Eine alte ägyptische Mumie hat ein echtes Leben nach dem Tod: sie reiste fast 10.000 Kilometer, blieb dann sechs Jahrzehnte in Privatbesitz, um endlich im Jahr 1989 ein neues Zuhause im World Heritage Museum (dem jetzigen Spurlock Museum) an der University of Illinois zu finden. Dort war die Reise der Mumie allerdings noch nicht zu Ende. Sie machte noch zwei Ausflüge in das örtliche Krankenhaus – einmal im Jahr 1990 und das zweite Mal in diesem Jahr – für einige nicht so ganz routinemäßige Untersuchungen.
Ägyptologen, ein Radiologe, ein Pathologe, ein Physischer Anthropologe und ein Experte für Mumien verwendeten die besten Diagnosegeräte, um etwas über die Mumie zu lernen, ohne sie aus ihrer roten Leinenhülle zu wickeln oder diese zu zerschneiden. Die Ergebnisse der Untersuchungen hat das Wissenschaftlerteam am 2. November anlässlich eines Symposiums am Museum in Urbana diskutiert.
Die erste Reihe von Untersuchungen im Jahr 1990 beinhaltete Röntgen- und CT-Aufnahmen, sowie Analysen winziger Fragmente des Leinens, von Insekten und gehärtetem Harz, die man von der bröckelnden Hülle gesammelt hatte. Dr. Joseph Barkmeier, medizinischer Leiter des Diagnosebereichs am Carle Foundation Hospital and Physician Group in Urbana, führte die CT-Scans im Krankenhaus durch. Er wiederholte in diesem Jahr die Untersuchungen am Carle mit weitaus verbesserter CT-Technologie.
„Die medizinische Diagnosetechnik hat in den letzten zwei Jahrzehnten gewaltige Fortschritte gemacht“, so Barkmeier. „Die Auflösung der Bilder ist fast zehn Mal besser als sie damals war, als wir die Mumie 1990 das erste Mal untersuchten und wir können die Computerbilder jetzt schneller aufbauen und aus vielen Blickwinkeln betrachten.“
Die Scans und die Untersuchungen des Einbalsamierungsmaterials (zusammen mit der C-14-Untersuchung eines Holzbretts, das die Leiche stützte) ergaben, dass die Mumie das Kind einer reichen Familie aus der Römischen Periode des alten Ägypten war.
Eine digitalisierte Mumie, konstruiert aus Querschnitten von CT-Scans, zu untersuchen ähnelt einer echten Sektion – mit einigen größeren Einschränkungen allerdings, so Sarah Wisseman, Projektkoordinatorin und Leiterin des Program on Ancient Technologies and Archaeological Materials (ATAM) am Illinois State Archaeological Survey. Wisseman ist die Autorin von „The Virtual Mummy“, einem Buch über diese Untersuchung.
Die Aufnahmen enthüllten die Knochenstruktur und zeigten auch, dass die Einbalsamierer das Gehirn, das Herz und die Lunge im Körper belassen hatten. Die Bilder gaben auch Einblick in die Materialien, die zur Stabilisierung, zum Einwickeln und „Ausstopfen“ des Körpers verwendet wurden. Aber sie lieferten keine feinen Details des übergebliebenen weichen Gewebes, sagte sie.
David Hunt vom National Museum of Natural History der Smithsonian Institution stellte fest, dass das Kind noch einige seiner Milchzähne besaß und die bleibenden Zähne im Durchbruch waren. Dies zusammen mit den Hinweisen, dass die langen Röhrenknochen sich zum Zeitpunkt des Todes noch im Wachstum befanden, deuten darauf hin, dass das Kind zwischen 7 und 9 Jahre alt war, sagte Wisseman.
Mehrere Anzeichen – darunter ein Schädelbruch ohne Anzeichen von Blutungen und der Fund von Aaskäfern im Körper – weisen darauf hin, dass die Einbalsamierer „einen lausigen Job machten oder der Körper vor der Behandlung bereits eine Weile herumlag“, sagte Wisseman. Wenn das Kind während einer Epidemie gestorben wäre, hätte es eine Menge Leichen gegeben, die versorgt werden mussten, was zu Verzögerungen oder Eile bei den Einbalsamierern geführt haben könnte.
„Trotzdem deute alles darauf hin, dass dies das Kind einer reichen Familie war“, sagte sie. „Sie verwendeten teure, rote Pigmente aus Spanien. Sie verwendeten echtes Gold für Vergoldungen. Das ist eindeutig ein Kind der Oberklasse.“
Trotz der Hightech-Untersuchungen hat die Mumie noch einige ihrer Geheimnisse bewahrt. Ihre Hände sind über ihrem eingefallenen Unterleib gekreuzt und verbergen so jeden Hinweis auf ihr Geschlecht. Und DNA-Tests einer Probe von einer beschädigten Stelle an der Unterseite haben bis jetzt noch kein eindeutiges Ergebnis geliefert.
Es gibt zwar einige „verführerische“ Hinweise auf das Geschlecht des Kindes in dem Gesichtsportrait, das bei der Mumie war, so Wisseman, doch solche Bilder können auch täuschen.
„Es gibt einen Hinweis in dem Bild auf eine Tunika mit einem Streifen darauf. Das alleine würde darauf hindeuten, dass das Kind ein Junge ist“, sagte sie. „Aber es gibt andere Mumien, bei denen auf der Außenseite eine Person abgebildet ist und dann findet man einen Menschen anderen Geschlechts oder gar eine Tiermumie im Inneren anstelle eines Menschen, also sollte man ein Buch nie nach seinem Umschlag beurteilen.“
„Die CT-Scans haben auch etwas wie eine Haarlocke einer Seite des Kopfes des Kindes enthüllt“, sagte Wisseman.
„Wir kennen Beispiele von römischen Gesichtern mit einem geschorenen Kopf und einer Locke an einer Seite aus der Römischen Periode in Ägypten um 100 vor Christus“, erklärte sie. Jungen hatten die Locke auf der einen Seite, Mädchen dagegen auf der anderen. Doch der Hinweis ist nicht beweiskräftig.
„Wir werden vielleicht nie erfahren, ob das Kind männlich oder weiblich war“, sagte sie. „Und wir kennen immer noch nicht die Todesursache.“
Bei dem Symposium am 2. November sprachen Wissseman, Barkmeier und Hunt zusammen mit anderen Mitgliedern des Untersuchungsteams wie Dr. Allan Campbell, Professor für klinische Pathologie und Dermatologie am University of Illinois College of Medicine in Peoria, Emily Teeter, Forschungsassistentin am Oriental Institute Museum der University of Chicago und Carter Lupton, Kurator für Altertumsgeschichte am Milwaukee Public Museum.
Gesponsored wurde die Veranstaltung von ATAM und der Dr. Allan C. Campbell Family Distinguished Speaker Series und die Forschung wurde in Teilen finanziert vom Richard and Barbara Faletti Gallery of African Cultures Fund.
Der Illinois State Archaeological Survey ist eine Abteilung des Prairie Research Institute an der University of Illinois.
Quelle: http://news.illinois.edu/news/11/1102mummy_SarahWisseman.html
(SOM)
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