Mit Daten des Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) der NASA wurde eine entfernte Galaxie entdeckt, die heller leuchtet als 300 Billionen Sonnen. Die Galaxie ist die hellste Galaxie, die bislang entdeckt wurde, und gehört zu einer neuen Objektklasse, die WISE kürzlich entdeckt hat: extrem leuchtkräftige Infrarotgalaxien (extremely luminous infrared galaxies, ELIRGs).
„Wir betrachten eine sehr intensive Phase der Galaxienentwicklung“, sagte Chao-Wei Tsai vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena (Kalifornien). Er ist der Hauptautor eines neuen Berichts, der in der Astrophysical Journal-Ausgabe vom 22. Mai 2015 erscheint. „Dieses überwältigende Licht könnte von dem Hauptwachstumsschub des Schwarzen Lochs in der Galaxie stammen.“
Die helle Galaxie mit der Bezeichnung WISE J224607.57-052635.0 könnte ein gigantisches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum bergen, das sich mit Gas vollfrisst. Supermassive Schwarze Löcher ziehen Gas und Materie in eine Scheibe um sie herum und heizen die Scheibe auf enorme Temperaturen von einigen Millionen Grad Celsius auf. Dadurch emittiert sie hochenergetisches, sichtbares und ultraviolettes Licht, sowie Röntgenstrahlung. Das Licht wird durch umgebende Staubkokons blockiert. Wenn sich der Staub aufheizt, emittiert er infrarotes Licht.
Große Schwarze Löcher sind in den Kernen von Galaxien häufig anzutreffen, aber ein so großes Schwarzes Loch so weit entfernt im Universum zu finden, ist selten. Weil das Licht der Galaxie, die das Schwarze Loch beherbergt, 12,5 Milliarden Jahre brauchte, um uns zu erreichen, sehen die Astronomen das Objekt so, wie es in der fernen Vergangenheit war. Das Schwarze Loch besaß bereits mehrere Milliarden Sonnenmassen, als unser Universum gerade einmal ein Zehntel seines heutigen Alters von 13,8 Milliarden Jahren hatte.
Die neue Studie hebt drei Gründe hervor, warum die Schwarzen Löcher in den extrem leuchtkräftigen Infrarotgalaxien so massereich geworden sind: Erstens könnten sie groß geboren worden sein. Mit anderen Worten, die „Samen“ oder jungen Schwarzen Löcher könnten größer sein, als man für möglich hielt. „Wie bekommt man einen Elefanten?“, fragte Peter Eisenhardt, ein WISE-Projektwissenschaftler am JPL und Co-Autor der Studie. „Eine Möglichkeit ist, mit einem Babyelefanten anzufangen.“
Die beiden anderen Erklärungen brechen oder dehnen die theoretische Grenze für das Wachstum eines Schwarzen Lochs – die sogenannte Eddington-Grenze. Wenn ein Schwarzes Loch Materie aufnimmt, fällt Gas in seine Richtung und heizt sich auf, wodurch Licht abgestrahlt wird. Der Druck des Lichts drückt das Gas weg und erschafft eine Grenze dafür, wie schnell das Schwarze Loch stetig Materie aufsaugen kann. Falls ein Schwarzes Loch diese Grenze durchbrochen hätte, könnte es sich theoretisch in halsbrecherischer Geschwindigkeit aufblähen. Es wurden bereits Schwarze Löcher beobachtet, die diese Grenze durchbrochen haben. Das Schwarze Loch in der vorliegenden Studie hätte die Grenze allerdings wiederholt brechen müssen, um so groß zu werden.
Alternativ könnten die Schwarzen Löcher diese Grenze auch nur dehnen. „Eine andere Möglichkeit, damit ein Schwarzes Loch so groß werden kann, ist eine anhaltende Fressattacke, bei der es die Nahrung schneller verschlingt als für möglich gehalten wurde“, sagte Tsai. „Das kann passieren, wenn das Schwarze Loch nicht so schnell rotiert.“ Wenn ein Schwarzes Loch langsam genug rotiert, wird es seine Mahlzeit nicht so stark abstoßen. Letztendlich kann ein langsam rotierendes Schwarzes Loch mehr Materie aufnehmen als ein schnell rotierendes.
„Die massereichen Schwarzen Löcher in den extrem leuchtkräftigen Infrarotgalaxien könnten selbst über eine längere Zeitperiode mehr Materie verschlungen haben“, sagte Andrew Blain von der University of Leicester in Großbritannien, ein Co-Autor des Berichts. „Es ist so, als würde man ein Hotdog-Wettessen gewinnen, das hunderte Millionen Jahre andauert.“
Um das Rätsel dieser blendend hellen Galaxien zu lösen, sind weitere Forschungsarbeiten nötig. Das Team hat Pläne, um die Massen der zentralen Schwarzen Löcher genauer zu bestimmen. Die tatsächlichen Eigenschaften dieser Objekte zu kennen, wird dabei helfen, ihre Vergangenheit und die Vergangenheit anderer Galaxien in diesem sehr entscheidenden und wilden Kapitel unseres Universums zu ergründen.
WISE hat auf Bildern des kompletten Himmels, die das Teleskop im Jahr 2010 anfertigte, noch mehr dieser seltsamen Galaxien festgehalten. Indem es den kompletten Himmel mit besserer Empfindlichkeit als jemals zuvor betrachtete, konnte WISE seltene kosmische Objekte beobachten, die ansonsten vielleicht unbeachtet geblieben wären.
In der neuen Studie wird über insgesamt 20 neue extrem leuchtkräftige Infrarotgalaxien berichtet, darunter die hellste Galaxie, die bisher entdeckt wurde. Diese Galaxien wurden aufgrund ihrer Entfernung nicht früher entdeckt – zudem wandelt Staub ihr starkes sichtbares Licht in eine unglaubliche Menge Infrarotlicht um. „In einer ähnlichen Studie mit WISE stellten wir fest, dass die Hälfte der hellsten Galaxien nur im Infrarotbereich gut zu sehen war“, sagte Tsai.
Das Jet Propulsion Laboratory leitet und betreibt WISE für das Science Mission Directorate der NASA in Washington. Nachdem es den gesamten Himmel zweimal gescannt und damit seine Hauptziele erfüllt hatte, wurde das Teleskop 2011 in den Ruhezustand versetzt. Im September 2013 wurde WISE reaktiviert und in NEOWISE umbenannt. Ihm wurde eine neue Mission zugewiesen, der NASA bei ihren Bemühungen zur Identifizierung potenziell gefährlicher erdnaher Objekte zu helfen.
Quelle: http://www.jpl.nasa.gov/news/news.php?feature=4593
(THK)
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