Die Suche nach Gravitationswellen mittels Pulsaren

Diese Simulation zeigt die bevorstehende Kollision zweier Schwarzer Löcher, durch die Gravitationswellen produziert werden. (Credits: SXS)
Diese Simulation zeigt die bevorstehende Kollision zweier Schwarzer Löcher, durch die Gravitationswellen produziert werden. (Credits: SXS)

Einer der spektakulärsten Erfolge in der Physik dieses Jahrhunderts war die Beobachtung von Gravitationswellen – Krümmungen der Raumzeit, die von beschleunigten Massen im Weltraum erzeugt werden. Bisher gab es fünf Nachweise von Gravitationswellen, die vom Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) und kürzlich auch vom europäischen Virgo-Detektor erbracht wurden. Mit diesen Einrichtungen waren Wissenschaftler in der Lage, die extrem schwachen Signale von relativ kleinen Schwarzen Löchern beziehungsweise im letzten Oktober von Neutronensternen zu registrieren.

Aber es gibt weit größere verschmelzende Objekte, dessen Gravitationswellensignale noch nicht registriert wurden: supermassive Schwarze Löcher mit mehr als 100 Millionen Sonnenmassen. Die meisten großen Galaxien besitzen ein zentrales supermassives Schwarzes Loch. Wenn Galaxien miteinander kollidieren, spiralen ihre zentralen Schwarzen Löcher aufeinander zu und erzeugen bei ihrem kosmischen Tanz Gravitationswellen. Ähnlich wie ein großes Tier, beispielsweise ein Löwe, einen tieferen Ruf produziert als das hohe Quietschen einer winzigen Maus, so erzeugen supermassive Schwarze Löcher Gravitationswellensignale mit niedrigeren Frequenzen als die relativ kleinen Schwarzen Löcher, die von LIGO und vergleichbaren bodenbasierten Experimenten aufgefangen werden können.

„Die Beobachtung niederfrequenter Gravitationswellen wäre vergleichbar damit, die Bass-Stimmen hören zu können und nicht nur die Sopran-Stimmen“, sagte Joseph Lazio, Chefwissenschaftler des Deep Space Network der NASA am Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena (Kalifornien) und Co-Autor einer neuen Studie im Journal Nature Astronomy.

Um dieses unergründete Gebiet der Gravitationswellenforschung zu betreten, wenden sich Forscher nicht von Menschen gebauten Maschinen zu, sondern einem natürlichen Experiment am Himmel, einem sogenannten Pulsar Timing Array. Pulsare sind die dichten Überreste toter Sterne, die sehr regelmäßig Strahlen aus Radiowellen emittieren, weshalb sie manchmal auch als „kosmische Leuchttürme“ bezeichnet werden.

Weil ihre schnellen Radiopulse so vorhersehbar sind, kann ein großes Netzwerk aus gut untersuchten Pulsaren verwendet werden, um extrem kleine Abweichungen zu messen, zum Beispiel Gravitationswellen. Das North American Nanohertz Observatory for Gravitational Waves (NANOGrav), ein Physics Frontier Center der National Science Foundation, ist eine der führenden Forschungsgruppen, die Pulsare für die Suche nach Gravitationswellen nutzen.

Die neue Studie beschäftigt sich mit Paaren supermassiver Schwarzer Löcher – Systeme aus zwei Exemplaren dieser kosmischen Monster. Erstmals durchsuchten Forscher das lokale Universum nach Galaxien, die wahrscheinlich derartige Paare enthalten. Dann sagten sie voraus, welche Paare am ehesten miteinander verschmelzen und dabei beobachtet werden könnten.

Die Studie schätzt außerdem, wie lang es dauern würde, um eine dieser Verschmelzungen zu registrieren. „Wenn wir unser Pulsar Timing Array die nächsten zehn Jahre oder so erweitern, gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Nachweis der Gravitationswellen von mindestens einer Verschmelzung zweier supermassiver Schwarzer Löcher“, sagte Chiara Mingarelli, Hauptautorin der Studie. Sie arbeitete an dieser Studie im Rahmen eines Marie-Curie-Stipendiums am Caltech und am JPL und ist jetzt am Flatiron Institute in New York tätig.

Mingarelli und ihre Kollegen nutzten Daten des 2 Micron All-Sky Survey (2MASS), der den Himmel zwischen 1997 und 2001 durchmusterte. Außerdem kamen Daten des Illustris-Simulationsprojekts über Galaxienverschmelzungen zum Einsatz – ein Projekt zur Durchführung großräumiger kosmologischer Simulationen. In ihrer Strichprobe aus etwa 5.000 Galaxien fanden die Wissenschaftler circa 90 Galaxien, in denen ein supermassives Schwarzes Loch höchstwahrscheinlich mit einem anderen verschmilzt.

Während LIGO und ähnliche Experimente Objekte in den letzten Sekunden vor der Verschmelzung registrieren, sind Pulsar Timing Arrays empfindlich für Gravitationswellensignale von supermassiven Schwarzen Löchern, die aufeinanderzuspiralen und sich in den nächsten Millionen Jahren nicht vereinigen werden. Das liegt daran, dass Galaxien Millionen Jahre lang verschmelzen, bevor sich ihre zentralen Schwarzen Löcher vereinigen, um ein riesiges supermassives Schwarzes Loch zu bilden.

Die Forscher stellen auch fest, dass größere Galaxien größere Schwarze Löcher besitzen, welche bei ihrer Verschmelzung stärkere Gravitationswellen erzeugen und dass diese Verschmelzungen ebenfalls schnell ablaufen, was die Zeitspanne für ihren Nachweis verkürzt. Beispielsweise hätten Schwarze Löcher in der großen Galaxie M87 eine Zeitfenster von vier Millionen Jahren für den Nachweis. Im Gegensatz dazu würden Verschmelzungen in der kleineren Sombrero-Galaxie 160 Millionen Jahre benötigen, was den Pulsar Timing Arrays mehr Gelegenheiten gäbe, deren Gravitationswellen zu registrieren.

Verschmelzungen von Schwarzen Löchern erzeugen Gravitationswellen, weil ihre Gravitation während der gegenseitigen Umkreisungen das Gefüge der Raumzeit verzerrt und in alle Richtungen Krümmungen mit Lichtgeschwindigkeit aussendet. Diese Verzerrungen verschieben die Positionen der Erde und der Pulsare sehr geringfügig, was in einem charakteristischen und beobachtbaren Signal des Netzwerks aus kosmischen Leuchttürmen resultiert.

„Eine Abweichung zwischen der Zeit, wann die Pulsarsignale eintreffen sollten und wann sie tatsächlich eintreffen, kann auf eine Gravitationswelle hindeuten“, sagte Mingarelli. „Und weil die von uns untersuchen Pulsare etwa 3.000 Lichtjahre entfernt liegen, können sie als Gravitationswellendetektor im galaktischen Maßstab agieren.“

Weil alle supermassiven Schwarzen Löcher so weit entfernt sind, benötigen Gravitationswellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, eine lange Zeit, um die Erde zu erreichen. Diese Studie betrachtete supermassive Schwarze Löcher im Umkreis von 700 Millionen Lichtjahren. Das bedeutet, Gravitationswellen einer Verschmelzung zwischen ihnen würden bis zu 700 Millionen Jahre brauchen, um hier von den Wissenschaftlern registriert zu werden. Zum Vergleich: Vor rund 650 Millionen Jahren gediehen Algen in den Ozeanen der Erde und verbreiteten sich rasch – ein Ereignis, das wichtig für die Entwicklung komplexeren Lebens war.

Es gibt noch viele offene Fragen darüber, wie Galaxien verschmelzen und was geschehen wird, wenn sich die Milchstraßen-Galaxie der Andromeda-Galaxie nähert – jener Galaxie, mit der sie in etwa vier Milliarden Jahren kollidieren wird.

„Gravitationswellen von den Verschmelzungen zweier Schwarzer Löcher mit Millionen Sonnenmassen zu registrieren, wird uns helfen, einige der hartnäckigsten Rätsel der Galaxienbildung zu entschlüsseln“, sagte Leonidas Moustakas, ein Forscher vom JPL, der einen begleitenden „News and Views“-Artikel in dem Journal verfasste.

2MASS wurde vom Office of Space Science, der National Science Foundation, dem U.S. Naval Observatory und der University of Massachusetts finanziert. Das JPL leitete das Programm für das Office of Space Science der NASA in Washington. Die Daten wurden am IPAC des California Institute of Technology in Pasadena (Kalifornien) verarbeitet.

Quelle

(THK)

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