Ungewöhnliche Supernova ist so untypisch wegen ihrer Normalität

Die Supernova SN 2011fe (Pfeil) in der Feuerrad-Galaxie im Sternbild Großer Bär. Ihr Spektrum stellt einen Maßstab dar, an dem zukünftige Beobachtungen von Typ-Ia-Supernovae gemessen werden können. (B. J. Fulton, Las Cumbres Observatory Global Telescope Network)
Die Supernova SN 2011fe (Pfeil) in der Feuerrad-Galaxie im Sternbild Großer Bär. Ihr Spektrum stellt einen Maßstab dar, an dem zukünftige Beobachtungen von Typ-Ia-Supernovae gemessen werden können. (B. J. Fulton, Las Cumbres Observatory Global Telescope Network)

Im August 2011 ereignete sich das verblüffende Aufleuchten der nächstgelegenen und hellsten Typ-Ia-Supernova, seit dieser Supernova-Typ als „Standardkerze“ zur Messung der Expansion des Universums verwendet wird. Das helle Ereignis mit der Bezeichnung SN 2011fe wurde weniger als zwölf Stunden nach der Explosion in der Feuerrad-Galaxie (Großer Wagen / Bär) von der Palomar Transient Factory entdeckt.

SN 2011fe war leicht mit dem Fernglas zu beobachten und wurde bald als Hinterhof-Supernova bezeichnet. Umgehend folgten umfassende astronomische boden- und weltraumbasierte Untersuchungen, die die Helligkeit und Farben der Supernova aufzeichneten, während sie schnell heller wurde und sich dann langsam abschwächte.

Die internationale Nearby Supernova Factory (SNfactory) unter Leitung von Greg Aldering vom Lawrence Berkeley National Laboratory (Berkeley Lab) des US-Energieministeriums hat jetzt einen einzigartigen Datensatz veröffentlicht. Er basiert auf 32 Nächten wiederholter Beobachtungen der Supernova SN 2011fe mit dem SuperNova Integral Field Spectrograph (SNIFS), der von Partnern der SNfactory in Lyon und Paris konstruiert und an dem 2,2-Meter-Teleskop der University of Hawaii auf dem Gipfel des Mauna Kea angebracht wurde. Die Beobachtungen begannen zwei Wochen, bevor die Supernova ihre maximale Helligkeit erreichte und hielten mehr als drei Monate nach Erreichen ihrer größten Helligkeit an. „Wir hatten nie zuvor eine Typ-Ia-Supernova so frühzeitig beobachtet“, sagte Aldering, ein Kosmologe der Abteilung für Physik am Berkeley Lab. „Unsere Messungen zeigten, wie bemerkenswert normal die Supernova SN 2011fe ist.“

Das SNfactory-Mitglied Rui Pereira vom Institute de Physique Nucléaire de Lyon sagte, dass die gesammelten Daten „den Maßstab für alle zukünftigen Untersuchungen von Typ-Ia-Supernovae bilden werden“. Pereira ist der leitende Autor des Artikels im Journal Astronomy & Astrophysics, der die Beobachtungen beschreibt.

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Video-Link: https://youtu.be/Ayb0DaNHC3w

Lichtkurve der Supernova SN 2011fe. (Pereira et al.; A&A Volume 554, June 2013)

Warum eine perfekt normale Supernova so seltsam ist

Typ-Ia-Supernovae sind weniger Standardkerzen, sondern eher „standardisierbare“ Kerzen. Die Graphen ihrer Helligkeit und ihrer spektralen Merkmale verändern sich mit der Zeit – ihre Lichtkurven variieren. Aber weil Zeit und Helligkeit zusammenhängen, können die Lichtkurven gedehnt (oder gestaucht) werden, damit sie dem Standard entsprechen. Die Lichtkurve von SN 2011fe fällt genau in die Spitze der Verteilung. Sie hat „Stretch 1“, wie ein Astrophysiker sagen würde.

Rollin Thomas von der Computational Research Division am Berkeley Lab wirkte nachhaltig an der Analyse von SN 2011fe mit. Als jede Nacht die neuen Daten des Teleskops hereinkamen, dachte er „bitte sei nichts Besonderes, bitte sei nichts Besonderes“, erinnert er sich und er war beruhigt, als er feststellte, das die Supernova so normal war. SN 2011fe sieht nicht nur aus wie ein Fall aus dem Lehrbuch, sondern besteht auch wichtige Tests. Ihre Helligkeit zu verschiedenen Zeiten (Epochen) konnte genauestens aufgezeichnet werden, weil die Entfernung zu ihrer Heimatgalaxie unabhängig gemessen wurde und es nur wenig oder gar keinen Staub in der Sichtlinie gab, der die Farbe oder Helligkeit hätte beeinflussen können.

So normal sie auch sein mag, die Lichtkurve von SN 2011fe stimmt allerdings nicht mit den gängigen Computermodellen überein, von denen keines zu den Daten der SNfactory passt. In Anbetracht der unvermeidbaren Unsicherheiten bei Supernova-Beobachtungen „war es bisher etwas zu leicht, die Daten zusammenzufügen, abhängig von den Vorstellungen, wie sie aussehen sollten“, sagte Aldering. Der Maßstab der SNfactory legt die Messlatte höher. „Von jetzt an werden die Forscher die Knöpfe in ihren Modellen nicht mehr willkürlich justieren können.“

Der SN2011fe-Maßstab wird helfen, viele lang bestehende Fragen hinsichtlich Typ-Ia-Supernovae zu beantworten, darunter auch die Frage nach den Vorläufern dieser gigantischen thermonuklearen Explosionen und die Explosionsmechanismen selbst.

Das einfach entartete Szenario der Typ-Ia-Vorläufer beschreibt einen einzelnen Weißen Zwerg, der zusätzliche Masse von einem großen Begleitstern absaugt. (Die „Entartung“ von Elektronen ist eine Folge der dicht gepackten Atome in einem Weißen Zwerg.) In der resultierende Supernova-Explosion sollte es Anzeichen für Interaktionen mit dem Begleiter geben, beziehungsweise mit dem, was von ihm übrig ist. Im zweifach entarteten Szenario kollidieren zwei Weiße Zwerge miteinander. Die resultierende Supernova würde keine Anzeichen für Interaktionen mit einem Begleitstern zeigen.

„Die Beobachtungen von SN 2011fe können benutzt werden, um diese Modelle zu überprüfen“, sagte Aldering. „Die existierenden Modelle des zweifach entarteten Szenarios passten für manche Epochen der Supernova SN 2011fe am besten, aber das einfach entartete Szenario war bei anderen Epochen besser. Und für manche Epochen stimmen beide kaum mit den Daten überein, was dafür spricht, dass diese Modelle noch einen Weg vor sich haben.“

Die Daten von SN 2011fe deuten auch auf unverbrannten Kohlenstoff als Merkmal im Spektrum einer normalen Typ-Ia-Supernova hin. Der Fund unterstützt ein bestimmtes Modell („pure turbulent deflagration“), verglichen mit zweistufigen Explosionen, die den Großteil des überschüssigen Kohlenstoffs eliminieren würden. Übrig gebliebener Kohlenstoff von dem ursprünglichen Weißen Zwerg lässt darauf schließen, dass unterschiedliche Supernovae Materie mit unterschiedlicher Effizienz verbrennen, wenn sie explodieren. Durch die Daten von SN 2011fe werden Methoden für den Nachweis von unverbranntem Kohlenstoff in Aussicht gestellt, die in der Vergangenheit oft erfolglos waren.

„Die Daten von SN 2011fe bieten beispiellose Details und einen soliden Bezugspunkt für die Vorgänge in Typ-Ia-Supernovae. Wir hatten bisher keine derartigen Daten. Es ist eine Wunschgelegenheit, um ein tieferes Verständnis dieser Markierungspunkte für die Expansion des Universums zu erlangen“, sagte Aldering abschließend.

Diese Forschungsarbeit wurde vom Office of Science des US-Energieministeriums, der Gordon and Betty Moore Foundation, dem National Institute of Nuclear and Particle Physics (IN2P3) dem French National Center for Scientific Research (CNRS), dem National Institute for Earth Sciences and Astronomy (INSU), dem French National Program of Cosmology and Galaxies (PNCG), dem Transregional Research Center und dem Projekt „The Dark Universe“ (TRR33) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.

Quelle: http://newscenter.lbl.gov/news-releases/2013/06/19/unusually-normal-supernova/

(THK)

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