Die meisten Galaxien liegen in Galaxienhaufen – das sind Ansammlungen von wenigen bis vielen tausend Galaxien. Unsere Milchstraßen-Galaxie selbst ist ein Mitglied der Lokalen Gruppe, einer Gruppe aus etwa 50 Galaxien, deren anderes großes Mitglied die Andromeda-Galaxie in rund 2,3 Millionen Lichtjahren Entfernung ist. Der uns am nächsten gelegene große Galaxienhaufen ist der ungefähr 50 Millionen Lichtjahre entfernte Virgo-Galaxienhaufen mit circa 2.000 Mitgliedern. Galaxienhaufen sind die massereichsten gravitativ gebundenen Objekte im Universum und infolgedessen entscheidend für die Untersuchung kosmologischer Parameter.
Derzeit vermuten Astronomen, dass Galaxien entstehen, indem sich zunächst kleinere Strukturen entwickeln und sich große Galaxienhaufen erst später in der kosmischen Geschichte bildeten. Wie und wann das geschah, ist allerdings schlecht verstanden und hängt von mehreren ablaufenden physikalischen Prozessen ab, darunter dem Verhalten des Intraclustergases. Wenn Galaxienhaufen wachsen, integrieren sie große Mengen sehr heißen, intergalaktischen Gases, dessen Temperatur zehn Millionen Kelvin oder mehr beträgt. Das Gas enthält mehr Masse als alle Sterne in den Galaxien eines Galaxienhaufens, deswegen spielt das Gas eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Galaxienhaufens.
Im Februar 2016 startete die Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) Hitomi, einen internationalen Röntgensatelliten, der unter anderem dafür entwickelt wurde, das heiße Intraclustergas zu untersuchen. Leider ging Hitomi kurz nach dem Start verloren, aber bevor der Satellit im Orbit zerbrach, konnte er noch das heiße Gas in einem großen Galaxienhaufen untersuchen, dem Perseus-Galaxienhaufen. Ein großes Astronomenteam, darunter Laura Brenneman, Adam Foster und Randall Smith vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA), hat kürzlich seine Schlussfolgerungen zu diesen Schlüsselbeobachtungen im Magazin Nature veröffentlicht.
Die Wissenschaftler studierten die Bewegungen des heißen Gases mit Hitomis einzigartiger Fähigkeit zur Hochgeschwindigkeitsauflösung. Wenn sich das Gas schnell bewegt, dann hätte diese Energie die Materie gegen den gravitativen Kollaps unterstützen können. Vor Hitomi vermuteten Astronomen, dass eine derart schnelle Kinematik verglichen mit den thermalen Bewegungen des heißen Gases gering ist. Die Hitomi-Ergebnisse bestätigten, dass dies tatsächlich der Fall ist und die kinematische Bewegung sogar geringer war als vorher vermutet. Diese Ergebnisse stützten sich teilweise auf ein Modell der Röntgenemissionen, das vom AtomDB-Team am CfA zur Verfügung gestellt wurde.
Die neue Arbeit schließt das Hochgeschwindigkeitsszenario zumindest für den Perseus-Galaxienhaufen aus. Und weil dieser Galaxienhaufen als repräsentativ gilt, bedeutet das Ergebnis, das die Schlussfolgerungen zum Verhalten und zur Entwicklung von Galaxienhaufen verlässlich sind.
Abhandlung: „The Quiescent Intracluster Medium in the Core of the Perseus Cluster“ von der The Hitomi collaboration, Nature, 535, 117, 2016.
Quelle: https://www.cfa.harvard.edu/news/su201626
(THK)
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