Das Nachglühen der fernen Verschmelzung zweier Neutronensterne, die im vergangenen August registriert wurde, ist weiterhin heller geworden – sehr zur Überraschung von Astrophysikern, die die Nachwirkungen der gewaltigen Kollision untersuchen. Die Verschmelzung fand rund 138 Millionen Lichtjahre entfernt statt und schickte Gravitationswellen durch das Universum.
Neue Beobachtungen des NASA-Weltraumteleskops Chandra deuten darauf hin, dass der von der Kollision freigesetzte Gammablitz komplexer ist, als Wissenschaftler es sich ursprünglich vorgestellt hatten. Die Studie wurde in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
„Wenn wir einen kurzen Gammablitz sehen, werden die von dem Jet erzeugten Emissionen normalerweise kurzzeitig hell, wenn er auf das umgebende Medium trifft. Danach schwächen sie sich ab, während das System aufhört, den Jet weiterhin mit Energie zu versorgen“, sagte die Astrophysikerin Daryl Haggard von der McGill University, deren Forschungsgruppe die neue Studie leitete. „Dieser ist anders – es ist definitiv kein einfacher, schmaler Jet.“
Kokon-Theorie
Die neuen Daten könnten mit komplizierteren Modellen über die Überreste der Neutronenstern-Verschmelzung erklärt werden. Eine Möglichkeit: Die Verschmelzung erzeugte einen Jet, der die umgebenden gasförmigen Überreste schockartig aufheizte und einen heißen „Kokon“ um den Jet erschuf, welcher viele Monate lang im Röntgen- und Radiobereich geleuchtet hat. Die Röntgenbeobachtungen passen zu Radiodaten, über die ein anderes Forschungsteam letzten Monat berichtete. Das Team stellte fest, dass diese Radioemissionen von der Kollision ebenfalls mit der Zeit heller wurden.
Während Radioteleskope imstande waren, das Nachglühen den Herbst hindurch zu verfolgen, konnten Röntgenteleskope und optische Teleskope drei Monate lang nicht beobachten, weil dieser Punkt am Himmel in dem Zeitraum zu nah an der Sonne lag.
„Als die Quelle Anfang Dezember aus dem blinden Fleck am Himmel wieder auftauchte, nutzte unser Chandra-Team die Gelegenheit, um zu sehen, was vor sich geht“, sagte John Ruan, Postdoktorand am McGill Space Institute und Hauptautor der neuen Studie. „Tatsächlich war das Nachglühen in Röntgenwellenlängen heller geworden, genau wie im Radiobereich.“
Physik-Rätsel
Das unerwartete Muster bereitete Astronomen Kopfzerbrechen beim Versuch zu verstehen, welche physikalischen Prozesse die Emission antreiben. „Diese Neutronenstern-Verschmelzung ist anders, als alles, was wir bisher gesehen haben“, sagte Melania Nynka, eine andere Postdoktorandin von der McGill University. „Für Astrophysiker ist es ein Geschenk, das noch nicht ausgepackt zu sein scheint.“ Nynka wirkte ebenfalls als Co-Autorin an der neuen Studie mit, zusammen mit Astronomen von der Northwestern University und der University of Leicester.
Die Neutronenstern-Verschmelzung wurde erstmals am 17. August 2017 vom Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) in den USA registriert. Der europäische Virgo-Detektor und etwa 70 boden- und weltraumbasierte Observatorien halfen die Entdeckung zu bestätigen.
Mit der Entdeckung begann ein neues Zeitalter in der Astronomie. Es war das erste Mal, dass Wissenschaftler in der Lage waren, ein kosmisches Ereignis sowohl mit Lichtwellen (der Basis der traditionellen Astronomie) als auch mit Gravitationswellen zu beobachten. Graviationswellen sind Krümmungen in der Raumzeit, die vor einem Jahrhundert von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt wurden. Verschmelzungen von Neutronensternen, die zu den dichtesten Objekten im Universum gehören, werden für die Erzeugung schwerer Elemente wie Gold, Platin und Silber verantwortlich gemacht.
Abhandlung: „Brightening X-Ray Emission from GW170817/GRB 170817A: Further Evidence for an Outflow“ von J. Ruan et al., Astrophysical Journal Letters
(THK)
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