Wie Wissenschaftler der Universität Lausanne (Schweiz) und der Washington University School of Medicine in St. Louis diese Woche in der Zeitschrift Science berichten, können sich ein Parasit und ein Virus auf eine Art und Weise verbünden, die die Fähigkeit des Parasiten verstärkt, dem Menschen zu schaden.
Wenn der Parasit Leishmania einen Menschen befällt, reagieren bestimmte Zellen des Immunsystems, die Makrophagen. Bestimmte Stämme von Leishmania sind jedoch mit einem Virus infiziert, was eine so extreme Makrophagenantwort auslösen kann, dass der Parasit bei der Infektion von Wirtstieren mehr Schaden anrichten kann. Bei Menschen könnte eine solche Virusinfektion der Grund dafür sein, dass bestimmte Leishmania-Stämme in Zentral- und Südafrika zu einer entstellenden Form der Krankheit führen, bei der das weiche Gewebe um Nase und Mund zerstört wird.
„Dies ist der erste berichtete Fall einer Virusinfektion in einem Krankheitserreger dieser Art, der zu einer erhöhten statt verringerten Pathogenität führt“, sagte Professor Stephen Beverley, der bei Marvin M. Brennecke promoviert hat und Leiter der Abteilung für Molekulare Mikrobiologie an der Washington University School of Medicine ist. „Das wirft eine Menge wichtige Fragen auf, wie zum Beispiel die, ob man antivirale Strategien einsetzen könnte, um die Schäden bei den Formen von Leishmania zu reduzieren, die mit dem Virus befallen sind.“
Eine Leishmania-Infektion, auch Leishmaniose genannt, betrifft schätzungsweise 12 Millionen Menschen weltweit. Sie wird vorwiegend durch Bisse von Sandmücken übertragen und ist ein großes Gesundheitsproblem im Mittelmeerraum, Asien, Afrika, dem Mittleren Osten und Mittel- und Südamerika und deswegen eine potentielle Gefahr auch für Reisende und Militärangehörige. Zu ihren Symptomen gehören Hautläsionen, Fieber, Schwellung von Milz und Leber und in besonders schweren Fällen Entstellungen und sogar Tod.
In der Studie kamen zwei unterschiedliche Forschungsprojekte aus Europa und Amerika zusammen.
Nicolas Fasel, promovierter Professor für Biologie und Medizin an der Universität Lausanne und Dr. Nancy Saravia vom International Center for Medical Training and Investigation in Cali (Kolumbien)studierten beide die Ursachen für mukokutane Leishmaniose (Schleimhautleishmaniose), einer besonders schweren Form dieser Krankheit, die das weiche Gewebe an Nase und Mund zerstört. Diese Art von Infektion wird meist ausgelöst von einem Befall mit Leishmania Viannia, einer Unterart von Leishmania-Stämmen, der in Mittel- und Südamerika vorherrscht.
Fasel und Saravia konnten bei Tests mit Mäusen und Hamstern zeigen, dass nur manche der verwendeten wilden Parasiten-Stämme vom Typ Viannia sich so schnell ausbreiteten und ähnlich hohe Entzündungslevel und Schäden verursachen wie die Schleimhautleishmaniose.
Der Durchbruch gelang, als die Wissenschaftler realisierten, dass diese schnelle, hochaggressive Form der Infektion mit einem Sensorprotein des Immunsystems zusammenhängt, dem TLR3. Diese Protein befindet sich in den interzellulären Bläschen der Makrophagen, in denen sich auch der Parasit einnistet.
„Diese Bläschen befinden sich dort, wo Wirt, Parasit und Virus zusammentreffen“, so Fasel. „Normalerweise hilft das TLR3 dem Immunsystem bei der Bekämpfung von Infektionen, doch als wir es in Versuchen mit Mäusen ausgeschaltet und die Infektion mit virusinfizierten Leishmaniastämmen wiederholt haben, war die Erkrankung plötzlich weniger stark.“
Die Wissenschaftler unterteilten die Leishmania-Stämme in virusinfiziert und nicht infiziert und fanden heraus, dass die schwereren Infektionen bei den Labortieren am ehesten von den virusinfizierten Leishmaniose-Stämmen verursacht wurden.
Beverleys Team hatte die Rolle von virusinfizierten Leishmanien bei der Entwicklung von RNA-Interferenz-Wegen (RNA interference pathways, kurz RNAi) erforscht, die bei der Bekämpfung von Viren hilfreich sein könnten.
„Erstaunlicherweise hatten viele Arten von Leishmania diesen „RNAi interference pathway“ verloren und eine zusätzliche Folge dieses Verlustes könnte die erfolgreiche Infektion des Parasiten mit dem Virus sein“, meinte er. „Dies könnte ein Hinweis auf einen evolutionären Tauschhandel sein, wenn man annimmt, dass der Verlust von RNAi dadurch ausgeglichen wird, dass der Parasit irgendeinen Vorteil dadurch erhält, wenn er von dem Virus befallen wird.“
Um sicher zu stellen, dass die genetischen Unterschiede der wilden Leishmania-Stämme nicht die Ergebnisse verfälscht hatten, erzeugten der Wissenschaftler Dr. Lon-Fye Lye und Suzanne Hickerson, leitende Forschungstechnikerin und beide in Beverleys Labor angestellt, genetisch identische Stammlinien von Leishmania mit und ohne Virusinfektion. Und wie bei den vorangegangenen Vergleichen verursachten auch hier die virusinfizierten Leishmanien heftigere Krankheitsausbrüche und riefen eine stärkere Antwort durch die Makrophagen hervor.
Beverley zufolge lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass bestimmte Virusinfektionen bei Leishmania die Chancen des Parasiten erhöhen, die Immunzellen des Säugetierwirtes zu befallen. Er mutmaßt, dass diese erhöhte Pathogenität ein entwicklungsbedingter Tauschhandel ist, der es für Leishmania und andere Mikroben lohnend macht, den RNAi pathway zu verlieren.
„Wie diese durch Viren erhöhte Pathogenität entsteht, ist eine faszinierende, eigenständige Fragestellung“, so Beverley. „Das könnte uns eine Menge darüber beibringen, wie Leishmania diese schwere Form der Erkrankung verursachen kann und möglicherweise auch neue Heilungsmöglichkeiten aufzeigen.“
Quelle: http://news.wustl.edu/news/Pages/21869.aspx
(SOM)
Antworten