Astro-Bild der Woche: Der Kopfbereich einer „Säule der Schöpfung“ im Adlernebel

Diese Aufnahme wurde mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile gemacht. Sie zeigt einen kleinen Ausschnitt des Adlernebels, einer Sternentstehungsregion im Sternbild Schlange. (ESO / M.McCaughrean & M.Andersen (AIP))
Diese Aufnahme wurde mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile gemacht. Sie zeigt einen kleinen Ausschnitt des Adlernebels, einer Sternentstehungsregion im Sternbild Schlange. (ESO / M.McCaughrean & M.Andersen (AIP))

Das Astro-Bild der Woche zeigt einen kleinen Bereich eines Objekts, das 1995 große Berühmtheit erlangte: der Adlernebel mit seinen sogenannten „Säulen der Schöpfung“. Im Jahr 1995 blickte das Weltraumteleskop Hubble so tief in die Sternentstehungsregion hinein wie nie zuvor. In dem Nebel offenbarten sich langgezogene Strukturen aus ausgedehnten Gaswolken, deren Erscheinungsbild an Säulen erinnerte. An ihren Spitzen waren viele gerade erst entstandene Sterne zu erkennen, weshalb man den Strukturen die Bezeichnung „Säulen der Schöpfung“ gab. Die internationale Presse griff diesen Namen auf und seitdem gehören die damaligen Hubble-Aufnahmen zu den bekanntesten (und wohl auch schönsten) Deepsky-Fotos in der Geschichte der Astronomie.

Physikalisch gesehen handelt es sich bei dem Adlernebel um einen Emissionsnebel. Wie der Name vermuten lässt, emittieren die riesigen Gas- und Staubwolken selbst Licht in charakteristischen Wellenlängen. Der Grund dafür ist die hochenergetische Strahlung naher Sterne, insbesondere den Sternen des offenen Sternhaufens NGC 6611. Die Sterne sind sehr jung und massereich, weshalb sie große Mengen Energie in Form von ultravioletter Strahlung abgeben. Das ultraviolette Licht regt die Gasmoleküle in den umgebenden Gaswolken zum Leuchten an und macht den Nebel überhaupt erst sichtbar. Der Adlernebel ist circa 7.000 Lichtjahre von der Erde entfernt – das entspricht ungefähr der fünffachen Entfernung des noch etwas berühmteren Orionnebels. Er befindet sich in Richtung des Sternbildes Serpens (Schlange).

Sternentstehungsregionen wie der Adlernebel sind wichtige Informationsquellen für Astronomen. Viele Einzelheiten dieses äußerst komplexen Entwicklungsprozesses sind noch immer nicht zufriedenstellend geklärt. Mit leistungsfähigen Weltraumteleskopen wie Hubble, Spitzer oder dem geplanten James Webb Space Telescope haben Wissenschaftler die Möglichkeit, diesen Entwicklungsprozess mehr oder weniger „live“ zu verfolgen. Natürlich ist dies nicht an ein und demselben Stern möglich, da der Prozess hunderttausende Jahre dauern kann. Aber weil sich in solchen Sternentstehungsregionen ständig Sterne bilden, kann man Sterne in ihren frühesten Phasen – Protosterne genannt – beobachten. Andere Sterne sind in ihrer Entwicklung schon etwas weiter und liefern Informationen über die Phasen, die dem Protosternstadium nachfolgen.

Die Bezeichnung „Säulen der Schöpfung“ bezieht sich auf drei bestimmte Gasstrukturen im Adlernebel, die bis zu 9,6 Lichtjahre lang sind (siehe das Bild ganz unten). Zum Vergleich: Die Distanz zwischen unserem Sonnensystem und dem nächstgelegenen Stern Proxima Centauri beträgt ungefähr 4,2 Lichtjahre. Das Astro-Bild der Woche zeigt den Kopfbereich einer anderen Säule, die auf der untenstehenden Übersichtsaufnahme unter den drei Säulen der Schöpfung zu sehen ist. Diese Säule Nummer 4 ist zwar weniger bekannt, aber keineswegs weniger interessant als ihre berühmten Geschwister.

Das Astro-Bild der Woche wurde mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile gemacht und zeigt die Kopfregion der Säule Nummer 4 im Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums. Das abgebildete Gebiet misst 1,9 mal 2,8 Lichtjahre. In den dunklen Gas- und Staubwolken sind zwei markante, rötliche Strukturen zu erkennen. Dies sind quasi die Geburtskokons zweier Sterne, die sich tief im Innern der rot leuchtenden Gaswolken befinden und dadurch nicht direkt fotografiert werden können.

Die Säule Nummer 4 wird voraussichtlich länger bestehen als ihre drei populäreren Schwestern, weil sie den starken Sternwinden und der ultravioletten Strahlung der Sterne des Sternhaufens NGC 6611 nicht so stark ausgesetzt ist. Die Säulen 1 bis 3 liegen wesentlich näher an dem Sternhaufen und werden dementsprechend schneller erodiert. Schon in ein paar tausend Jahren kann sich das Aussehen der Region völlig verändert haben. So gesehen haben wir nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht, sondern auch aus ästhetischer Sicht das Glück, eine solch schöne, kosmische Momentaufnahme betrachten zu können.

Übersichtsaufnahme mit den drei Säulen der Schöpfung (oben) Die Säule Nummer 4 befindet sich ein ganzes Stück unter den drei anderen Säulen, etwas links von der Mitte. (ESO / M.McCaughrean & M.Andersen (AIP))
Übersichtsaufnahme mit den drei Säulen der Schöpfung (oben) Die Säule Nummer 4 befindet sich ein ganzes Stück unter den drei anderen Säulen, etwas links von der Mitte. (ESO / M.McCaughrean & M.Andersen (AIP))

 

Die klassischen Säulen der Schöpfung. (NASA, Jeff Hester, and Paul Scowen (Arizona State University))
Die klassischen Säulen der Schöpfung. (NASA, Jeff Hester, and Paul Scowen (Arizona State University))

Eine größere Version der Astro-Bild-Aufnahme gibt es unter:
http://www.eso.org/public/archives/images/large/eso0142e.jpg

Anmerkung der Redaktion
Die anderen drei Vorschläge für das Astro-Bild der Woche waren:
Bild 1: Die Zentralregion der Galaxie NGC 1365
Bild 2: McNeils Reflexionsnebel
Bild 3: Die offenen Sternhaufen NGC 2074 und NGC 2081 in der Großen Magellanschen Wolke

(THK)

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