Wie ein jung aussehender Mondvulkan sein wahres Alter verbirgt

Die vulkanische Caldera Ina auf dem Mond, fotografiert vom Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) der NASA. (Credits: NASA / GSFC / ASU)
Die vulkanische Caldera Ina auf dem Mond, fotografiert vom Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) der NASA. (Credits: NASA / GSFC / ASU)

Eine jung aussehende vulkanische Caldera auf dem Mond wurde von einigen Forschern als Beleg für eine relativ junge lunare Vulkanaktivität interpretiert, aber eine neue Forschungsarbeit spricht dafür, dass sie doch nicht so jung ist.

Während die Besatzung von Apollo 15 im Jahr 1971 den Mond umkreiste, fotografierte sie eine seltsame geologische Struktur: eine holperige, D-förmige Vertiefung von etwa 3,2 Kilometern Länge und rund 1,6 Kilometern Breite. Seitdem hat diese Formation Planetenforscher fasziniert. Einige haben vermutet, dass die Struktur namens Ina ein Beleg für eine vulkanische Eruption auf dem Mond innerhalb der letzten 100 Millionen Jahre ist – ungefähr eine Milliarde Jahre, nachdem die stärkste Vulkanaktivität auf dem Mond vermutlich erloschen ist.

Aber eine neue Forschungsarbeit unter Leitung von Geologen der Brown University lässt darauf schließen, dass Ina gar nicht so jung ist. Die Analyse, veröffentlicht im Journal Geology kommt zu dem Schluss, dass die Struktur in Wirklichkeit durch eine Eruption vor circa 3,5 Milliarden Jahren entstand. Das liegt im gleichen Altersbereich wie die dunklen vulkanischen Ablagerungen, die wir auf der erdzugewandten Seite des Mondes sehen. Es sei die spezielle Art der Lava, die aus Ina ausbrach, welche bei der Verschleierung ihres Alters hilft, sagen die Wissenschaftler.

„So interessant es auch wäre, wenn sich Ina in der jüngeren geologischen Vergangenheit gebildet hätte; wir denken einfach nicht, dass das der Fall ist“, sagte Jim Head, Co-Autor der Abhandlung und Professor am Department of Earth, Environmental and Planetary Sciences der Brown University. „Das Modell, das wir für die Entstehung Inas entwickelt haben, datiert die Struktur in die Periode starker vulkanischer Aktivität auf dem Mond vor mehreren Milliarden Jahren.“

Junges Aussehen

Ina liegt nahe des Gipfels eines sanft ansteigenden Hügels aus Basaltgestein. Das führte viele Wissenschaftler zu der Schlussfolgerung, dass Ina wahrscheinlich die Caldera eines alten Mondvulkans ist. Aber wie alt genau, war unklar. Während die Flanken des Vulkans Milliarden Jahre alt aussehen, erscheint die Ina-Caldera selbst viel jünger. Ein Anzeichen für das junge Alter ist ihr helles Erscheinungsbild, verglichen mit ihrer Umgebung. Die Helligkeit deutet darauf hin, dass Ina keine Zeit hatte, um viel Regolith anzusammeln. Regolith ist die Schicht aus losem Gestein und Staub, die sich mit der Zeit auf der Mondoberfläche absetzt.

Dieses Reliefbild zeigt die Hügel in der Ina-Caldera (rot und gelb deuten größere Höhen über dem Calderaboden an). (Credits: NASA / GSFC / ASU)
Dieses Reliefbild zeigt die Hügel in der Ina-Caldera (rot und gelb deuten größere Höhen über dem Calderaboden an). (Credits: NASA / GSFC / ASU)

Dann gibt es da Inas einzelne Hügel – etwa 80 sanfte Gesteinshügel, die bis zu 30 Meter hoch sind und die Landschaft innerhalb der Caldera dominieren. Die Hügel scheinen im Vergleich zu der umgebenden Region viel weniger Einschlagkrater aufzuweisen, was ein weiterer Beleg für ein relativ junges Alter ist. Man geht davon aus, dass sich auf einer Oberfläche im Verlauf der Zeit Krater verschiedener Größen mit einer recht konstanten Rate anhäufen.

Wissenschaftler nutzen die Anzahl und Größe der Krater, um das relative Alter einer Oberfläche zu schätzen. Im Jahr 2014 führte ein Forschungsteam eine sorgfältige Kraterzählung auf den Hügeln der Ina-Caldera durch und schlussfolgerte, dass sie von Lava gebildet worden sein mussten, die innerhalb der letzten 50-100 Millionen Jahre auf der Oberfläche ausbrach.

„Das war ein wirklich rätselhaftes Ergebnis“, sagte Head. „Ich glaube, die meisten Menschen sind der Ansicht, dass der Vulkan, auf dem die Ina-Caldera sitzt, vor Milliarden Jahren entstand. Das bedeutet, es hätte eine Unterbrechung der Vulkanaktivität von einer Milliarde Jahren oder mehr gegeben, bevor die Aktivität auftrat, die die Ina-Caldera bildete. Wir wollten sehen, ob es in der geologischen Struktur Inas irgendetwas geben könnte, das unsere Altersschätzung widerlegt.“

Nicht so jung?

Die Forscher schauten gut untersuchte Vulkane auf der Erde an, die Ina ähneln könnten. Ina scheint ein Pitkrater auf einem Schildvulkan zu sein, einem langsam ansteigender Berg wie der Vulkan Kilauea auf Hawaii. Der Kilauea besitzt einen Pitkrater, der mit Ina vergleichbar ist. Er trägt den Namen Kilauea Iki und brach im Jahr 1959 aus.

Als Lava von dieser Eruption erstarrte, erschuf sie eine hochgradig poröse Gesteinsschicht innerhalb der Vertiefung mit unterirdischen Bläschen von bis zu einem Meter Durchmesser und leeren Räumen an der Oberfläche, die bis zu 66 Zentimeter tief sind. Diese poröse Oberfläche, so sagen Head und seine Kollegen, werde durch die Natur der Lava gebildet, die in den späten Phasen von Eruptionsereignissen wie diesem ausbricht. Wenn die unterirdische Lavaversorgung abzuklingen beginnt, eruptiert sie als „magmatischer Schaum“ – ein bläschenhaltiges Gemisch aus Lava und Gas. Wenn dieser Schaum abkühlt und erstarrt, bildet er die hochgradig poröse Oberfläche.

Eine Eruption am Krater Kilauea Iki im Jahr 1959 ähnelte wahrscheinlich der Eruption, welche die Formation Ina auf dem Mond entstehen ließ. (Credits: USGS)
Eine Eruption am Krater Kilauea Iki im Jahr 1959 ähnelte wahrscheinlich der Eruption, welche die Formation Ina auf dem Mond entstehen ließ. (Credits: USGS)

Die Forscher vermuten, dass eine Ina-Eruption ebenfalls magmatischen Schaum produziert hätte. Und wegen der geringeren Schwerkraft des Mondes und der nahezu fehlenden Atmosphäre wäre der lunare Magmaschaum sogar noch fluffiger als auf der Erde gewesen. Daher gehen sie davon aus, dass die Strukturen innerhalb Inas noch poröser als jene auf der Erde sind. Es ist die hohe Porosität dieser Oberflächen, die die Altersschätzungen für Ina über den Haufen wirft, weil sie sowohl die Ablagerung von Regolith verschleiert, als auch Zählungen der Krater verfälscht.

Den Wissenschaftlern zufolge würde eine hochgradig poröse Oberfläche losem Gestein und Staub erlauben, in die leeren Zwischenräume der Oberfläche zu sickern, was so aussehen würde, als hätte sich weniger Regolith angesammelt. Dieser Prozess würde durch seismische Erschütterungen in der Region unterstützt, von denen die meisten durch anhaltende Asteroideneinschläge verursacht wurden. „Es ist so, als würde man an die Seite eines Siebes schlagen, damit das Mehl durchfällt“, sagte Head. „Regolith wird mehr in die Löcher geschüttelt als an der Oberfläche zu verweilen. Dadurch sieht Ina viel jünger aus.“

Die Porosität kann auch die Kraterzählungen verzerren. Laborexperimente mit einer Hochgeschwindigkeitsprojektilkanone haben gezeigt, dass Einschläge in poröse Ziele viel kleinere Krater erzeugen. Aufgrund Inas extremer Porosität sind ihre Krater viel kleiner als sie normalerweise wären, und viele Krater könnten nicht einmal sichtbar sein. Das könnte die aus Kraterzählungen abgeleitete Altersbestimmung drastisch verändern.

Die Forscher schätzen, dass die poröse Oberfläche die Größe der Krater auf den Hügeln der Ina-Caldera um den Faktor Drei verkleinern würde. Mit anderen Worten: Ein Impaktor, der in lunarem Basaltgestein einen Krater von 30 Metern Durchmesser erzeugen würde, würde in einer Schaumablagerung nur einen Krater mit etwas über neun Metern Durchmesser schlagen. Dieses Verhältnis berücksichtigend, kommt das Team auf eine neue Altersbestimmung der Hügel auf der Ina-Caldera im Bereich von 3,5 Milliarden Jahren. Das ist vergleichbar mit dem Oberflächenalter des vulkanischen Schildes, welches Ina umgibt, und platziert die Aktivität der Ina-Caldera in den Zeitrahmen des gewöhnlichen Vulkanismus auf dem Mond.

Die Wissenschaftler denken, dass diese Arbeit eine plausible Erklärung für die Entstehung Inas gibt, ohne die rätselhafte, eine Milliarde Jahre lange Unterbrechung der Vulkanaktivität einbeziehen zu müssen. „Wir glauben, dass die jung aussehenden Strukturen der Ina-Caldera die natürliche Folge von Magmaschaum-Eruptionen auf dem Mond sind“, sagte Head. „Diese Landschaften, die durch den Schaum entstanden, sehen einfach viel jünger aus als sie sind.“

Der Doktorand Le Qiao von der Chinese University of Geosciences, zu Gast an der Brown University, ist der Hauptautor der Abhandlung. Die anderen Co-Autoren waren Lionel Wilson, Long Xiao, Mikhail Kreslavsky und Josef Dufek. Die Forschungsarbeit wurde durch das Lunar Orbiter Laser Altimeter (LOLA) Experiment (NNX09AM54G und NNX11AK29G) der NASA und Fördermittel des NASA Solar System Exploration Research Virtual Institute (NNA14AB01A) unterstützt. Le Qiao wurde von der National Natural Science Foundation of China (41373066) und dem State Scholarship Fund (201406410040) unterstützt.

Quelle

(THK)

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