass es sich tatsächlich um ein interstellares Signal handelt.
3. Sich wiederholende Impulse
Ein spezieller Suchalgorithmus analysiert die Daten auf das Vorhandensein von Signalen, die sich wiederholen. Dieses Kriterium kann auf einen intelligenten Ursprung des Signals hindeuten, allerdings muss das nicht zwangsläufig der Fall sein.
4. Eine Serie von drei Signalen konstanter Frequenz in gleichmäßigen Zeitabständen
Auch die Registrierung einer solchen Signalserie könnte dafür sprechen, dass das Signal künstlich erzeugt wurde.
Die Algorithmen der Software analysieren nun die eingehenden Daten und ziehen zusätzlich zu den oben genannten Kriterien noch andere Aspekte heran, um ein empfangenes Signal mit einer Bewertung zu versehen, die dessen Interessantheitsgrad widerspiegelt. Dazu gehören beispielsweise die räumliche Nähe der Signale, ihre Langlebigkeit, ihre Unähnlichkeit zu bekannten (Stör-)Quellen und ihre Nähe zu bekannten Objekten am Himmel, etwa sonnenähnliche Sterne oder Planetensysteme. Dann weist die Software jedem Signal einen Punktwert zu, der die Wahrscheinlichkeit beschreibt, dass dieses Signal durch zufälliges Hintergrundrauschen verursacht wurde – je kleiner der Punktwert, desto besser.
Seti@Home unterteilt den Himmel in Pixel von gleicher Größe. Wenn ein Signal empfangen wird, markiert die Software das betreffende Pixel als „heiß“. Weil dieselbe Region in kurzen Zeitintervallen mehrmals hintereinander gescannt wird, ist es möglich, dass sich das Pixel mit der Zeit „abkühlt“. Wenn keine Signale für das entsprechende Pixel mehr empfangen werden, wird es von der Software erneut markiert und zur Datenanalyse freigegeben
Früher musste für das Auswahlverfahren auf jeden Datensatz mehrfach zugegriffen werden, was die Rechenauslastung und die benötigte Zeit dramatisch erhöhte. Der von den Forschern entwickelte Near-Time Persistency Checker (NTPCkr) wirkt dem durch optimierte Algorithmen entgegen. Er untersucht die in dem speziellen Pixel und den umgebenden Pixeln vorhandenen Signale und ermittelt daraus einen Punktwert für das Signal. Je wahrscheinlicher das Signal durch zufälliges Hintergrundrauschen erzeugt worden sein könnte, desto höher ist der ihm zugewiesene Punktwert. Die wirklich interessanten Kandidaten erhalten also niedrige Punktwerte.
Überaus wichtig für die Identifizierung interessanter Kandidaten ist die Beseitigung von Interferenzen. Auch dieser Prozess erforderte in der Vergangenheit höhere Rechenkapazitäten und einen höheren Zeitaufwand, weil er auf jede potenziell interessante Signalgruppe angewandt wurde. Mittlerweile wird dieser Prozess aber auf Basis des Signalpunktwertes durchgeführt, was die notwendigen Ressourcen verringert.
Ein Signal mit starken Interferenzen wird zunächst einen niedrigen (also guten) Punktwert bekommen, aus dem Grunde, weil es nicht nach dem typischen Hintergrundrauschen aussieht. Die Entfernung der Interferenzen bedeutet nun, dass das Signal immer stärker dem Hintergrundrauschen ähnelt, was einen ansteigenden Punktwert zur Folge hat.
Bei der Interferenzbeseitigung müssen mehrere Arten von Interferenzen berücksichtigt werden.
Radar-Interferenzen
Radar-Interferenzen stellen den Großteil der Interferenzen dar, die beseitigt werden müssen. Die Hauptquelle dieser Interferenzen sind Radarstationen auf Puerto Rico. Sie senden zwar nicht direkt im 1,4GHz-Band, welches vom ALFA-Empfänger beobachtet wird, aber die Signale der Radaranlagen gelangen zum Teil dennoch in das 1,4GHz-Band und sind dort als kurzlebige Signale von hoher Intensität und schnell wechselnder Frequenz sichtbar. Die Periode und Dauer der störenden Radarsignale sind allerdings bekannt oder können gemessen werden. So verfügt das Arecibo-Radioteleskop über die Möglichkeit, zumindest die Störsignale der stärksten Radarstation relativ zuverlässig herausfiltern zu können. Etwas problematisch wird es, wenn sich die Parameter des Störsignals ändern, denn dann muss auch das „Blockier“-Signal neu synchronisiert werden.
Seti@Home besitzt ein Software-Äquivalent für dieses Blockiersystem. Bevor die Daten an die User verteilt werden, vergleichen leistungsfähige Algorithmen die Signale mit den Mustern einiger bekannter Radaranlagen, filtern sie heraus und ersetzen sie durch gewöhnliches Hintergrundrauschen.
Zoneninterferenzen
Zoneninterferenzen sind Störungen, die innerhalb einer „Zone“ auftreten, womit ein Perimeterbereich gemeint ist, der eine große Anzahl unbrauchbarer Signale enthält. Die Weiterentwicklung der Software umfasst auch die Definition und wiederholte Anpassung solcher Zonen, um die dort auftretenden Interferenzen auf ein Minimum zu reduzieren.
Kurzlebige Interferenzen mit konstanter Frequenz
Manche Störquellen treten bei konstanten Frequenzen auf und dauern nur einige Stunden bis wenige Tage an. Das reicht leider nicht aus, um eine exakte Zone zu definieren. Stattdessen wird hier ein Zeitintervall vor und nach dem Signal untersucht und mit bekannten Quellen ähnlicher oder identischer Frequenz abgeglichen. Fällt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich um eine bekannte Quelle handelt, unter 10-4, nimmt man an, dass es sich um eine Interferenzquelle handelt.
Interferenzen mit veränderlichen Frequenzen
Einige Störquellen verändern ihre Frequenzen; zur Beseitigung dieser Interferenzen wird eine sehr komplexe Methode angewandt, die bereits im Jahr 2000 entwickelt wurde. Nach Durchführung des Entfernungsprozesses mit Hilfe dieses Verfahrens wird – wie oben beschrieben – die Wahrscheinlichkeit dafür berechnet, dass das Signal durch Hintergrundrauschen erzeugt wird.
Interferenzen, die von den genannten Methoden nicht herausgefiltert wurden
Die obigen Filtermethoden sind trotz ihrer Leistungsfähigkeit nicht imstande, ausnahmslos jede Interferenz zu entdecken und zu entfernen. Diese Fälle muss sich normalerweise ein geschulter Mitarbeiter ansehen und dann nach genauer Prüfung eine Entscheidung treffen. Da aber nur begrenzt Mitarbeiter zur Verfügung stehen, arbeitet das Team intensiv daran, Freiwillige darauf zu trainieren, solche Interferenzen zu erkennen. Die Freiwilligen können online ihre Meinung zu einem Signal abgeben und die gesammelten Bewertungen werden benutzt, um den Punktwert des Signals zu modifizieren.
Bis heute hat Seti@Home über 4,2 Milliarden potenziell interessanter Signale empfangen. Ein zweifelsfrei künstliches Signal einer hochentwickelten, außerirdischen Zivilisation war nicht darunter. Doch die Suche geht weiter in der Hoffnung, irgendwann den lang ersehnten Treffer zu landen.
(THK)
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