Die NASA-Raumsonde Cassini hat Wissenschaftlern die ersten optischen Nahaufnahmen eines kolossalen Hurrikans geliefert, der um den Nordpol des Saturn tobt. Auf hochauflösendem Bild- und Videomaterial erkennen die Forscher, dass das Auge des Hurrikans etwa 2.000 Kilometer breit ist – 20 Mal größer als das Auge eines durchschnittlichen Hurrikans auf der Erde. Dünne, helle Wolken am äußeren Rand des Hurrikans bewegen sich mit 150 Metern pro Sekunde (540 km/h). Der Hurrikan tobt innerhalb einer großen, rätselhaften, sechseckigen Wetterformation, die als das Hexagon bekannt ist.
„Wir mussten zweimal hinschauen, als wir diesen Wirbel sahen, weil er so sehr wie ein Hurrikan auf der Erde aussieht“, sagte Andrew Ingersoll, ein Mitglied des Cassini-Bildverarbeitungsteams vom California Institute of Technology in Pasadena. „Aber er befindet sich auf dem Saturn, ist viel größer und kommt irgendwie mit den kleinen Mengen Wasserdampf in Saturns Wasserstoff-Atmosphäre aus.“
Wissenschaftler werden den Hurrikan untersuchen, um Einblicke in irdische Hurrikane zu bekommen, die ihre Kraft aus warmem Meerwasser gewinnen. Obwohl es so nah an den Wolken in Saturns oberer Atmosphäre keinen Wasserkörper gibt, könnte die Erkenntnis, wie diese Stürme auf Saturn Wasserdampf nutzen, den Wissenschaftlern mehr darüber verraten, wie terrestrische Stürme entstehen und aufrechtgehalten werden. Sowohl irdische Hurrikane als auch Saturns Nordpolarwirbel besitzen ein zentrales Auge ohne Wolken oder mit nur sehr niedrigen Wolken. Andere vergleichbare Merkmale sind hohe Wolken, die eine Wand am Auge bilden, weitere hohe Wolken, die um das Auge herumspiralen und eine Rotation entgegen den Uhrzeigersinn auf der nördlichen Hemisphäre.
Video-Link: https://youtu.be/nw7beRs7UQg
Kurzes Video mit Informationen über den Nordpolarwirbel auf Saturn. (NASA)
Ein bedeutender Unterschied zwischen den Hurrikanen ist, dass jener auf Saturn viel größer als seine irdischen Pendants ist und überraschend schnell rotiert. Auf Saturn bläst der Wind in der Wand am Auge mehr als viermal schneller als hurrikanstarke Winde auf der Erde. Im Gegensatz zu irdischen Hurrikanen, die dazu neigen, sich fortzubewegen, ist der Hurrikan auf Saturn am Nordpol des Planeten gefangen. Auf der Erde tendieren Hurrikane dazu, sich nordwärts zu bewegen – das geschieht aufgrund der Kräfte, die die Erdrotation auf die schnellen Windwirbel ausübt. Der Hurrikan auf Saturn bewegt sich nicht fort und befindet sich schon so weit nördlich, wie es ihm möglich ist. „Der polare Hurrikan kann nirgendwo anders hin und deswegen ist er wahrscheinlich am Pol gefangen“, sagte Kunio Sayanagi, ein Mitglied des Cassini-Bildbearbeitungsteams von der Hampton University in Hampton (Virginia).
Wissenschaftler glauben, dass der schwere Sturm seit Jahren wütet. Als Cassini im Jahr 2004 das Saturnsystem erreichte, war der Nordpol des Planeten dunkel, weil sich Saturn inmitten seines nordpolaren Winters befand. Während dieser Zeit registrierten das Composite Infrared Spectrometer und das Visual and Infrared Mapping Spectrometer an Bord Cassinis einen großen Wirbel, aber Beobachtungen im sichtbaren Licht mussten bis zum Vorübergehen der Tagundnachtgleiche im August 2009 warten. Erst dann begann das Sonnenlicht, Saturns nördliche Hemisphäre zu fluten. Die Beobachtung erforderte eine Veränderung des Winkels der Umlaufbahn Cassinis, so dass die Sonde die Pole sehen konnte.
„Solch ein atemberaubender und faszinierender Anblick des hurrikanartigen Sturms am Nordpol war nur möglich, weil Cassini auf einem flotteren Kurs mit geneigten Umlaufbahnen ist. Sie bringen die Sonde abwechselnd über und unter die Äquatorebene Saturns“, sagte Scott Edgington, stellvertretender Projektwissenschaftler für Cassini am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena (Kalifornien). „Aus einer äquatorialen Umlaufbahn kann man die Polarregionen nicht sehr gut sehen. Die Beobachtung des Planeten aus unterschiedlichen Perspektiven offenbart mehr über die Wolkenschichten, die den gesamten Planeten bedecken.“
Video-Link: https://youtu.be/Cd4FOQdlVMU
Dieses Video zeigt die Wolkenbewegungen des Nordpolarwirbels auf Saturn. (NASA)
Die Cassini-Sonde ändert den Neigungswinkel ihrer Umlaufbahn für eine derartige Beobachtungskampagne nur einmal alle paar Jahre. Weil die Sonde Flyby-Manöver an dem Saturnmond Titan benutzt, um den Winkel ihrer Umlaufbahn zu ändern, erfordern die geneigten Bahnen eine aufmerksame Beaufsichtigung durch die Navigatoren. Der Kurs verlangt sorgfältige Planungsjahre im Voraus und muss sich sehr präzise an die geplante Reiseroute halten, um zu gewährleisten, dass genug Treibstoff verfügbar ist, damit die Sonde zukünftige geplante Umlaufbahnen und Begegnungen erreichen kann.
Die Cassini-Huygens-Mission ist ein Gemeinschaftsprojekt der NASA, der European Space Agency (ESA) und der Italian Space Agency. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA, eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena, betreibt die Cassini-Huygens-Mission für das Science Mission Directorate in Washington. Der Cassini-Orbiter und seine zwei an Bord befindlichen Kameras wurden am JPL entwickelt und zusammengesetzt. Das Bildverarbeitungsteam umfasst Wissenschaftler aus den Vereinigten Staaten, England, Frankreich und Deutschland. Das Operationszentrum für die Bildverarbeitung hat seinen Sitz am Space Science Institute in Boulder (Colorado).
Quelle: http://www.nasa.gov/mission_pages/cassini/whycassini/cassini20130429.html
(THK)
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